Interview mit Anna Kuruvilla
30.01.2025, 10:09 Uhr
Die Strategin für digitale Innovation
Magenta liegt im Trend. Die Hausfarbe von T-Systems ist auch in der Schweiz beliebt. Woran das liegt, erklärt Anna Kuruvilla, Head Business Development & Chapter Lead Consulting für Digital Solutions bei T-Systems Schweiz.
Anna Kuruvilla, Head Business Development für die Digital Solutions, T-Systems Schweiz
(Quelle: Computerworld)
IT-Managementberatung, Strategieentwicklung und digitale Innovation – Anna Kuruvilla ist eine spannende Gesprächspartnerin. Stets an der Schnittstelle von Technologie und Transformation, gestaltet sie heute bei T-Systems Schweiz die digitale Zukunft. Im Interview verrät sie, wie Unternehmen den Weg in die digitale Zukunft gestalten und dabei echte Mehrwerte schaffen können.
Computerworld (CW): Anna Kuruvilla, wie kam es, dass Sie eine Laufbahn in der IT-Branche eingeschlagen haben?
Anna Kuruvilla: Eigentlich war das kein gezielter Schritt. Nach meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre ergab sich die Gelegenheit, in einer IT& Management Beratung im Bereich Transformation Management tätig zu werden. Dort habe ich hautnah erlebt, welches Potenzial IT besitzt, Prozesse effizient zu gestalten und wirkungsvoll sowie unterstützend einzusetzen – insbesondere in der Medizin. Diese Faszination für die Möglichkeiten hat mich seither nicht mehr losgelassen. Sie prägt bis heute mein Denken und Handeln – sei es in der Zusammenarbeit mit Kunden, in Projekten oder bei der Entwicklung innovativer Modelle oder Lösungen.
CW: IT gilt immer noch als Männerdomäne. Wie schwierig war es für Sie als Frau, hier Fuss zu fassen?
Kuruvilla: Ich sehe dieses Thema heute mit einer gewissen Gelassenheit. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass Frauen – insbesondere in Führungspositionen – in der IT noch immer keine Selbstverständlichkeit sind, trotz vieler Fortschritte und gezielter Förderung. Als Frau in der IT ist es wichtig, sich durch Leistungsbereitschaft und fachliche Kompetenz zu behaupten. Für mich persönlich spielen Geschlecht oder andere Merkmale bei der Besetzung von Funktionen keine Rolle. Entscheidend sind allein die Fähigkeit, die jeweilige Aufgabe erfolgreich zu meistern, und der richtige Mindset. Aus diesem Grund stehe ich generell Quoten kritisch gegenüber. Stattdessen setze ich darauf, eine Macher-Mentalität zu fördern. Denn Engagement und Talent sind nicht geschlechtsgebunden. Das kann ein Mann genauso gut wie eine Frau.
“Mich fasziniert die Vielfalt an digitalen Möglichkeiten immer wieder aufs Neue.„
Anna Kuruvilla, T-Systems Schweiz
CW: Und wenn wir schon beim Thema Akzeptanz sind, wie wird T-Systems hier in der Schweiz wahrgenommen?
Kuruvilla: Wir tragen mit unserem Magenta dazu bei, dass die Schweiz etwas bunter wird (lacht). Aber im Ernst, wir sehen uns in der Rolle als selbstbewussten Angreifer im Markt. Und zwar im positiven Sinn. Viele grössere Unternehmen kennen und schätzen uns. Ein entscheidender Vorteil ist, dass T-Systems unter diesem Brand bereits seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz zuhause ist. Lokale Nähe ist gerade hierzulande ein wichtiges Kriterium und wir haben mit der Deutschen Telekom eine starke Mutter im Rücken. Trotzdem fällt einem der Erfolg nicht in den Schoss. Wir arbeiten deshalb doppelt motiviert und suchen proaktiv das Gespräch mit Unternehmen und Organisationen. Gerade im Manufacturing ist T-Systems für viele ein Begriff. Schweizer Fertigungsunternehmen sind oft international ausgerichtet und kennen uns bereits aus anderen Ländern. Auch dieser Bekanntheitsgrad hilft uns, Vertrauen zu gewinnen. Man attestiert uns nachweisbare Lösungskompetenz und Innovationskraft.
