«Der IT-Markt ist sehr spannend»
Die Hyperscaler kommen
CW: Mehrere Hyperscaler planen den Markteintritt in der Schweiz. Rechnen Sie vermehrt mit Anfragen Ihrer Kunden wegen der Preise? Oder gar mit Kündigungen?
Ris: Ich glaube nicht daran, dass sich durch den Markteintritt der Hyperscaler die Nachfrage in der Schweiz dramatisch verändert. Denn die Anbieter sprechen teilweise komplett andere Kundensegmente an.
Nehmen wir zum Beispiel Microsoft, die in den nächsten Monaten unter anderem Office 365 und damit Exchange in die Schweiz bringen. Für einige Kundengruppen wird der Markteintritt dabei helfen, Barrieren (schneller) abzubauen. Über kurz oder lang wären allerdings die Standard-Services wie E-Mail sowieso in die Cloud ausgelagert worden – ob nun in Schweizer Data Center oder in europäische. Die Server im Inland werden die Auslagerung der standardisierten Services sicherlich noch beschleunigen. Die Leidtragenden werden die Anbieter im Standardgeschäft sein, also insbesondere die Telekommunikationskonzerne.
CW: EveryWare bewegt sich in einem anderen Markt …
Ris: Korrekt. Sobald es aber um den Betrieb von individualisierten Systemen geht oder die komplette Infrastruktur outgesourct wird, ist es ein anderes Geschäft. Hier glaube ich nicht an die uneingeschränkten Erfolge der Hyperscaler. Sie werden einige Teilbereiche abdecken, für uns bleibt immer noch ein signifikanter Anteil.
Ein schöner Vergleich ist der Möbelmarkt, den Ikea auch nicht zu 100 Prozent beherrscht. Sie produzieren Möbel zu unglaublich tiefen Preisen. Um realistisch zu rechnen, müssen zu den Einkaufskosten aber noch die Produktionskosten addiert werden, die durch das Montieren der Möbel entstehen. Wenn ich für das Aufbauen des Kleiderschranks einen halben Tag benötige, muss ich diese Zeit im Sinne einer realistischen Kalkulation einberechnen. Am Ende ist zwar der Preis auf dem Papier günstiger, die tatsächlichen Kosten sind aber viel höher. Analog verhält es sich im Cloud-Geschäft: Der Einstiegspreis ist tief, sobald individualisierte Services hinzukommen, wird es teuer.
“Die Amerikaner nehmen sich viele Rechte heraus„
Kurt Ris
CW: Welche Hürden sehen Sie für einen Wechsel zum Beispiel auf Office 365?
Ris: Heute ist es doch vielenorts Realität, dass ein zehnjähriges E-Mail-Archiv einer Firma die gesamte Unternehmenshistorie enthält. Hier gilt es, sehr genau abzuwägen, wem ein solcher Schatz anvertraut wird. Auch wenn die Schweiz heute hervorragende Beziehungen zu den Nordamerikanern oder Chinesen unterhält, heisst es noch lange nicht, dass es auch in fünf oder zehn Jahren noch so ist. Insbesondere die US-Amerikaner nehmen sich viele Rechte heraus – und über den «US Cloud Act» haben sie theoretisch schon heute die volle Kontrolle über alle Daten.
CW: Thematisieren Ihre Kunden den «US Cloud Act»?
Ris: Nein, leider nicht. Als einen Grund sehe ich, dass es vielen Führungsetagen an IT-Kompetenz mangelt. Das Management weiss häufig nicht, was die Cloud ist und welche Vor-, aber auch Nachteile sie hat.
Vielenorts wird die IT noch immer traditionell angesehen: Hardware sowie Software werden einmal eingekauft und dann benutzt. Damit ist die Transaktion beendet und der Hersteller hat keinen Zugriff mehr auf sein Produkt. Cloud-Services funktionieren allerdings ja vollkommen anders: Der Kunde geht eine wiederkehrende Vertragsbeziehung ein, in der es dem Anbieter freisteht, sogar die Vertragsbedingungen zu ändern. Der Kunde hat somit keinerlei Steuerungsmöglichkeiten mehr.
Zur Firma
EveryWare
wurde 1995 in Zürich als Internet Service Provider gegründet. Die Firma ist eigentümergeführt und eigenfinanziert. EveryWare besitzt ein schweizweites IP-Breitbandnetzwerk und zwei Tier-III-Rechenzentren im Raum Zürich mit einer Gesamtfläche von über 3000 Quadratmetern. Rund 85 Angestellte betreiben für mehr als 3000 Kunden Cloud-Plattformen mit mehreren Tausend Compute Nodes und über 10 000 virtuellen Servern.