CIO der Hotelplan Group
08.02.2021, 06:43 Uhr
«Die IT lief trotz Corona-Flaute»
Von der Pandemie gibt es keine Ferien. Trotzdem arbeiteten die Buchungssysteme der Hotelplan Group auf Hochtouren. CIO Pablo Castillo erklärt im Interview, wie sich die IT für die Zeit nach Corona aufgestellt hat.
Pablo Castillo verantwortet seit mehr als sechs Jahren die Informatik der Hotelplan Group
(Quelle: Samuel Trümpy)
Nahezu jede Schweizerin und jeder Schweizer weiss schon, wo 2021 die Reise hingeht. Allerdings nur im wörtlichen Sinne. Die Corona-Pandemie hat die Reisebranche mit voller Wucht getroffen. Unternehmen wie der Hotelplan Group wurde die Geschäftsgrundlage fast komplett entzogen, sagt Pablo Castillo. Im Interview mit Computerworld erklärt der CIO, warum die IT-Systeme trotzdem weiterliefen. Und wie er mehr als 20 Prozent der Informatikkosten einsparen konnte.
Computerworld: Wie kommt die Hotelplan Group durch die Corona-Pandemie?
Pablo Castillo: In der gesamten Firmenhistorie musste die Hotelplan Group noch nie so eine grosse Herausforderung meistern. Obwohl die Tourismusbranche ja durchaus schon mit Krisen umgehen musste, beispielsweise Terroranschläge, Tsunamis oder andere Katastrophen. Wir hatten aber noch nie die Situation, dass wirklich alle unsere Zielgebiete inklusive dem Heimatmarkt von einer Katastrophe – in diesem Fall Pandemie – betroffen waren. Damit wurde uns die Geschäftsgrundlage fast komplett entzogen.
Hotelplan Group hat bereits im April damit begonnen, Massnahmen wie zum Beispiel Kurzarbeit einzuleiten. Leider mussten jedoch auch wir Stellen abbauen. Nichtsdestotrotz läuft unser Basisgeschäft, das Verkaufen von Reisen, seitdem und bis heute nicht wirklich gut. Gewisse Reisebüros sind derzeit temporär geschlossen, da zu wenig Nachfrage vorhanden ist, um die Mitarbeitenden auszulasten.
In der IT von Hotelplan Group sind die Angestellten ebenfalls in Kurzarbeit – aktuell mit einem 80-Prozent-Pensum. Für uns war es ein strategischer Entscheid, auch in der Krise nicht alle, allerdings bestimmt die wichtigsten Projekte weiter voranzutreiben. Das Ziel dahinter ist es natürlich, gestärkt aus der Corona-Krise hervorzugehen und anschliessend besser dazustehen.
CW: Welche Projekte haben Sie eingefroren?
Castillo: Wir fokussieren uns nur auf das Nötigste und die strategisch relevantesten Projekte. Die Anbindung an zusätzliche Betten-Datenbanken hatten wir vorübergehend auf Eis gelegt. Angesichts der schon 15 bestehenden Datenbanken wären Nummer 16 und 17 dann noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen.
Ebenfalls als nicht geschäftskritisch erachtet wurde die Entwicklung einer neuen Buchungsmaske für Flüge. Unsere Reisebüros hätten ein neues Benutzer-Interface bekommen sollen. Sie können aber natürlich über die Standard-Buchungsmaske ebenfalls Flüge buchen, sodass wir das Projekt temporär gestoppt hatten.
Zur Person
Pablo Castillo
ist seit November 2014 CIO der Hotelplan Group und auch Mitglied der Konzernleitung. Bei der Group ist er seit 2012 beschäftigt, damals als Projektleiter im E-Commerce. Davor absolvierte er ein Studium an der Höheren Fachschule für Tourismus in Luzern sowie diverse Weiterbildungen. Zum Tourismus kam Castillo nach der Matura als Quereinsteiger im Tour Operating bei Kuoni.
«20-Prozent-Challenge»
CW: Hotelplan Suisse schrieb das schlechteste Geschäftsergebnis der Firmengeschichte. Mussten Sie beim IT-Budget Kürzungen hinnehmen?
