HPE Explore
25.05.2016, 18:31 Uhr
Erfolgsrezepte für die Schweiz
Auf der HPE Explore in Baden: Das Unispital Zürich will mit Machine Learning Bürokratie abbauen. SAP zeigte sein schlaues ERP, und HPE präsentierte seine smarte 'Composable Infrastructure'.
HPE weiss, was zu tun ist. Vor einigen Monaten spaltete sich die alte HP erfolgreich in zwei eigenständige Unternehmen. "Wir fühlen uns wie zwei neue 50-Milliarden-Startups, jung, agil und frisch", sagte HPE-Schweiz-Chef Marcel Borgo auf der HPE Explore in Baden. Der ersten Kunden- und Partnerkonferenz von HPE Schweiz nach dem Split. Die Event-Lokation, die Trafohalle in Baden, hat Borgo symbolträchtig und zielsicher gewählt. Im Jahr 1891 gründeten Charles Brown und Walther Boveri dort die BBC und produzierten in der Halle Transformatoren. Genauer: elektrische Maschinen und Apparate zur Stromerzeugung und -verteilung. Schnell wurde die BBC (Brown, Boverie & Cie) zum Aushängeschild der Schweizerischen Elektroindustrie. Heute kämpfen Schweizer Unternehmen nicht mehr mit der elektrischen, sondern mit der digitalen Transformation. Deren Kennzeichen ist eine enorme, so noch nie erlebte Geschwindigkeit. Jeder kann heute schnell Marktleistungen einführen, die disruptiv bestehende Geschäftsmodelle erschüttern, auf Grundlage digitaler Plattformen (wie Uber und Airbnb). So einfach und kostengünstig wie noch nie. HPEs Vier-Schritte-Konzept Uber hat sechs Jahre gebraucht, um zum 50-Milliarden-Dollar (geschätzter Marktwert) zu reifen. Die Zeit drängt. HPE-Chef Borgo präsentierte ein Erfolgsrezept, mit dem etablierte Schweizer Unternehmen die neuen Herausforderungen meistern können. Der Erfolgsplan besteht aus vier Schritten oder Transformationsgebieten: (1) Transformieren (zur konvergenten Infrastruktur), (2) Schützen (ein NextGen-Sicherheitskonzept, (3) Gewinnen (mit smarter Big-Data-Analytics) und (4) Steigern (durch eine höhere Produktivität am Arbeitsplatz). Unispital Züri: smarte Big-Data-Analytics Das Universitätsspital Zürich steht vor einem ganz speziellen Problem. Jede einzelne medizinische Leistung muss nach dem SwissDRG Tarifsystem kodiert werden, um sie abrechnen zu können. Bei Standardeingriffen sind so über den Daumen sechs ICD-10-Codes notwendig, die das Spitalpersonal per Hand eingeben muss. In komplizierteren Fällen aber kommen schnell gut 100 Codes pro Patient zusammen, mit denen ein sogenannter "Kodierer" fast einen ganzen Tag beschäftigt ist. Wohlgemerkt, für die Abrechnung der medizinischen Leistungen, nicht für die Behandlung der Patienten. 440 MA in der Bürokratie Effizienz sieht anders aus. Allein das Unispital Zürich beschäftigt daher 13 Vollzeit-Mitarbeiter, die nur mit der Eingabe der Codes beschäftigt sind. Schweizweit sind es 440 Vollzeitstellen. "Wir hätten die Leute lieber bei den Patienten", sagte Spitalmediziner Rudolf Moos auf der HPE Explore in Baden. Das Unispital hat daher zusammen mit HPE eine Lösung entwickelt, die mithilfe von Textanalysen und Machine Learning die Codes automatisch zuordnet. Zum Einsatz kommt dabei die Analyse-Datenbank Vertica. Das System steht kurz vor der Marktreife. Für Schweizer Spitäler ist das attraktiv, denn in etwa drei Prozent aller Fälle rechnen die menschlichen Code-Experten medizinische Leistungen nicht korrekt ab. In der Schweiz - mit der automatischen HPE-Lösung - könnten Leistungen aber auch noch fünf Jahre