Schweiz-Chef von Worldline 26.02.2020, 15:00 Uhr

«Worldline kann den Konsum in Echtzeit abbilden»

Mit der Übernahme von SIX Payment Services durch Worldline ist Europas grösster Zahlungsdienstleister entstanden. Schweiz-Chef Marc Schluep sieht viel Innovationspotenzial im neuen Konzern.
Marc Schluep leitet seit gut einem Jahr die Worldline-Niederlassung in der Schweiz
(Quelle: Samuel Trümpy)
Seit mehr als einem Jahr gehört die SIX-Sparte Payment Services zum französischen Zahlungsdienstleister Worldline. Das Unternehmen ist damit zum europäischen Marktführer avanciert und öffnet sich neu auch den chinesischen Diensten wie Alipay und WeChat Pay. Die IT-Infrastruktur dafür steht weiterhin auch in der Schweiz, sagt Managing Director Switzerland, Marc Schluep, im Interview mit Computerworld. Für ihn persönlich ist der Zusammenschluss mit Worldline noch nicht einmal der erste grosse Merger.
Computerworld: Die Übernahme von SIX Payment Services durch Worldline ist mehr als ein Jahr her. Welche Bilanz ziehen Sie?
Marc Schluep: Streng genommen ist die Übernahme sogar schon länger her. Bereits im Mai 2018 haben wir zusammen mit dem Management von Worldline begonnen, die neuen Geschäftsstrukturen zu definieren. Dazu zählten die Organisation, das Management und die wichtigsten Prozesse. Weiter ging es darum, die potenziellen Synergien zu identifizieren, auch wenn Worldline zuvor noch gar nicht in der Schweiz aktiv war. Als die Verträge dann im November unterschrieben waren, mussten wir nicht mehr bei null starten, sondern konnten schon diverse Details – wie zum Beispiel die neue Organisationsstruktur und das neue Managementteam – kommunizieren.
Der Integrationsprozess stand dann unter positiven Vorzeichen: Worldline ist uns auf Augenhöhe begegnet. Die neue «Mutter» hatte das Ziel, die besten Elemente aus beiden Welten in der neuen Organisation zu vereinen. Dabei waren die Firmen nicht unbedingt vergleichbar, zählte doch SIX Payment Services «nur» 1400 Angestellte. Worldline hatte vor der Übernahme bereits 10'000 Mitarbeitende.
CW: Konnten Sie dank der Vorarbeiten gleich nach der Übernahme mit der Arbeit starten?
Schluep: Ja. Wir konnten am 1. Dezember 2018 die Geschäftstätigkeit in unserer neuen Struktur aufnehmen. Seitdem steht auch das neue Managementteam, das beispielsweise im Händlergeschäft je zur Hälfte aus früheren SIX-Kollegen und Worldline-Führungskräften besteht. Weiter gab es wenig Wechsel, auch in Bezug auf die Standorte der einzelnen Mitarbeiter. Innerhalb von Worldline sind viele Teams international zusammengesetzt, sodass es praktisch keine Standortwechsel gab, sei es am Hauptsitz von Worldline in Paris oder an anderen Standorten.
CW: Wie häufig sind Sie selbst in Paris?
Schluep: Die Besuchsfrequenz variiert sehr stark. Im Durchschnitt bin ich aber nur alle zwei bis drei Monate mal in der Konzernzentrale in Paris. Die Worldline-Organisation ist gewohnt, via Skype oder Telefonkonferenz zusammen­zuarbeiten. Für SIX Payment Services war das neu, obwohl wir ja auch international aufgestellt waren. Hier in Zürich hatten wir ca. 650 Mitarbeiter, alle anderen waren (und sind) verteilt auf grössere Standorte in Österreich, Luxemburg, Polen und Deutschland.
CW: Haben Sie Niederlassungen schliessen müssen?
Schluep: Nein. Wir haben weder Standorte geschlossen noch Personal abgebaut. Dazu wird es auch nicht kommen.
CW: Trotz potenzieller Doppelspurigkeit bei den Administrativfunktionen wie Finanz, Personal und IT…
Schluep: Natürlich haben wir wie erwähnt auch Synergien realisieren können. Auch unabhängig von der Übernahme durch Worldline waren und sind wir bestrebt, uns so effi­zient wie möglich aufzustellen. So hatte SIX Payment Services bereits ein Nearshore-Zentrum in Polen, in das einige Aufgaben ausgelagert wurden. Diese Niederlassung wird neu auch von Worldline genutzt. Wenn Tätigkeiten von Mitarbeitern in der Schweiz durch das Nearshoring übernommen wurden, waren wir immer bestrebt, den Kollegen Opportunitäten in anderen Bereichen des Unternehmens anzubieten. Das ist in den meisten Fällen auch gelungen. Die Fälle von Entlassungen kann ich an einer Hand abzählen.
CW: Auch bei der Informatik dürfte es eine gewisse Doppelspurigkeit gegeben haben…
Schluep: Bei dieser Frage ist zwischen Systemen und IT-Spezialisten zu unterscheiden. Was die Systeme betrifft, so streben wir natürlich – soweit sinnvoll und möglich – eine Konsolidierung an. Beispielsweise wird das Acquiring-Backoffice-System namens «iPass» zukünftig die massgebende Plattform sein und wir migrieren aktuell verschiedene Worldline-Systeme auf iPass. Das erfordert aber – und nun sind wir bei den IT-Spezialisten – zusätzliche Entwicklungskapazitäten. Hier verstärken wir uns mit Kollegen von Worldline, bauen aber zusätzlich auch ganz neue Teams auf, zum Beispiel in Mailand.
Zur Person
Marc Schluep
ist seit der Zusammen­führung von SIX Payment Services mit Worldline Ende 2018 Managing Director von Worldline in der Schweiz. Bei SIX hatte er ab 2008 strate­gische und operative Managementfunktionen inne, zuletzt die Leitung der SIX Payment Services. Von 2004 bis 2007 zeichnete Schluep bei der Schweizer Börse, SWX Group, für die Strategie-Entwicklung verantwortlich. Seine Laufbahn begann er bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little.



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