Hintergrundgespräch
01.11.2018, 13:43 Uhr
Gregor Erismann von Namics über die Zukunft unter dem Dach von Merkle
Die Schweizer Digitalagentur Namics wird Teil der Merkle-Gruppe. Was folgt daraus für Kunden und Mitarbeiter? Gregor Erismann, Chief Marketing Officer bei Namics, sprach mit der Redaktion über die Hintergründe der Übernahme und die Zukunft des Unternehmens.
Die Digitalagentur Namics geht mit der Merkle-Gruppe zusammen. Diese gehört wiederum zum japansichen Dentsu-Netzwerk. Bei Namics verspricht man sich vom Schulterschluss auf künftige Kundenwünsche rascher und umfassend reagieren zu können. Hierfür brauche es einen starken Partner, wie Gregor Erismann sagt, Chief Marketing Officer bei Namics, Welche Bewegründe hinter dem Zusammenschluss stecken und was dieser den Kunden bringt, erläuterte Erismann in einem Hintergrundgespräch am diesjährigen Smart Business Day von Namics und SAP in Rüschlikon.
Computerworld: Namics ist selbst eine Grösse am ICT-Markt im DACH-Raum wenn es um umfassende Digitalisierungsprojekte geht. Weshalb braucht Namics einen Seniorpartner?
Gregor Erismann: Wir beobachten massgeblich zwei Entwicklungen: Zum einen werden die Anforderungen unserer Kunden in ihrer Komplexität breiter und tiefer. Ein Grund dafür sind die enormen Potenziale, die der digitale Wandel, neue Technologien und Prozesse wie Marketing Automation mit sich bringen. Wir müssen daher in immer kürzerer Zeit zusätzliche digitale Skills beherrschen - stets verbunden mit unserem Leistungsversprechen, ein nachhaltiger und langfristiger Partner in der digitalen Transformation zu sein. Auf der anderen Seite nehmen die Plattformfähigkeit und Integration unserer Technologiepartner rapide zu. Mit Merkle an unserer Seite wird es möglich sein, mittel- und langfristig die Chancen dieser Entwicklungen realisieren zu können.
CW: Was wäre die Alternative gewesen?
Erismann: Wir haben unterschiedliche strategische Optionen geprüft. Eine davon war, über Zukäufe zu wachsen, eine andere, unsere Positionierung zu einem Nischenanbieter zu wandeln. Die Vielfalt der Themen und damit auch unsere Bedeutung bei Kunden wären aber gerade bei letzterer Option gesunken. Deshalb kamen beide Wege nicht in Frage. Unser Anspruch ist es, auch künftig unseren Kunden ein breites Spektrum an Services und unseren Mitarbeitern vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Aus dem Grund suchten wir nach einem starken Partner, mit dem wir in der nötigen Geschwindigkeit am Markt wachsen können.
CW: Was definieren Sie «Breite des Angebots»? Und wo kommt dabei Merkle ins Spiel?
CW: Was definieren Sie «Breite des Angebots»? Und wo kommt dabei Merkle ins Spiel?
Erismann: Die Breite unseres Angebots definiert sich über die Nachfrage unserer Kunden. Dabei ist für uns zentral, dass wir technologische Entwicklungen antizipieren und nach deren Relevanz für unsere Kunden einordnen. Ein Beispiel für ein neu geschaffenes Angebot: Für viele Unternehmen wird Digital Product and Service Design - also die Entwicklung innovativer, digitaler Produkte und Dienstleistungen - immer wichtiger. Kein Wunder, lässt sich doch darüber das Geschäftsmodell nachhaltig weiterentwickeln. Noch vor zwei bis drei Jahren hatte dieses Thema für unsere Kunden wenig Bedeutung, das Augenmerk lag eher auf Customer Experience oder der Digitalisierung von Touchpoints. Ein weiteres Beispiel ist Marketing Operations, ein Kompetenzfeld, das wir seit Anfang 2018 kontinuierlich erweitern. Hier bespielen wir langfristig und auf Basis von Messungen und Optimierungen die digitalen Marketingkanäle unserer Kunden - und das aus einer Hand. Beide Angebote sind für Unternehmen sehr wichtig, darum müssen wir sie umfassend und in der Breite beherrschen. Dank Merkle fällt uns die Angebotsentwicklung nun wesentlich leichter. Gerade unsere Marketing- und Technologie-Expertise bauen wir damit weiter für unsere Kunden aus.