Castillo: Selbstverständlich muss auch die IT kürzertreten. Allerdings haben wir schon vor zwei Jahren damit begonnen, Kosten zu reduzieren. Damals wurde die «20-Prozent-Challenge» beschlossen, mit der die IT-Ausgaben um 20 Prozent verringert werden sollten. Von den 40 Millionen Franken IT-Kosten im Jahr 2018 sind mittlerweile noch 30 Millionen Franken übrig geblieben, mit denen wir in diesem Geschäftsjahr planen.
CW: Beeindruckend! Was zählt bei der Hotelplan Group alles zum IT-Budget?
Castillo: Generell die Gemeinkosten wie die Saläre der Mitarbeitenden, die Hardware und die Software-Lizenzen. Andererseits zählen auch gewisse Transaktionskosten – zum Beispiel von Buchungssystemen – mit zum Budget. Dabei handelt es sich streng genommen natürlich um Business-Ausgaben, bei denen wir allerdings die Übersicht haben und auch das Controlling übernehmen.
CW: Hier schliesst sich natürlich die Frage an, wie Sie ein Fünftel der Kosten einsparen konnten?
Castillo: Um es gleich vorwegzuschicken: nicht durch Personalabbau. Wir haben vielmehr Systeme standardisiert und zusammengelegt. Dann haben wir Lizenzverträge neu verhandelt und haben für einige Applikationen neue hybride Betriebsmodelle eingeführt. Das hat genügt, um die Kosten um 20 Prozent zu reduzieren.
Jedoch haben wir während dieser Übungen festgestellt, dass noch mehr Einsparpotenziale vorhanden sind. So hat die Konzernleitung im Juni dieses Jahres das Programm «One ICT» mit vier Workstreams definiert: «One Core» ist das Ausrollen unserer Kernsysteme in der gesamten Gruppe. «One Infrastructure» ist die Harmonisierung und Standardisierung der Infrastruktur mit dem Ziel, noch günstigere Betriebsmodelle zu finden.
«One Web» ist das Vorhaben, eine Online-Plattform für alle Marken der Gruppe aufzubauen. Die Grundidee dahinter ist: Wenn wir einen einheitlichen Kern haben, die Infrastruktur standardisiert ist und das Frontend ebenfalls, können wir eine Neuentwicklung auf Knopfdruck auf allen Portalen der Gruppen ausrollen.
Parallel dazu läuft noch «One Peripherie», bei dem es um das Reduzieren der Umsysteme geht. Ein Beispiel ist das Content Management – wir betreiben derzeit vier verschiedene Lösungen, die aus den Zukäufen von Business Units der vergangenen Jahre stammen. Hier ist das Ziel, die Anzahl der Applikationen möglichst zu reduzieren. Im Idealfall auf eine einzige Lösung, was dem Business dann auch neue Vermarktungsmöglichkeiten eröffnen würde.
Parallel dazu läuft noch «One Peripherie», bei dem es um das Reduzieren der Umsysteme geht. Ein Beispiel ist das Content Management – wir betreiben derzeit vier verschiedene Lösungen, die aus den Zukäufen von Business Units der vergangenen Jahre stammen. Hier ist das Ziel, die Anzahl der Applikationen möglichst zu reduzieren. Im Idealfall auf eine einzige Lösung, was dem Business dann auch neue Vermarktungsmöglichkeiten eröffnen würde.
Vorbereitet auf die zweite Welle
CW: Gab es neben der Kurzarbeit weitere Veränderungen in der Hotelplan-IT durch den Lockdown?
Castillo: Wir haben im Frühjahr sehr rasch die Teams aufgeteilt und die Kollegen ins Home Office geschickt. Bei den Mitarbeitenden in den Rechenzentren – die gar nicht oder nur sehr wenig zu Hause arbeiten können – haben wir die Aufgaben priorisiert. Wichtige Patches und Updates mussten natürlich eingespielt, neue Funktionen allerdings nicht zwingend ausgerollt werden.