CW: Die Fertigungsbranche ist ein weiterer Bereich, in dem klassischerweise Männer das Sagen haben. Wie bringen Sie sich da ein?
Kuruvilla: Tja, offenbar liegt mir das Aufbrechen traditioneller Muster (schmunzelt). Wir haben uns bei T-Systems vor einem Jahr entschlossen, die Manufacturing-Branche in der Schweiz auf die strategische Agenda zu setzen. Als Verantwortliche für das Business Development obliegt mir die Aufgabe, die Märkte zu beobachten, Trends zu erkennen und zu analysieren, wie unsere Angebote in den Schweizer Markt passen. Dank langjähriger Erfahrung und modernen Industrielösungen sind wir prädestiniert für die Fertigungsbranche. Ich verstehe mich als Brückenbauerin zwischen uns und unseren Kunden. Das kommt sehr gut an und wird auch honoriert.
CW: Ich bin etwas erstaunt, T-Systems in Verbindung mit der Fertigungsindustrie zu sehen. Das gibt für mich ein neues Bild. Was gibt es noch zu entdecken?
Kuruvilla: Da gibt es noch einiges. T-Systems ist weltweit mit mehr als 26'000 Mitarbeitenden als IT-Dienstleister tätig. Wir können sowohl spezifische Lösungen anbieten als auch als Generalunternehmen komplexe Projekte übernehmen. Zudem bieten wir unter anderem in den Bereichen Cloud Computing, Cybersecurity, Netzwerk, IoT und KI ein umfassendes Angebot an Dienstleistungen. Bei der digitalen Transformation unterstützen wir Unternehmen von der Beratung bis zum Betrieb. Wir sind sehr stark präsent in Branchen wie Fertigung, Gesundheitswesen und öffentliche Verwaltung und bieten massgeschneiderte Lösungen an. Wussten Sie, dass unter anderem viele Flughäfen auf der ganzen Welt das Airport Management von T-Systems nutzen? Beispielsweise der Flughafen in Amsterdam oder in Peking, um nur ein paar zu erwähnen. Oder dass wir für SAP gerade eine neue Abrechnungssoftware für Krankenhäuser entwickeln? In der Schweiz sorgen wir bei der SBB für eine stabile IT-Infrastruktur und betreuen verschiedene Anwendungen in den Vertriebs- und Servicesystemen. Wie erwähnt, fasziniert mich diese Vielfalt an digitalen Möglichkeiten immer wieder aufs Neue.
“Als Frau in der IT muss man lernen, sich zu behaupten.„
Anna Kuruvilla, T-Systems Schweiz
CW: Wie schaffen Sie es, trotz der Vielfalt den «magenta-roten» Faden als Digital Consultant und Business Developer nicht zu verlieren?
Kuruvilla: Meinen Einstieg bei der Detecon, der Strategieberatung der Deutschen Telekom, verdanke ich meine strukturierte Arbeitsweise. Erste Quelle für Informationen sind natürlich unsere Kunden und der direkte Austausch mit ihnen. So erfahre ich aus erster Hand, was Unternehmen bewegt und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind. Weitere Informationen ziehe ich aus Studien, Analysen, Statistiken und Reports. Dabei unterstützt mich mein Team, die wichtigsten Erkenntnisse herauszufiltern und einzuordnen. Wir haben immer die Augen und Ohren offen und verfolgen auch branchenspezifisch, was gerade passiert. Nicht zuletzt setzen wir uns laufend mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinander. Gerade wenn es um die sinnvolle Steuerung von Ressourcen und Kapazitäten geht, kann T-Systems einen wertvollen Beitrag leisten.
CW: Was fasziniert Sie derzeit am meisten?