CW: Welche Kundenwünsche könnte Namics ohne Merkle in den nächsten Jahren nicht mehr bedienen
Erismann: Merkle hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten auf datengetriebenes Marketing spezialisiert. Im Kern von Merkles’ Leistungsversprechen geht es um das Ermöglichen von individuellen Kundenansprachen, die langfristig, nachhaltig und messbar die Geschäftstätigkeit der Unternehmen positiv beeinflussen. Dafür braucht es heute und vor allem in Zukunft eine ausgeprägte Daten- und Technologie-Expertise. Sie erlaubt es, Zielgruppen noch besser zu verstehen und dadurch persönlicher zu adressieren. Ohne Merkle könnten wir also das Thema Personalisierung nicht in diesem Umfang und mit der hohen Anzahl an Spezialisten bedienen.
CW: In welchen Bereichen ergänzen sich Merkle und Namics jeweils? Wo gibt es Doppelspurigkeiten und was bedeutet das für die Mitarbeiter?
Erismann: Eins ist uns ganz wichtig: Es wird keine Entlassungen geben - im Gegenteil, wir wollen als autarke Organisation weiterwachsen und unser Tätigkeitsfeld mit der Unterstützung von Merkle ausbauen. Der Grund dafür liegt darin, dass Merkle und wir uns im Angebot ideal ergänzen. Die Zusammenführung unserer Experience- und Technologie-Expertise mit Merkles’ Daten-, CRM- und Performance-Kompetenzen schafft für Kunden ein sehr starkes und im deutschsprachigen Raum einzigartiges Wertversprechen. Zusammen können wir alles aus einer Hand liefern.
CW: Wer hat den Übernahmeprozess angestossen, Merkle oder Namics?
Erismann: Seit über 18 Monaten beschäftigt die Namics Partner die Frage, wie wir – nach einigen sehr erfolgreichen Jahren – auch mittel- und langfristig die strategischen Ziele in der Schweiz und in Deutschland erreichen können. Schnell war klar, das gelingt nur mit einem starken Partner, mit dem wir unsere Fähigkeiten erweitern und die künftigen Digitalpotenziale unserer Kunden realisieren können. In einem von Namics getriebenen, strukturierten Prozess, nach langen Recherchen, Überlegungen und in vielen Gesprächen haben wir dann mit Merkle und dem Dentsu Aegis Network den idealen Partner gefunden. Wir haben also den Prozess angestossen.
CW: Fehlten die nötigen Fachkräfte? Oder was hemmte Namics, um aus eigener Kraft mit den Entwicklungen Schritt zu halten?
Erismann: Der Wettbewerb um geeignete Mitarbeiter ist hart. Hinzu kommt die Vielfalt an Disziplinen, die wir benötigen. Technologieexperten in unterschiedlichen Domänen, strategische Digitalberater und User Experience Designer sind selten und nur drei Beispiele für die Profile, die wir suchen. Hinzu kommen Felder, die auch in der Ausbildung aktuell noch in den Kinderschuhen stecken, zum Beispiel Data Science.
CW: Sie sprachen über Werte. Eine Übernahme durch eine US-amerikanische Mutter in einem Netzerk eines japanischen Anbieters wird doch Spuren in der Kultur eines Deutsch-Schweizer Unternehmens hinterlassen.
CW: Sie sprachen über Werte. Eine Übernahme durch eine US-amerikanische Mutter in einem Netzerk eines japanischen Anbieters wird doch Spuren in der Kultur eines Deutsch-Schweizer Unternehmens hinterlassen.