Obwohl sich mittlerweile bei den Angestellten eine gewisse «Corona-Müdigkeit» einstellt, arbeiten rund 80 Prozent der Kollegen noch immer im Home Office. Wir von der IT stellen dafür eine Citrix-Umgebung mit Zwei-Faktor-Authentifizierung bereit, sodass die Angestellten auf jedem beliebigen Computer dieser Welt arbeiten können. Die meisten haben den privaten PC genutzt, die Kollegen in den Reisebüros ihre Thin Clients. Denn nur rund 20 Prozent unserer Mitarbeiter besitzen einen Geschäfts-Laptop.
CW: Können Sie kurz beschreiben, wie Ihr erster Arbeitstag nach dem Lockdown ablief?
Castillo: Wir hatten viel zu besprechen, sodass ich während zehn Stunden ununterbrochen an Videokonferenzen teilgenommen habe. Die verschiedenen Geschäftseinheiten hatten neue Anforderungen an die IT, die ich koordiniert und weitergegeben habe. Diese Konferenzen waren für uns alle noch neu, sie haben aber während des Lockdowns und danach noch sehr gut funktioniert. Das gilt auch für die IT-internen Meetings, die wir ebenfalls von einem Tag auf den anderen virtuell abgehalten haben. Ich bin froh, hat auch das gut geklappt.
Mittlerweile habe ich eine gewisse Routine entwickelt für die Videokonferenzen und das virtuelle Führen des Teams. Als im Herbst ein möglicher zweiter Lockdown diskutiert wurde, haben wir frühzeitig einen Krisenstab gebildet und die notwendigen Massnahmen abgestimmt. Dabei konnten wir aus den Erfahrungen des Frühjahrs einiges lernen – und diesmal besser machen.
CW: Was hat im Frühjahr nicht gleich geklappt?
Castillo: Eine Herausforderung damals war zum Beispiel die Telefonie. Wir betreiben Callcenter, in denen ebenfalls Kurzarbeit eingeführt wurde. Entsprechend sind nicht mehr alle Mitarbeitenden immer anwesend, sodass wir uns um Stellvertreterregelungen kümmern mussten. Die Kollegen dort benötigten neu die Rechte, auf die Mailboxen der abwesenden Mitarbeitenden zugreifen zu können. Während im Frühling vieles spontan koordiniert wurde, haben wir diesmal planen können. So funktionieren die Stellvertretungen nun reibungslos.
Für mich persönlich sind die Arbeitstage mittlerweile weniger hektisch als noch vor Corona. Ein Hauptgrund ist, dass ich kaum noch reisen muss. Wenn ich früher an einen unserer Standorte geflogen bin, um dort an einem Meeting teilzunehmen, kann ich heute die Mitarbeitenden virtuell treffen. Ausserdem sind die Meetings meiner Meinung nach kürzer sowie effektiver.
Für mich persönlich sind die Arbeitstage mittlerweile weniger hektisch als noch vor Corona. Ein Hauptgrund ist, dass ich kaum noch reisen muss. Wenn ich früher an einen unserer Standorte geflogen bin, um dort an einem Meeting teilzunehmen, kann ich heute die Mitarbeitenden virtuell treffen. Ausserdem sind die Meetings meiner Meinung nach kürzer sowie effektiver.
CW: Wie unterstützt die IT die virtuellen Meetings?
Castillo: Wir setzen auf Skype for Business für die Telefonie, Videokonferenzen und Zusammenarbeit. Gemeinsam mit dem Mutterkonzern Migros arbeiten wir daran, Microsoft 365 aufzusetzen. Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Jahren umstellen werden.
CW: Arbeiten auch die Callcenter mit Skype?
Castillo: Ja, auch dort ist Skype for Business im Einsatz. Wir arbeiten mit dem deutschen Anbieter Voxtron zusammen, denn wir waren früh dran mit dem Callcenter – und das Setup ist schon etwas ungewöhnlich.
Cloud ersetzt jeden dritten Server
CW: Können Sie bitte einige Eckdaten der IT der Hotelplan-Gruppe nennen? Wie sieht die Systemlandschaft aus, wie viele Standorte hat die IT?
Castillo: Gerne. Wir betreiben zwei Rechenzentren in der Schweiz. Hinzu kommen Rechenzentren im Ausland, die wir derzeit allerdings ablösen und die Workloads in die Schweiz holen. In den Rechenzentren laufen rund 850 Server. Einen Teil der Workloads, die wir unter anderem für das dynamische Packaging von Reiseofferten benötigen, lagern wir derzeit in die Google Cloud aus.
