02.07.2012, 17:59 Uhr
Insieme-Skandal nur die Spitze des Eisberges?
Die Sonntagspresse hat im Insieme-Skandal ein gefundenes Fressen gefunden und deckt haarsträubende Fakten auf, die Konsequenzen für die Verantwortlichen haben. Doch mittlerweile sind auch andere Departemente betroffen, Vetternwirtschaft scheint in Bundesbern Volkssport zu sein.
Urs Ursprung war doch nicht der Anfang (Computerworld.ch berichtete). Einige Wochen vor dem ehemaligen Direktor der eidgenössischen Steuerbehörde (ESTV) musste bereits der Entwicklungschef von Insieme seinen Hut nehmen, wie die Zeitung «Der Sonntag» berichtet.Dieser war scheinbar eine der wichtigsten Personen innerhalb Insiemes und musste gehen, weil er illegal ohne die nötige WTO-Ausschreibung angestellt wurde.«Es ist richtig, dass diese Stelle den WTO-Schwellenwert überstiegen hat und öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen», bestätigt ESTV-Kommunikationschef Beat Furrer gegenüber dem «Sonntag» den Sachverhalt. Der Entwicklungsleiter hat Insieme per Ende Mai 2012 verlassen. Er war die erste Schlüsselperson, die das Projekt einzig aus dem Grund verlassen musste, weil sein Mandat nicht WTO-konform verlängert werden konnte.»
Auch andere dürfen die Koffer packen
Heute und Ende Juli sollen weitere Verträge mit externen Spezialisten für das Insieme-Projekt auslaufen, deckt «der Sonntag» weiter auf. «Ende Juni 2012 läuft ein Vertrag aus, Ende Juli 2012 ein paar weitere. Die genaue Zahl können wir noch nicht beziffern, weil die WTO-Konformität nicht bei allen geklärt ist». Auch diese Personen sollen vor die Tür gesetzt werden, weil sie ohne WTO-Ausschreibung angestellt worden sind. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Familienunternehmen E-Government
Familienunternehmen E-Government
Als hätte die Bundesverwaltung dank der Steuerbehörde nicht schon genug Ärger am Hals, kommen nun auch aus anderen Departementen schlechte Nachrichten, die mit Insieme zusammenhängen. So soll es auch im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu Unregelmässigkeiten beim Vergeben von Aufträgen gekommen sein. Die SonntagsZeitung schreibt von Pierre H., der, bevor er 2008 Chef des Aktionsprogramms E-Government wurde, noch die eigene Firma seinen vier Kindern übergeben hatte. Problematisch? Ja. Denn das Familienunternehmen sei auf E-Government Lösungen für Gemeinden spezialisiert gewesen, schreibt die «SonntagsZeitung» weiter. Geht es nach Seco-Kommunkationschefin Antje Baertschi, ist an dieser Sache aber nichts ungewöhnlich: «Von Beginn weg herrschte Transparenz», sagt sie gegenüber der Zeitung. So verkauft Pierre H. bis heute in Namen des Seco allen Gemeinden vom Bund subventionierte E-Government-Kurse. Anmelden können sich Gemeindeangestellte über die vom Seco betriebene Interneseite Cyberadmin.ch und veranstaltet werden die Kurse von der Firma Institut V. So weit, so gut. Bloss fand die «SonntagsZeitung» heraus, dass die Famile H. zu 50 Prozent am Institut V beteiligt ist, das für die Kurse bis zu 950 Franken pro Tag und Teilnehmer verlangt. Kommt hinzu, dass Jean-Daniel F., der zweite Teilhaber an Institut V., drei Leistungsverträge mit dem Seco abschliessen konnte. Auch dies findet das Seco alles andere als ungewöhnlich, die Vorgesetzten seien darüber im Bilde gewesen. «Als Projektleiter hat Pierre H. die Offerten eingeholt und Jean-Daniel F. zum Engagement vorgeschlagen», sagt die Behörde gegenüber der «SonntagsZeitung». Michel Huissoud, Vizedirektor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, sieht das allerdings anders: «Der Verdacht ist gross genug, dass wir erwägen, eine administrative Untersuchung anzustossen.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wer sucht, der findet
Wer sucht, der findet
Man könnte meinen, nun ist Genug der Mauschelei, aber es kommt noch besser. Im Stab des IT-Projektes «Gever DP», das die Umstellung der Bundesverwaltung auf die elektronische Aktenverwaltung koordiniert, sitzt seit dem 1. Januar 2010 Claude M. Dies tut er aber nur zu 50 Prozent. Denn M. ist gleichzeitig auch Partner des IT-Unternehmens W., das für den Bund Aufträge im Bereich der elektronischen Dossierverwaltung erledigt, wie die «SonntagsZeitung» in ihrem Artikel ebenfalls berichtet. Unter anderem konnte sich M`s Firma einen Bundesauftrag in Höhe von 320 000 Franken sichern. Und für welches Projekt? Natürlich Gever ÜDP. (K)ein Schelm, wer böses dabei denkt.