Erismann: Richtig, aber das ist auch gewünscht. Wir gehen diesen Schritt bewusst, um uns zu verändern und weiterzuentwickeln. Was wir alle erreichen wollen, ist, dass uns diese neuen Spuren bereichern und wachsen lassen. Die gemeinsame Basis haben wir: Uns verbinden die gleichen Werte, zum Beispiel Mut, Vertrauen, Transparenz und Vielfalt.
CW: Wie zeigt sich das in der Praxis? Reichen Sie dann Kunden je nach Projektanforderung innerhalb der Gruppe an die entsprechenden Teams weiter?
Erismann: In Fällen, bei denen wir sehen, dass uns Kompetenzen fehlen, beziehen wir diese über Merkle. Oder wir werden in einem Bereich, in dem Merkle bereits arbeitet, ebenfalls aktiv und unterstützen die neuen Kollegen. Merkle ist überdies Teil des Dentsu Aegis Netzwerks, was uns einen grösseren Hebel verschafft, um neue Potenziale am Markt zu erschliessen.
CW: Wie fügt sich Namics in die Gruppe ein? Wird das Unternehmen in Merkle aufgehen und der Name Namics womöglich vom Markt verschwinden?
Erismann: Wir werden weiterhin eine eigenständige Organisation mit dem Namen Namics bleiben. Allerdings werden wir einem Mutterhaus angehören und nach Zustimmung des deutschen Kartellamtes unter dem Namen «Namics - A Merkle Company» firmieren.
CW: Inwieweit wird ein eigenständiges Handeln für Namics noch möglich sein?
Erismann: Wir werden auch in Zukunft autark wirtschaften. Wir sind Teil von Merkle, da wir im deutschsprachigen Raum erfolgreich sind. In diesem Markt will Merkle Fuss fassen. Dem Unternehmen liegt deshalb viel daran, das, was uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, weiter aufrechtzuerhalten und zu stärken. Genau deshalb ist es auch ihr Anliegen, dass die ehemaligen Partner mindestens drei Jahre im Unternehmen bleiben, um die Kultur, aber auch die Art wie wir Arbeiten, hochzuhalten. Und auch die Geschäftsleitung, die sonstigen Führungsstrukturen und die Ansprechpersonen für die Kunden bleiben unverändert.
CW: Wird am Ende dieser Phase eine neue Strategie von Namics stehen? Wie könnte diese aussehen?
Erismann: Wir werden uns in der nächsten Phase weiterhin mit voller Kraft darauf konzentrieren, unsere Kunden und Mitarbeiter zu Gewinnern der digitalen Transformation zu machen. Dabei werden wir als Organisation agil bleiben und uns entsprechend der Markt- und Kundenanforderungen weiterentwickeln. Klares Ziel ist es, mit gebündelten Kräften unsere Kunden auf das nächste digitale Level zu heben und zur führenden Fullservice-Digitalagentur im deutschsprachigen Raum zu avancieren.
CW: In welchen Märkten kann Namics in den nächsten Jahren dank der Übernahme am stärksten wachsen? Wo sehen Sie das grösste Potenzial?
Erismann: Weiteres Ziel ist es, auch in Zukunft mit den neuen Fertigkeiten und Fähigkeiten, primär den deutschen und Schweizer Markt zu adressieren. Gerade hier sehen wir enormes Potenzial für die Entwicklung datengetriebener, neuer Geschäftsmodelle und Digital-Innovationen.
CW: Wann wird die Integration in Merkle voraussichtlich komplett über die Bühne sein?
Erismann: Ab Zustimmung des deutschen Kartellamts werden wir Stück für Stück Synergien unserer Geschäftstätigkeiten identifizieren und realisieren. Da Namics aber als autarke Organisation ihr Geschäft weiterhin selbständig betreibt, werden wir uns in der Integration auf die Stellhebel konzentrieren, die die grössten Mehrwerte für unsere Kunden und Mitarbeiter schaffen. Das werden wir kontinuierlich und langfristig tun, deshalb gibt es kein Enddatum.