CW: Wie viele Server können Sie durch die Auslagerung in die Cloud ablösen?
Castillo: Ungefähr ein Drittel. Für das Packaging halten wir derzeit sehr viel Ressourcen vor. Die Migration ist für das erste Quartal nächsten Jahres geplant.
CW: Stehen diese Systeme derzeit still angesichts der niedrigen Nachfrage?
Castillo: Nein, die IT-Systeme arbeiten ganz normal weiter. Da die Last nicht so hoch ist wie üblich, konnten wir während der vergangenen Monate einige Redundanzen eliminieren. Denn wenn kaum Traffic auf der Website ist, müssen nicht unbedingt vier Webserver laufen. Zwei oder drei genügen dann auch.
Trotz der wenigen Neubuchungen sind unsere IT-Systeme allerdings sehr gut ausgelastet. Denn für rund 100'000 Kunden mussten wir die Reisebuchungen während der letzten Monate annullieren. Und allein, um die Fantasie der Kunden anzuregen, stellen wir weiterhin attraktive Reiseangebote zusammen. Uns freut es dann immer, wenn die Konsumenten sich für eine Offerte entscheiden – auch in diesen unsicheren Zeiten.
CW: Wie hoch war die Annullationsrate – und: Wie hoch ist sie üblicherweise?
Castillo: Üblicherweise annullieren rund 10 Prozent der Kunden eine Reise. In der Pandemie waren es um die 90 Prozent. Die Reiselustigen haben wir teilweise dabei unterstützt, neue Ziele für ihre Ferien zu finden. Wenn die ursprüngliche Buchung auf Spanien lautete, das Land aber auf der Quarantäneliste stand, haben wir den Kunden zum Beispiel nach Zypern umgebucht. Als die Schweiz diese Destination auf ihre Liste setzte, haben wir die Kunden nach Griechenland umgebucht. Und so weiter. Einige Buchungen haben wir fast ein Dutzend Mal geändert, um sie letztendlich dann doch zu annullieren. Jedoch hatten unsere IT-Systeme dabei immer noch gut zu tun.
Ich bin froh, kamen die Systeme nicht an den Anschlag. Denn hätten wir zusätzliche Server-Kapazitäten zukaufen müssen, wäre es eine Herausforderung gewesen. Denn wenn auch die Hersteller und die Zulieferer im Lockdown sind, werden auch keine Server mehr zeitnah geliefert.
CW: Wie gross ist die Nachfrage in der jetzigen Situation – im Jahresendgeschäft?
Castillo: Wir sind bei ca. 20 Prozent des üblichen Traffics. Die Kunden durchstöbern unsere Reiseangebote, die wenigsten von ihnen buchen dann aber tatsächlich. Wir raten derzeit jedoch auch dazu, Reisen kurzfristig zu buchen.
Angesichts des Interesses der Kunden habe ich keine Befürchtungen, dass die Nachfrage nicht zurückkommt. Die Leute sind hungrig und wollen reisen. Aktuell üben sich viele Konsumenten aber noch in Zurückhaltung und verzichten, bis die Pandemie vorbei ist.
Reisen sind ein virtuelles Gut
CW: Sie haben tiefe Einblicke in das Business. Ist es ein Vorteil in Ihrer Position, die Reisebranche zu verstehen? Oder genügt tiefes Verständnis von der Informatik?
Castillo: Ursprünglich habe ich selbst Reisen verkauft. Nach zwei Jahren im Tour Operating bin ich in die IT gewechselt. Zunächst an den Service Desk, gefolgt von E-Commerce und anschliessend in das internationale Projektmanagement. Das wäre kurz gesagt mein Werdegang.
In der Reisebranche generell benötigt der IT-Leiter Verständnis von Business und IT. Für die Informatik habe ich ein hervorragendes Team. Ich habe einige Erfahrungen im Business, wobei ich auch hier jeden Tag neu lerne. Denn das Geschäft ist sehr vielfältig – mit Geschäftsreisen, der Ferienhausvermittlung, den Reisebüros, den Reisebüro-Partnern, den Tour Operators. Hinter allen Varianten verbergen sich vollkommen unterschiedliche Geschäftsmodelle, sodass es extrem hilfreich ist, mit allen Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen zu können, um ihre jeweiligen Bedürfnisse adäquat abzuholen.
