21.07.2008, 09:23 Uhr

Migration mit Hindernissen

Mitte letzten Jahres nahm die Swiss Health Platform (SHP) ihren Betrieb auf. Die Migration der bestehenden IT-Systeme ist aber anscheinend schwieriger als erwartet. Wie geht es jetzt weiter?
Erst mit zweimonatiger Verspätung konnte die IT des Luzerner Krankenversicherers Xundheit ihren Betrieb aufnehmen. Ursprünglich sollten die Systeme der Xundheit bereits bis Juli 2007 auf die SOA-Architektur der Swiss Health Platform (SHP) migriert werden. Dann verzögerte sich der Startschuss aber doch bis in den September hinein. Für ein Projekt dieser Grössenordnung halte sich die Verzögerung in engen Grenzen, beschwichtigt Centris-CEO Patrick Progin. Die Bieler Centris AG hat sich auf IT-Lösungen für Kranken- und Unfallversicherer spezialisiert und betreibt die Swiss Health Platform.
Immerhin, das Warten scheint sich gelohnt zu haben. Mit der neuen Plattform können wir «differenzierter auf Kundenwünsche eingehen, etwa durch die flexible Adress-, Dokumenten- und Geldflusssteuerung», umreisst Xundheit-Chef Donald Locher die Vorteile. Durch einfachere Prozessabläufe sinken ausserdem die Transaktionskosten, versichert Locher. Xundheit hat allerdings bis jetzt als einziger Krankenversicherer vollständig auf die neue SHP/Syrius ASE (Advanced Server Edition) umgestellt.

Strapazierter Geduldsfaden

An der Migration der Swica arbeiten die IT-Spezialisten der Centris nun schon seit über einem halben Jahr. Laut Informationen, die CW vorliegen, ist Licht am Ende des Tunnels immer noch nicht abzusehen. Zwar sollen beim SHP-Kunden Swica die Verwaltung von Kranken-, Taggeld und Unfallversicherungsgeschäft auf einer Plattform zusammengeführt werden. Das bedeutet: Die Daten gleich zweier alter Systeme - Iris und UVG - wandern auf das neue Syrius ASE. Das ist keine leichte Aufgabe. Wie aber die Centris bei diesem Arbeitstempo ihren Zeitplan einhalten und innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre ihre etwa 18 Bestandskunden auf SHP migrieren will, weiss niemand so genau zu sagen.
Martin Stalder, Leiter ICT und Logistik bei der ÖKK, gibt sich derweil dezent optimistisch. «Wir sind nach der Swica an der Reihe», sagt Stalder und verspricht sich durch die Migration auf die neue SHP Verbesserungen bei der Leistungsabrechnung und bei Service-Infos, die Kunden interessieren. Der Wechsel auf die optimierte, effizienter arbeitende Plattform mit ihrem Herzstück, der Syrius ASE (Release 1) der St. Galler Adcubum, verlaufe kostenneutral, sagt Stalder. Trotz eines besseren Services hat Centris die Preise bisher nicht erhöht.

Viele handfeste Vorteile

Unbestreitbar bietet die neue SHP viele handfeste Vorteile, vor allem wenn man sie mit der alten Mainframe-Umgebung von IBM vergleicht. Die Mainframe-Saurier waren aber auch arg in die Jahre gekommen. Da lässt es sich leicht glänzen. Nach und nach werden die angestaubten IBM-Grossrechner nun durch Server von Hewlett-Packard ersetzt, auf denen Linux und HP-UX läuft. Dank SOA (Service Oriented Architecture) lassen sich Arbeitsprozesse schneller und einfacher den sich ändernden gesetzlichen Regelungen anpassen.
Auch die Vier-Schichten-Architektur der SHP weiss zu überzeugen. Auf einem Datenbank-Cluster von Oracle setzt die Hauptapplikation Syrius ASE mit SOA-Fähigkeiten auf. Die dritte und vierte Ebene beliefert den Endanwender, der mit einem Ultra-Thin-Client arbeitet. Den Endgeräten wird dadurch wenig Rechenleistung abverlangt, was die Kosten weiter reduziert. Optimierte Bildschirmanzeigen ersparen dem Sachbearbeiter langes Suchen und versetzen ihn in die Lage, Kunden schneller zu bedienen.

Strategische Entscheidung

Trotzdem bleibt IT-Outsourcing eine strategische Entscheidung, die Centris-Kunden vor langer Zeit zugunsten des Dienstleisters aus Biel gefällt haben. Ihnen bleibt deshalb gar nichts anderes übrig, als sich in die lange Schlange der Wartenden einzureihen. Denn eine eigene Branchen-IT aufzusetzen und die SHP quasi zu emulieren, würde die finanziellen Ressourcen der kleineren Krankenversicherer stark belasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen.
Die grossen Schweizer Krankenversicherer wie Concordia, CSS und Helsana stehen Outsourcing deutlich kritischer gegenüber und vertrauen lieber der eigenen Inhouse-IT. «Die Verwaltungs- und Personalkosten machen etwa fünf Prozent unseres Gesamtbudgets aus, und davon entfallen sechs bis sieben Prozent auf das IT-Personal», sagt Mark Glutz, Marketing-Leiter der Concordia. Einsparungen durch Outsourcing lohnen sich deshalb kaum. Ausserdem begebe man sich in eine Abhängigkeit vom Outsourcing Provider, da IT-Know-how im Haus verloren gehe, gibt Glutz zu bedenken. Concordia zählt mit etwa 674000 Kunden zu den grössten Kranken- und Unfallversicherungen der Schweiz und denkt gerade darüber nach, Syrius ASE als Inhouse-Lösung bei sich einzuführen.
Beinahe wäre Concordia trotz aller Vorbehalte doch noch Kunde von Centris geworden. Ende 2007 entschloss sich der Stadtrat von Luzern, die finanziell angeschlagene Xundheit zu verkaufen. Auf die Ausschreibung offerierte einzig die Concordia ein Angebot. Am 19. Juni 2008 machte der Stadtrat dem Versicherungsriesen jedoch einen Strich durch die Rechnung und empfahl dem Parlament, auf einen Verkauf der Xundheit zu verzichten.



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