rückwirkend verrechnet werden, sagt Moos. Smarte Infrastruktur Die Konvergenzmaschine Synergy ist ein Eckstein in HPEs neuer sogenannter 'Composable Infrastructure'. Mithilfe von Algorithmen fordern Applikationen die Kapazitäten, die sie benötigen, ohne menschliches Zutun an. Sie bedienen sich über ein Unified REST API aus einem Ressourcenpool, bestehend aus Server-Computing-Power, Speicher und Netzwerk-Kapazitäten. HPE hatte die Synergy Anfang Dezember letzten Jahres auf seiner Kundenmesse in London zum ersten Mal vorgestellt. "Die Konkurrenz wird das nachbauen, aber wir haben einen Innovationsvorsprung", sagte HPE-Chef Borgo in Interview zu CW. SAPs smartes ERP SAPs Uwe Grigoleit skizzierte, wie der Softwareanieter sich ein smartes ERP-System vorstellt. Ein ERP ist heute nicht mehr nur ein passives Buchhaltungs- und Auftragsabwicklungssystem. "Agilität ist ein essentielles Charakteristikum von Software und von ERP-Lösungen". Deshalb habe SAP sein ERP neu erfunden. Im digitalen Boardroom greifen Unternehmen auf Daten in Echtzeit zu. Dadurch lassen sich - nur ein Beispiel - Lagerbestandsreserven abschmelzen und Kosten reduzieren. "ERPs sind unterstützender geworden, sie analysieren Probleme und unterbreiten Lösungsvorschläge", erklärte Grigoleit. Der Hamburger Hafen steuert LKWs bereits hundert Kilometer vorher an die Entladestationen, um Wartezeiten zu vermeiden und einen effizienteren Betrieb zu gewährleisten. Smarter Cloud-Arbeitsplatz Eine smarte Infrastruktur ('Transformieren') und smarte Big-Data-Analytics ('Gewinnen') sind zwei Komponenten von HPEs Erfolgsrezept. Die dritte zielt auf die Neuorganisation der Arbeitswelt ('Steigern der Produktivität'). Die von den Schweizern Vito Critti und Sascha Carrocio gegründete, noch junge Firma Swiss Cloud Computing offeriert dafür einen kompletten, virtuellen Arbeitsplatz. "Viele Sage-Kunden gehen in die Swiss Cloud", sagte HPEs Mark Wunderli während einer Live-Demo der Lösung. In sechs Minuten sei ein neuer Sage-Kunde aufgesetzt. Live hat Wunderli in wenigen Minuten einen Exchange-Server aufgesetzt und konfiguriert. Das habe vor der Cloud on-premise ein bis zwei Tage gedauert. 15 Mitarbeiter betreuen bei Swiss Cloud Computing mittlerweile 1300 Kunden. Der Hit sei der virtuelle Desktop 'myDesktop'. Zusätzlich hat die Firma aber auch Einzelkompomenten wie myApps, myServer, MyMail, myBackup, myFileShare sowie einige Branchenlösungen im Angebotsportfolio. Neben Sage 50 zum Beispiel Cloud-Lösungen für Anwaltskanzleien und Zahnarztpraxen. Schlauer als die Cybergangster "Der Normalzustand bei uns in der Firma ist, dass wir einen Virus im System haben", zitiert Marcus Beyer einen seiner Kunden. Beyer ist seines Zeichens 'Enterprise Security Awareness Architect'. "Wir wissen, dass wir einen Hacker im System haben, aber wir finden ihn nicht", so ein zweiter Kunden. Beyer erzählte Kurioses aus seiner Praxis als White Hacker. Wie er sich zum Beispiel als Pizza-Bote verkleidet an den Eingangskontrollen vorbei geschummelt und Zutritt zu Firmengebäuden verschafft hat, um dort USB-Sticks mit Malware und Keyloggern zu platzieren. Natürlich sind NextGen-Sicherheitssysteme wichtig. Aber einer der Haupteinfallkanäle ist leider immer noch Social Engineering und die zu starke Vertrauensseligkeit der Unternehmensmitarbeiter. (Computerworld war Medienpartner auf der HPE Explore in Baden.)