Städtedigitalisierung
06.05.2019, 09:38 Uhr
Der Weg zur Smart City
Wien, London und das kanadische St. Albert sind die Spitzenreiter der Smart-City-Welt. Sie setzen ihre Strategien längst in die Tat um. Wie so oft geht es hierzulande etwas gemächlicher voran. Doch wie steht es um die Digitalisierung in Schweizer Städten wirklich?
Wien, die Hauptstadt unseres Nachbarlandes, gilt gemäss dem Smart City Index 2019 von Roland Berger als die smarteste Stadt der Welt
(Quelle: Shutterstock/And-One)
Die digitale Transformation betrifft nicht nur einzelne Firmen oder Branchen. Sie erfasst die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Auch unsere Lebensräume werden digitalisiert. Verwaltung, Umwelt, Wohnquartiere, Mobilität werden mittels digitaler Technik und unter Einbezug der Bevölkerung weiterentwickelt. Städte wandeln sich auf diese Weise zu Smart Cities. E-ID, elektronisches Patientendossier, Online-Umzugsmeldungen, die Vernetzung von Stadtteilen oder autonome Busse: Die heimischen Beispiele sind zahlreich, wie auch die Vorstösse von Akteuren auf kommunaler, staatlicher und wirtschaftlicher Ebene. Doch, reicht das? In Basel haben sich dieses Jahr zum dritten Mal Fachleute, Entscheider und Wirtschaftsvertreter getroffen, um an der Konferenz Smart Suisse über Smart-City-Projekte zu diskutieren. Bei der Premiere vor zwei Jahren war zu hören, dass der Stadt-Staat Singapur die Schweiz lange Zeit als Vorbild in Sachen Smart City angesehen habe. Doch inzwischen sei man weiter und habe die Schweiz hinter sich gelassen. Das ist insofern bemerkenswert, als die Schweiz bei globalen Innovations-Rankings stets auf den Podestplätzen wiederzufinden ist.
Schweizer Städte im Smart-City-Mittelfeld
Auch die jüngste Ausgabe des Smart City Strategy Index des Beratungshauses Roland Berger zeigt auf: Schweizer Städte haben im Bereich Smart City noch Potenzial. Unter den 153 Städten, die im Rahmen der Untersuchung weltweit analysiert wurden, finden sich vier aus der Schweiz – es sind Basel, Genf, St. Gallen und Bern. Am besten schnitten in der Studie die Ostschweizer ab. St. Gallen liegt gemäss den Experten von Roland Berger im weltweiten Vergleich im oberen Mittelfeld. Basel, Bern und Genf ordnen sich hingegen im unteren Mittelfeld der Rangliste ein. Ausschlaggebend für die Platzierung innerhalb des Rankings sind die Smart-City-Strategien, die von den untersuchten Städten vorgelegt wurden. Deren «Smartness» ermittelte das Beratungshaus anschliessend anhand eines Modells mit zwölf Faktoren (vgl. Kasten unten). Die Autoren der Studie kommen insgesamt zum Schluss, dass Wien aktuell die smarteste Stadt der Welt ist. In die Top 15 schaffen es neben der Donau-Metropole europäische Städte wie London, Birmingham, Paris oder auch Santander. Städte aus dem asiatischen Teil der Welt – darunter Seoul, Singapur, Guangzhou, Shanghai und Shenzhen – sind darin vergleichsweise am stärksten vertreten.
Haben also Schweizer Städte und Gemeinden die Digitalisierung verschlafen? Im Gegenteil, meint Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands. «Die Smart City ist längst zuoberst auf der politischen Agenda angekommen. Beim Städteverband geniesst das Dossier ebenfalls hohe Priorität. Wir haben beispielsweise 2017 eine nationale Tagung zum Thema Digitalisierung in den Städten durchgeführt. Darauf folgend haben wir die Arbeitsgruppe Digitalisierung eingesetzt, in der sich unsere Mitglieder austauschen, voneinander lernen und – im Idealfall – auch zusammenarbeiten können. Denn es ist nicht im Interesse der öffentlichen Hand, dass jede Stadt für sich allein nach Lösungen sucht und nur schon eine eigene App programmieren lässt», argumentiert Amstutz.
Verein soll für Schub sorgen
Auch der Bundesrat drückt aufs Gas und verabschiedete letztes Jahr die Strategie «Digitale Schweiz». Neben den Bereichen Infrastruktur, Mobilität und E-Government, die wesentliche Elemente von Smart-City-Strategien bilden, setzte der Bundesrat auch explizit Smart City auf die Agenda. Hierfür lud der Bund verschiedene Akteure ein, die sich in dem im Sommer letzten Jahres konstituierten Verein «Smart City Hub Switzerland» vernetzen und austauschen. Der Verband wird in verschiedenen Arbeitsgruppen gemeinsame Lösungen erarbeiten. Eine zentrale Aufgabe des Smart City Hubs Switzerland ist es, seine Mitglieder bei der Umsetzung öffentlicher wie privater Vorhaben zu unterstützen.
Dass das Thema Smart City aktueller und in immer mehr Kommunen bearbeitet werde, weiss Verbandsgeschäftsführer Benjamin Szemkus. «Wir sehen insbesondere im Bereich der Städte, dass das Thema Fahrt aufgenommen hat. Ein deutlicher Hinweis darauf ist auch die Gründung unseres Verbandes und die vermehrten Initiativen in ausgewählten Städten der Schweiz», sagt Szemkus. Derzeit baue man in den Regionen Strukturen auf und arbeite an der internen Organisationsentwicklung, wie etwa dem Erarbeiten von Massnahmenplänen oder der Etablierung von Smart City Labs wie in der Stadt Basel auf dem Wolf-Areal. Im Zentrum der Strategien stünden oft die Themenfelder Mobilität, Umwelt und Verwaltungsservices. Stadtbewohner wünschten sich Mitsprachemöglichkeiten, unkomplizierte Dienstleistungen und eine hohe Lebensqualität. Die Einwohner seien daher mehrheitlich offen für smarte Entwicklungsschritte. Allerdings ist man sich bei Smart City Hub auch im Klaren darüber, dass noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.
Die smartesten Städte der Welt
Das Beratungshaus Roland Berger hat in seinem Smart City Strategy Index 2019 die smartesten Städte der Welt ermittelt. Ausschlaggebend für die Bewertung der einzelnen Strategiepapiere war ein «Assessment Framework» – ähnlich des Smart City Wheel von Smart City Hub. Das Modell von Roland Berger basiert jedoch auf 3 Smart-City-Dimensionen, 12 Kriterien und 31 Subkriterien.
Die Auswertung der Experten ergab folgendes Ranking:
- Wien (Österreich)
- London (UK)
- St. Albert (Kanada)
- Singapur
- Chicago (Vereinigte Staaten)
- Shanghai (Volksrepublik China)
- Birmingham (UK)
- Chongqing (Volksrepublik China)
- Shenzhen (Volksrepublik China)
- Paris (Frankreich)
- Dalian (Volksrepublik China)
- Seoul (Südkorea)
- Santander (Spanien)
- Guangzhou (Volksrepublik China)
- Davanagere (Indien)