11.01.2016, 14:23 Uhr

Polycom kostet 700 Millionen Franken mehr als geplant

Das Funksystem der Schweizer Sicherheitsbehörden dürfte das nächste IT-Sorgenkind des Bundes werden. Es wird hunderte Millionen teurer als vom Bund versprochen - Parlamentarier fühlen sich hintergangen.
Das Sicherheitsfunknetz von Bund und Kantonen Polycom wird hunderte Millionen teurer als geplant, schreibt die SonntagsZeitung in ihrer aktuellen Ausgabe. Ursprünglich war Polycom mit 420 Millionen Franken veranschlagt und die Lebensdauer bis 2025 garantiert. Letzte Woche aber erhielt die französische Atos freihändig einen Zuschlag für die «Werterhaltung des Netzes bis 2030» über 325 Millionen Franken. Dabei geht es um die Erneuerung der Basisstationen, deren Betrieb Atos ansonsten nicht länger als bis zum Jahr 2018 garantieren könnte, wie es vergangenen Sommer hiess. Das federführende Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) sagte der «SonntagsZeitung», dass sich die ursprünglich ausgegebene Lebensdauer des Funksystems auf die grundlegende Technologie bezogen habe. Jetzt aber müssten Systemkomponenten der ersten Generation ersetzt werden. Grundsätzlich sei Polycom eine Erfolgsgeschichte. Das sehen nicht alle so. Weil das nicht die ersten Zusatzkosten für das Projekt sind, wird Polycom nach Erfüllung der Atos-Verträge über eine Milliarde Franken gekostet haben. Die Finanzdelegation hat eine Untersuchung eingeleitet, um Einsicht in die Projektverträge zu erhalten. Es stelle sich die Frage, ob die Verwaltung vom Systemlieferanten über den Tisch gezogen worden ist oder ob sie die Verträge schlecht ausgehandelt hat, sagt die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz der «SonntagsZeitung
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Vertrauensverlust

Problematisch ist das Projekt nicht nur aus finanzieller Sicht. Es wirft auch Schatten auf die Zusammenarbeit von Legislative und Exekutive. Als Polycom Ende der 1990er-Jahre initiert wurde, waren nicht alle Kantone begeistert vom Funknetz, über das Polizei, Feuerwehr, Armee, SBB sowie Grenz- und Zivilschutz gemeinsam kommunizieren sollten. Die finanziellen und technischen Risiken waren einigen zu gross und so dauerte es bis letztes Jahr, dass mit Zug auch der letzte Kanton ans System angeschlossen wurde. Dass trotz Vorbehalten alle Kantone dabei sind dürfte daran liegen, dass der Bundesrat und das Babs stets beschwichtigend auf die Finanzpolitiker einwirkten. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, schrieb der Bundesrat der Finanzdelegation 2004, dass «kein finanzielles Risiko» bestehe, selbst wenn sich das Projekt verzögere oder Kantone nicht mitmachten. Entsprechend fühlen sich diese Politiker heute gelackmeiert. Der Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander sagte der «SonntagsZeitung»: «Wir wurden getäuscht, wie beim Millionendebakel Insieme». Man müsse sich nun fragen, ob den Berichten von Bundesrat und Amtsdirektoren noch getraut werden könne ? oder ob sich Parlamentarier Informationen zu Beschaffungsprojekten in Zukunft über andere Kanäle beschaffen müssten.



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