“Ich habe keine Befürchtung, dass die Reisenachfrage nicht zurückkommt„
Pablo Castillo
CW: Sind Sie deshalb Mitglied der Konzernleitung?
Castillo: Schon mein Vorgänger war Mitglied der Konzernleitung. Die IT hatte bei der Hotelplan Group schon immer einen hohen Stellenwert. Denn die Reisebranche per se ist sehr digital. Reisen sind ein virtuelles Gut – ohne Logistikketten, ohne Einkauf und ohne tatsächliche Produkte. Bis zu 70 Prozent unserer Angebote sind rein virtuell generiert. Heute muss kein Mensch mehr an eine schöne Destination reisen, dort ein luxuriöses Hotel besuchen und mit dem Hotelmanager bei einer Flasche gutem Weisswein im Sonnenuntergang einen lukrativen Vertriebsvertrag unterschreiben. Das war zwar früher mein absoluter Traumberuf. Heute weiss ich, dass die IT diesen Job viel effizienter erledigen kann – insbesondere im Sinne unserer Kunden.
CW: Dann dürfte die Hotelplan-IT gut aufgestellt sein.
Castillo: Stimmt. Derzeit arbeiten 160 Angestellte in der IT der Hotelplan Group. Wir sind auf sieben Standorte verteilt, mit Zürich als Zentrale mit 90 Mitarbeitenden. In den deutschen Städten Aschaffenburg und Freiburg sind jeweils rund 20 Leute beschäftigt, im britischen Farnborough nochmals 20 Angestellte. Weiter arbeiten wir im Nearshoring zusammen mit Entwicklern aus Lettland und Russland sowie neu einem Unternehmen im weissrussischen Minsk. Dank des Zukaufs von vtours im vergangenen Jahr haben wir noch ein kleines Entwicklerteam in Argentinien. Sprich: Wir sind sehr global verteilt und versuchen, diese Position auch auszunutzen. Denn der Arbeitsort Zürich ist wegen der hohen Kosten nicht unbedingt attraktiv für jedermann. Wir sind in der komfortablen Situation, an den anderen Standorten ebenfalls rekrutieren zu können und dort Talente anzuziehen, die sich in Zürich nicht unbedingt für die Hotelplan Group interessieren würden.
Technologisch sind wir sehr stabil aufgestellt. Unser «Digital Core» basiert auf SAP. Darum herum haben wir eine ganze Reihe von Eigenentwicklungen gebaut. Sie sind über APIs verbunden sowohl mit der Distribution als auch dem Sourcing von Reiseangeboten.
Im Unterschied zu anderen Unternehmen in der Reisebranche haben wir alle Geschäfts- und Ländereinheiten auf einer einzigen Plattform. Derzeit arbeiten wir gerade daran, den jüngsten Zukauf, vtours, auf unsere Systeme zu migrieren. Dabei mussten wir viel Lehrgeld zahlen, da sich das deutsche Geschäft stark von dem in der Schweiz unterscheidet. Hier mussten wir einige zusätzliche Programmierarbeit leisten, mit der wir anfangs nicht gerechnet hatten.
Von Oracle zu SAP
CW: So lange sind Sie ja noch gar nicht bei SAP. Vor zwei Jahren wechselten Sie von Oracle auf SAP S/4Hana. Was waren die Gründe dafür?
Castillo: Das neue Lizenzmodell von Oracle war der Hauptgrund für den Wechsel. Unsere Kosten wären dadurch um ein Vielfaches gestiegen, was für uns nicht akzeptabel war. SAP S4/Hana hatten wir schon länger im Blick und haben dann den Business Case forciert, sodass wir innerhalb nur eines Jahres auf die Hana-Plattform migriert sind.
