24.08.2006, 10:43 Uhr

Wider das Requirement- Engineering-Chaos

Für das Requirements Engineering stehen mittlerweile unzählige verschiedene Methoden und Modelle zur Verfügung, deren Vielzahl sogar Experten überfordert. Ab Herbst 2006 können sich die Fachkräfte an einem internationalen Zertifikat orientieren.
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Requirements Engineering ist eine Kerndisziplin im Software-Entwicklungsprozess. Die Disziplin umfasst die gezielte Analyse und das methodisch gestützte Aufstellen von Anforderungen an ein Software- oder Hardwaresystem. Requirements Engineering bringt hochwertige Arbeitsergebnisse hervor, die wesentlich zum Erfolg eines Projektes beitragen. Doch der Weg ist steinig und mit Dornen übersät, obwohl die Disziplin weder jung noch unerforscht ist. Die unübersichtliche Vielzahl an Konzepten, Prozessmodellen, Methoden und Vorgehensweisen bis hin zu Philosophien und firmenspezifischen Dialekten, droht selbst Profis zu überfordern. Wie soll sich erst der Mitarbeiter, der sich in dieser Disziplin weiterbilden will, einen Weg durch den Dschungel an geballtem Wissen bahnen? Nach welchen Standards und Best Practices kann ein Verantwortlicher das Requirements Engineering in einem Unternehmen gestalten? Wie kann er ein schlagkräftiges Team aufzubauen? Unbeantwortet sind schon die einfachsten Fragen: Wie sind die Jobinhalte eines Requirements Engineer definiert? Wer ist dafür geeignet? Welche Ausbildung sollte diese Person absolvieren?

Zertifikat in drei Stufen

Ein international anerkanntes Zertifikat mit einem abgestimmten Lehrplan soll nun die Basis für eine Ausbildung zum Requirements Engineer bilden. Es zielt darauf ab, die angerissenen Fragestellungen für Mitarbeiter und Unternehmen zu klären.
Das Zertifikat ist in drei Stufen geplant: Foundation, Advanced und Expert Level. Als erstes wird das Zertifikat zum Foundation Level im vierten Quartal 2006 erwerbbar sein. In der Schweiz übernimmt die Swiss Association for Quality (SAQ) die landesspezifische Zertifizierung. Für die höheren Stufen, Advanced und Expert Level, sind die Zertifikate in Vorbereitung.
Der Lehrplan zum Foundation Level wurde in einer engen Zusammenarbeit von internationalen Experten aus Wissenschaft und Industrie erarbeitet. Er grenzt das Requirements Engineering zu anderen Disziplinen ab, vereinheitlicht Begriffe und Konzepte und vermittelt das notwendige Fachwissen. Ausbildungen, die nach dem Lehrplan akkreditiert sind, vermitteln international anerkannte Methoden und Techniken in einer einheitlichen Begriffswelt. Dies schafft die Grundlagen, um die Rolle des Requirements Engineer im Unternehmen zu definieren und zu gestalten - ein weiterer Schritt in der Standardisierung von Prozessmodellen, Methoden, Rollen und Tätigkeiten im Unternehmen.

Auch für Quereinsteiger

Der Lehrplan des Certified Requirements Engineer Foundation Level (CRE FL) vermittelt ein Basiswissen und richtet sich an Mitarbeiter, die in das Requirements und Software Engineering einsteigen möchten. Diese Personen sind nicht selten Quereinsteiger oder Mitarbeiter, die bisher eine andere Funktion im Unternehmen innehatten. Oft sind es langjährige Fachexperten aus verwandten Gebieten, die aufgrund einer Verschiebung von Tätigkeitsprofilen vor die Aufgabe gestellt sind, Anforderungen an Softwaresysteme zu formulieren. Typische Beispiele dafür sind Business Analysten, Experten aus verwandten Fachabteilungen des Unternehmens oder Softwareentwickler.
Der Fokus des Foundation Level liegt auf dem Requirements Engineering für Softwareprodukte. Bei einer ganzheitlichen Systembetrachtung müssen jedoch die Anforderungen an die Hardware ebenfalls berücksichtigt werden. Das Basis-Zertifikat fokussiert auf die Gestaltung der Aktivitäten eines Requirements Engineers, während die geplanten höheren Level auch die Gestaltung der Prozesse mit einbeziehen. Deren Einbettung in den Software-Entwicklungsprozess oder in ein CMMI ist für die Stufen Advanced und Expert Level geplant.