Kuruvilla: IT-Technologieinnovation findet nicht nur im Westen oder den USA statt; ich orientiere mich auch stark Richtung Asien. Dort werden grossartige Anwendungen und Technologien entwickelt. Nicht zuletzt sind es die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen in den bevölkerungsreichen Ländern, welche den technologischen Fortschritt vorantreiben. Vielleicht hat Asien sogar schon ein paar Schritte Vorsprung uns gegenüber. Jedenfalls können wir aus den Erfahrungen dort lernen, wie wir künftig mit Themen wie Bevölkerungswachstum, Energieversorgung, Krankenversorgung, Ausbildung oder Ernährung umgehen könnten. Bei meinen Aufgaben stand schon immer der vorausschauende Blick im Vordergrund. Was sind die Trends der nahen Zukunft? Welche Technologien stehen zur Verfügung? Und wie kann man diese nutzen? Es gibt fast kein Problem, das nicht technologisch gelöst werden kann. Gebremst wird der Fortschritt häufig durch veraltete Strukturen und ganz oft durch Menschen, welche sich gegen Veränderungen sträuben.
CW: Fliessen diese Überlegungen auch in Ihre Beratung ein? Würden Sie sagen, dass technologisch mehr möglich wäre als konkret umgesetzt wird?
Kuruvilla: Auf jeden Fall. Aber ich habe auch Verständnis dafür. Digitaler Fortschritt verlangt Sicherheit und Vertrauen. Dazu braucht es Richtlinien und Gesetze. Bei der Digitalisierung muss man die Mitarbeitenden bzw. die Gesellschaft mitnehmen. Die digitale Strategie der Schweiz mag vielleicht auf den ersten Blick nicht sehr innovativ erscheinen. Sie ist aber ein guter Weg, das Vertrauen der Bevölkerung in die digitalen Möglichkeiten sicherzustellen und dadurch eine nachhaltige, sichere Grundlage zu schaffen. Auch hier ein Beispiel: Theoretisch könnten wir schon heute in der Schweiz das Bargeld abschaffen und alle Finanztransaktionen nur noch digital abwickeln. Viele Menschen hätten damit aber grosse Mühe, denn in der Realität ist ein breites Spektrum an Zahlungsvarianten gebräuchlich. Vom Instant Payment bis zum gelben Einzahlungsbüchlein am Postschalter ist alles möglich. Solche Gegebenheiten sind bei der Digitalen Transformation zu berücksichtigen. Es ist wichtig, Innovationen weiterzuverfolgen, aber immer mit einer gewissen Balance und Dosis.
“Das Denken in digitalen Strukturen gehört längst zum Standardrepertoire öffentlicher Verwaltungen.„
Anna Kuruvilla, T-Systems Schweiz
CW: Das bringt mich direkt zum nächsten Stichwort: öffentliche Verwaltung. Wo und wie positioniert sich T-Systems im Public Sector?
Kuruvilla: Die Digitalisierung ist natürlich längst auch im Public Sector angekommen. Die Effizienz in der Verwaltung und der Mehrwert für die Bevölkerung steigen kontinuierlich. Ein zentrales Thema dabei ist die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Damit verbunden wiederum ist die behörden- bzw. kantonsübergreifende Datennutzung. T-Systems ist hier sehr gut aufgestellt. Wir zählen etliche Verwaltungen zu unseren Kunden. Ein gutes Beispiel ist der Kanton Zürich, welcher sich stark für den digitalen Wandel engagiert. Dabei geht es nicht nur um Automatisierung, sondern auch um Innovationen und neue Modelle der Zusammenarbeit. Diese Überlegungen sehe ich auch in Gemeinden und Bund. T-Systems Schweiz verfügt über zahlreiche Referenzen sowohl im Public Sector als auch bei Krankenkassen. Wir kennen also nicht nur die spezifischen Prozesse, sondern auch das Umfeld. Und wer denkt, Behörden hinken der Entwicklung hinterher, täuscht sich. Das Denken in digitalen Strukturen gehört längst zum Standardrepertoire öffentlicher Verwaltungen. Jetzt müssen wir nur die ganzheitliche Umsetzung vorantreiben.