Castillo: Das stimmt, wir haben einen Greenfield-Ansatz gewählt. Die grössten Kopfschmerzen bereitete uns dabei die Downtime. Denn wir mussten die Datenbank extrahieren, in das neue System laden und prüfen, ob alles funktioniert. So waren wir letztendlich 24 Stunden nicht erreichbar. Dafür haben wir ein Wochenende im November gewählt, an dem traditionell wenig Traffic ist. Für den Flughafenschalter und die Krisenorganisation haben wir eine kleine Schattendatenbank aufgebaut, da dort der Betrieb nicht 24 Stunden stillstehen kann. Während der ersten drei Monate auf SAP hatten wir noch mit einigen «Kinderkrankheiten» zu kämpfen, da einige Einstellungen nicht stimmten, sodass die Performance zu wünschen übrig liess. Als wir auch mithilfe der Partner an den richtigen Schrauben gedreht hatten, erreichte das neue System dann immerhin die Leistung der Oracle-Lösung.
CW: Neben der Kostenvermeidung ist vermutlich aber auch eine bessere Performance das Ziel gewesen …
Castillo: Richtig. Mittlerweile sind wir an einigen Stellen performanter als zuvor, insbesondere bei den Reaktionszeiten. Die In-Memory-Verarbeitung bedeutet aber auch, dass unsere Entwickler nun neue technologische Möglichkeiten haben. Bei unseren Eigenentwicklungen haben wir anfangs nur auf die Kompatibilität mit Hana geachtet – und nicht auf die Optimierung. Diese Arbeiten laufen gerade jetzt im Rahmen diverser Change-Projekte.
CW: Was war der bisher grösste «gefühlte» Erfolg als IT-Verantwortlicher?
Castillo: Dass wir schon früher als erwartet die 20-Prozent-Challenge meistern konnten. Obwohl wir den gleichen Service liefern und nicht den Job-Abbau forciert haben, konnten wir die IT-Kosten um ein Fünftel reduzieren. Die wichtigsten Stellschrauben dabei waren eine strikte Priorisierung von Projekten und neu verhandelte Verträge mit den Lieferanten. Als wir anschliessend die Rechnung aufgemacht haben, war es schon ein schönes Erfolgserlebnis.
Noch höher würde ich aber den Erfolg werten, dass wir in diesem Frühjahr tatsächlich alle Mitarbeitenden von einem Tag auf den anderen ins Home Office schicken konnten. Und der Betrieb ununterbrochen weiterlief.
CW: Und die grösste Enttäuschung?
Castillo: Gemeinsam mit dem IT-Management habe ich intensiv an agilen Arbeitsmethoden und dem Empowerment der Informatikkollegen gearbeitet. Diese «Transformation» der Arbeitsweise und auch des Mindsets dauern noch immer an und ist und wird auch nicht so schnell abgeschlossen sein, wie ich es mir gewünscht hätte. Mit gezielten Schulungsangeboten haben wir hier Hilfestellungen gegeben – was auch gut angekommen ist.
Bei den Innovationsprojekten war ich eher von der Marktreife und Akzeptanz von neuen Technologien bei den Kunden enttäuscht. Wir hatten früher eine Abteilung, die sich um «Digital Business Development» gekümmert hat und «Minimal Viable Products» und «Proof of Concept» in den Bereichen virtuelle Realität sowie Voice entwickelt. Unter anderem konnten sich Kunden im Reisebüro virtuell auf einem Kreuzfahrtschiff umsehen. Das Angebot war aus meiner Sicht sehr spannend, krankte aber leider an den fehlenden Inhalten. So mussten wir den Test stoppen und letztendlich leider auch die Abteilung wieder schliessen.
Zur Firma
Hotelplan Group
ist eine 100-prozentige Tochter des Migros-Genossenschafts-Bundes.
Zur Gruppe gehören die Ländergesellschaften Hotelplan Suisse sowie Hotelplan UK, die Geschäftsreisensparte mit bta first travel und Finass, der Reiseveranstalter vtours, die Ferienhaus-Divison mit Interchalet und Interhome sowie das Start-up Bedfinder.
Bei Hotelplan Group arbeiten aktuell rund 2000 Mitarbeitende. Die Gruppe erzielte im Jahr 2019 einen Umsatz von rund 1,4 Milliarden Franken.
Geheimtipps für die Reiseplanung
CW: In den letzten Jahren hat Airbnb die Reisebranche kräftig durcheinandergewirbelt. Wie sehr hat die Hotelplan Group gelitten?