Praxisorientierte Ausbildung

Nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung zum Certified Requirements Engineer Foundation Level ist der Absolvent in der Lage zu beurteilen, welche Problemstellungen in den Bereich des Requirements Engineering fallen. Er versteht die grundlegenden Eigenschaften und das Zusammenspiel methodischer Ansätze. Dazu gehören unter anderem Text basierte und grafische Beschreibungsmittel oder Dokumentations- und Erhebungstechniken. Der Absolvent kann die verschiedenen Methoden in Projekten anwenden und damit reife und dem Stand der Technik entsprechende Requirements-Dokumente erstellen.
Der Lehrgang vermittelt zudem die zugrunde liegende Motivation und macht den Stellenwert des Requirements Engineering deutlich. Denn in der Praxis genügt es nicht, die Werkzeuge und Methoden in der Theorie zu kennen. Ein zertifizierter Requirements Engineer ist auch in der Lage, seine Disziplin abzugrenzen und ist sich bewusst, dass der Kommunikation bei seiner Tätigkeit eine bedeutende Rolle zukommt.

Begleitende Ausbildungen

Die Stoffmenge des Lehrplans zum Foundation Level kann in drei Tagen bewältigt werden. Basierend auf Lehrplan und Zertifikat stehen verschiedene Ausbildungswege zur Verfügung. Ein Absolvent kann eine geführte Schulung absolvieren oder das nötige Wissen im Selbststudium erwerben. Möglich sind auch alternative Ausbildungswege, zum Beispiel in Form einer langjährigen praktischen Tätigkeit.
Das Zertifikat ist auch für Schulungsanbieter interessant: Die Unternehmen können sich auszeichnen, indem sie das nötige Wissen im Rahmen von konzentrierten Seminaren anbieten. Schulungsanbieter haben zudem die Möglichkeit, ihre Seminare durch das International Requirements Engineering Board (IREB) akkreditieren zu lassen. Damit verpflichten sich die Anbieter, den Stoff gemäss Lehrplan des IREB zu vermitteln. Im Gegenzug erhalten sie einen Basissatz an Ausbildungsmaterial, das im Rahmen der Schulung eingesetzt werden muss. Damit wird sichergestellt, dass sämtliche Inhalte des Lehrplanes abgedeckt werden.
Selbstverständlich ist jeder Schulungsanbieter berechtigt und aufgefordert, die Inhalte der Ausbildung zu erweitern. Damit ist er in der Lage, den kunden- oder projektspezifischen Anforderungen einer bestimmten Ausbildungssituation gerecht zu werden und sich über sein besonderes Know-how zu positionieren.

Partner und Organisatoren

Am Aufbau des Lehrplans und der Zertifikate sind engagierte Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt. Sie erarbeiten den Inhalt und die organisatorischen Rahmenbedingungen. Dazu gehören die Universitäten in Zürich, Heidelberg und Duisburg. Vertreter der Schweizer Wirtschaft sind Zühlke Engineering, die Infogem und Fuchs-Informatik. Internationale Vertreter sind die Sophist Group in Deutschland und die Hood-Gruppe in England.
Alle Rechte am Zertifikat, an den Lehrplänen und an den damit verbundenen Prüfungsregulatorien, gehören dem Ireb, dem Vertreter aus den oben genannten Organisationen angeschlossen sind. Der Verein ist zurzeit in Gründung und wird auch die Verantwortung für sämtliche inhaltlichen und organisatorischen Belange tragen. Ireb lizenziert die Vergabe des Zertifikats und die Abnahme der Prüfung durch nationale Zertifizierungsstellen. In der Schweiz wird die SAQ die Vertretung übernehmen - ähnlich wie sie bereits weitere Personalzertifizierungen, zum Beispiel zum ISTQB Certified Tester, erfolgreich vertritt.
Das Zertifikat und damit der Lehrplan werden voraussichtlich im vierten Quartal 2006 in der Schweiz verfügbar sein.
Rainer Grau



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