Für Anna Kuruvilla erreicht die Digitalisierung eine neue Phase der der Konsolidierung und Etablierung vorhandener Technologien.
Quelle: Computerworld
CW: Wie erleben Sie das Spannungsfeld zwischen Tradition und Digitalisierung in der Schweiz?
Kuruvilla: In der Schweiz wird Digitalisierung nicht einfach unreflektiert vorangetrieben. Häufig werden zunächst intensiv der Nutzen, Risiken sowie Vor- und Nachteile abgewogen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Ich denke, das ist ein Ausdruck der Schweizer Tradition und Kultur. Die Umsetzungen, die dann erfolgen, sind in der Regel gut durchdacht und praxisnah.
Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass trotz des fortschreitenden digitalen Wandels persönliche Kontakte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Ein gutes Beispiel dafür ist vielleicht auch unsere eigene Landesgesellschaft. Obwohl wir häufig virtuell mit unseren Kunden arbeiten, bleibt die persönliche Betreuung und der direkte Austausch unverzichtbar. Je mehr die Digitalisierung voranschreitet, desto mehr wächst das Bedürfnis nach echten, menschlichen Begegnungen. In einer Welt, in der die Menschen immer mehr in der Masse verschwinden, wird der Wunsch nach Individualität und Authentizität umso stärker. Diese Tendenz ist in der Schweiz besonders ausgeprägt, aber auch in anderen Regionen der Welt.
CW: Wenn Sie zum Schluss einen Blick in die Zukunft richten, welche relevanten Trends sehen Sie für die digitale Welt von morgen?
Kuruvilla: In erster Linie wird es um die Nutzung der vorhandenen Technologien gehen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind noch lange nicht ausgeschöpft. Das Applying, also die konkrete Anwendung, von Künstlicher Intelligenz steht an. Darüber wurde viel gesprochen, aber viele Firmen stehen noch ganz am Anfang, wenn es um die Nutzung geht. Ein weiteres wichtiges Thema wird Quantencomputing sein. Der Nutzen ist gross, aber es braucht noch einiges, damit die Technologie breit einsetzbar und bezahlbar wird. Auch die
Robotics-Anwendungen nehmen zunehmend Gestalt an und werden immer häufiger unseren Alltag bestimmen. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Technologien vorhanden sind, aber deren Nutzung verstärkt wird. Dabei werden die gesellschaftlichen Veränderungen ein grosser Treiber der Digitalisierung sein. Die Phase des «digitalen Wilden Westen» geht langsam zu Ende. Ein neuer Abschnitt der Konsolidierung und Etablierung digitaler Technologien beginnt. Die Digitalisierung tritt in ihre Reifephase.
Robotics-Anwendungen nehmen zunehmend Gestalt an und werden immer häufiger unseren Alltag bestimmen. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Technologien vorhanden sind, aber deren Nutzung verstärkt wird. Dabei werden die gesellschaftlichen Veränderungen ein grosser Treiber der Digitalisierung sein. Die Phase des «digitalen Wilden Westen» geht langsam zu Ende. Ein neuer Abschnitt der Konsolidierung und Etablierung digitaler Technologien beginnt. Die Digitalisierung tritt in ihre Reifephase.
Zur Person
Anna Kuruvilla
Verantwortet den Bereich Business Development für die Digital Solutions bei T-Systems Schweiz. 2011 trat sie in die Corporate Strategy des Deutsche Telekom Konzerns ein, wo sie strategische Initiativen umgesetzt hat und anschliessend die Stabsleitung der Digital Division bei T-Systems übernahm. Danach verantwortete sie von 2020 bis 2023 bei SwissRe als Director den Aufbau des Group Innovation Managements und die Leitung des Teams Group Tech Steering & Innovation Management. Seit ihrer Rückkehr zu T-Systems Ende 2023 führt Anna Kuruvilla bei Digital Solutions das Chapter Digital Consulting und treibt als Head Business Development Digital Solutions die strategischen Entwicklungen und deren Umsetzung voran.