Castillo: Wir haben nicht so schlimm gelitten. Allerdings hat uns Airbnb auch kopiert. Die Ferienhausvermittlung von Interchalet sowie Interhome gibt es schon seit Jahrzehnten und unser Geschäftsmodell geht sogar über die reine Vermittlung hinaus. Mittlerweile ist Airbnb zu einem wichtigen Distributionspartner für uns geworden. Wir vertreiben Ferienwohnungen auch via Airbnb.
Ausserdem hat Airbnb stark dazu beigetragen, insbesondere jüngere Kunden für das Mieten von Ferienwohnungen zu gewinnen. Wir erleben seit einigen Jahren einen grösseren Zulauf auch bei Interchalet und Interhome.
“Unter Airbnb leiden wir kaum. Sie sind vielmehr ein wichtiger Partner„
Pablo Castillo
CW: Wenn Ihr Chef nach der digitalen Transformation ruft, was will er dann von Ihnen hören? Und: Welche Antwort geben Sie ihm?
Castillo: [lacht] Gute Frage. Denn jeder versteht unter der digitalen Transformation ein klein wenig etwas anderes.
Meiner Meinung nach ist die digitale Transformation längst Realität. Jedes Unternehmen muss sich weiterentwickeln – die einzige Frage ist: Wohin soll die Reise gehen? Eine Antwort auf diese Frage liefert zuerst einmal der Kunde. Wir können noch so coole Apps bauen oder ausgefallene Produkte lancieren. Wenn der Kunde diese Angebote nicht annimmt, taugen sie nicht als wirkliche Innovation. Entsprechend ist für mich die digitale Transformation in erster Linie der permanente Abgleich der Angebote mit den Kundenbedürfnissen.
Anhaltspunkte können die Entwicklungen in Asien sein, wo die Konsumenten schon sehr digital unterwegs sind. Das Leben findet in Apps und am Smartphone statt – wovon wir noch Jahrzehnte entfernt sind. Wenn wir Inspiration für Innovation suchen, sollten wir in Zukunft nicht mehr ausschliesslich den Blick nach Westen richten, sondern auch nach Osten.
CW: An welchem Innovationsprojekt arbeiten Sie derzeit?
Castillo: Im Rahmen des eingangs erwähnten Projekts «One Web» haben wir unsere erste Plattform lanciert: Es gab einen Relaunch der Hotelplan.ch-Website. Wir wollen diese unsicheren Zeiten mit aktuell noch wenig Traffic nutzen, um ein noch nicht vollkommen fertiges Produkt zu platzieren. In der Endausbaustufe soll die Seite aber die Basis für alle zukünftigen Websites des Konzerns werden. Hier wollen wir unsere Vision umsetzen, neue Funktionen einmal zu entwickeln und anschliessend auf beliebigen Portalen verwenden zu können – so es dann vom Business gewünscht und wirtschaftlich sinnvoll ist.
CW: Am Beispiel der neuen Homepage können Sie bestimmt verraten, welche geheimen Schalter man umlegen muss, um eine tolle Reise zu buchen.
Castillo: In der jetzigen Zeit funktionieren die üblichen Geheimtipps alle nicht – frühzeitig buchen wäre sonst ein guter Hinweis. Generell lohnt es sich allerdings immer, die Angebote und Preise zu vergleichen. Weiter sind Kunden derzeit noch gut beraten, eher kurzfristig zu buchen – oder Produkte zu wählen, bei denen sie umbuchen können respektive den Kaufpreis erstattet bekommen.
Mein ganz persönlicher Tipp ist: Der Besuch im Reisebüro lohnt sich mehrfach. Das hört sich jetzt wie die Antithese meines Jobs als IT-Leiter an, zählt aber ja auch zu meinen Aufgaben. Denn als Hotelplan-IT liefern wir den Reisebüros genau die gleichen Angebote, die auch auf der Website zu finden sind. Im Unterschied zum gelegentlichen Besucher auf Ferienseiten wissen die Kollegen in den Reisebüros aber, wo die guten Offerten zu finden sind – und können helfen, Geld und Zeit zu sparen.