Swisscom
30.08.2006, 09:45 Uhr
Projektverzögerungen nagen am Wachstum
Michael Shipton, Chef von Swisscom IT Services, hat in seinem ersten Amtsjahr den Umsatz erheblich steigern können. Doch einige Aufträge sind aus dem Ruder gelaufen. Shipton nimmt Stellung zu den Hintergründen.
«Wir sind Informatikdienstleister und keine Produktehersteller. Applikationen wollen wir betreiben, nicht entwickeln.»
Computerworld:Herr Shipton, wie sind Sie mit den kürzlich vorgelegten Halbjahreszahlen zufrieden?
Michael Shipton:Die Zahlen zeigen zwei Seiten von Swisscom IT Services. Zum einen haben wir ein sehr grosses Wachstum im Markt ausserhalb von Swisscom erreicht, was für uns sehr wichtig ist. Aber auf der Kostenseite sind wir unzufrieden, weil sich hier Vertrags- und Projektrisiken gezeigt haben. Wichtig ist aber, dass diese Risiken einmaligen Charakter haben und die Rückstellungen nur in diesem Jahr anfallen. Das heisst, dass wir im für uns wichtigen Betriebsgeschäft als IT-Service-Provider insgesamt sehr gut unterwegs sind. Es sind nur wenige Projekte, die uns belasten.
Computerworld:Können Sie konkreter werden. Handelt es sich um die Projekte mit der SBB und der Krankenkasse ÖKK?
Michael Shipton:Es handelt sich um mehrere Projekte. Dass wir im SBB-Projekt Verzögerungen mit der Betriebsübernahme der Desktop-Infrastruktur haben, ist bekannt. Ich möchte jedoch nicht über einzelne Kunden sprechen. Klar ist, dass Projektverzögerungen immer zu erhöhten Kosten führen. Man muss aber innerhalb der einzelnen Projekte differenzieren: So ist beispielsweise die SAP-Migration bei der SBB erfolgreich und termingerecht abgeschlossen worden.
Computerworld:Sie sind seit einem Jahr in der Konzernleitung und haben zuvor den Strategiebereich geleitet. Stehen Änderungen an, die Scis betreffen?
Michael Shipton:Nein. Swisscom hat ihre künftige Strategie klar kommuniziert. Wir setzen auf die Konvergenz, die innerhalb des so genannten Time-Marktes (Telekommunikation, Information, Media, Entertainment) stattfinden wird. Bei dieser Entwicklung spielt IT-Services für die Swisscom Gruppe eine wichtige strategische Rolle.
Computerworld:Welche ist das?
Michael Shipton:Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Zum einen stellen wir Leistungen bereit, die mit anderen Produkten der Swisscom Gruppe gebündelt werden können. Beispielsweise bietet Swisscom Mobile das Produkt Smart-Office an, das auf E-Mail- und Exchange-Lösungen von Swisscom IT Services basiert.
Zum anderen betreuen wir heute über 85000 Desktop-Arbeitsplätze in der Schweiz. Dies stellt einen weiteren wichtigen Konvergenzbereich dar, weil hier zunehmend auch Telekommunikationsdienste integriert werden, wie zum Beispiel Sprachdienste mit Voip sowie Mobility-Angebote mit dem Mobile Unlimited Service.Also: Swisscom bündelt ihre Telekom- und IT-Kompetenzen, um ihren Geschäfts- und Retailkunden umfassende Dienste anzubieten.
Computerworld:Bei Swisscom bertreut die Fixnet-Sparte die KMU und Solutions die Geschäftskunden. Wo positioniert sich da Scis?
Michael Shipton:Die Positionierung ist klar: Swisscom IT Services betreut die Kunden im Bereich Informatik-Outsourcing direkt. Für den wichtigen KMU-Markt, der für jedes Unternehmen schwierig zu adressieren ist, bündelt Fixnet, wie vorhin erwähnt, unsere Basisdienste und integriert sie in ihre eigenen Produkte.
Mit Swisscom Solutions haben wir entschieden, die Vertriebskanäle nicht zusammenzulegen, weil der Verkaufsansatz im IT-Bereich heute ein anderer ist als in der Telekommunikation. - So verkauft man beispielsweise ein Projekt für eine Banken-Migration anders als einen IP-Service. Dafür muss man sehr spezialisierte Vertriebsfunktionen haben. Wichtig ist jedoch, dass die Vertriebskanäle dort sehr eng zusammenarbeiten, wo es nötig ist.
Computerworld:Konkurrenzverhältnisse zu Solutions bestehen also nicht?
Michael Shipton:Nein, es besteht überhaupt keine Konkurrenzsituation. Als Swisscom geht es uns darum, den Markt optimal zu adressieren. Daher arbeiten wir mit Solutions eng zusammen: Dort, wo der Kunde integrierte Angebote wünscht, bündeln wir unsere Leistungen. Die Zusammenarbeit zwischen Urs Schaeppi (dem Chef der Solutions-Sparte, Red.) und mir funktioniert hervorragend.
Swisscom: Projektverzögerungen nagen am Wachstum
Computerworld:Warum brauchen Sie eigentlich über 500 externe Berater bei Scis?
Michael Shipton:Wesentlich ist: Menschen machen das Geschäft und nicht die Maschinen. Externe Mitarbeitende sind für uns aus drei Gründen wichtig. Erstens brauchen wir sie bei Ressourcen-Engpässen, etwa bei Rollouts, wenn uns zusätzliche Fachkräfte kurzzeitig fehlen. Zweitens sind sie mit Spezialkenntnissen für bestimmte Projekte unverzichtbar, und drittens haben wir gezielt ausgewählte Externe, deren Know-how uns über längere Zeit zur Verfügung steht. Wichtig ist dabei, dass die Leitung dieser spezialisierten Mitarbeiter sehr gezielt erfolgt. Zudem variiert auch die Anzahl der externen Mitarbeiter je nach Auftragslage. Und weil wir deren spezielle Kernkompetenzen brauchen, sind die Prozesse zum Umgang mit ihnen zentralisiert worden.
Computerworld:Den Bereich Healthcare bauen Sie von einer Abteilung zu einer neuen Divison auf. Was steht dahinter?
Michael Shipton:Wir sind überzeugt, dass wir neben dem horizontalen IT-Infrastruktur-Outsourcing auch in die vertikalen Märkte vorstossen müssen. Dafür brauchen wir spezialisierte Mannschaften, die den jeweiligen Markt in eigener Verantwortung betreuen. Im Gesundheitsmarkt hat sich bereits seit längerer Zeit abgezeichnet, dass er von einer eigenständigen Abteilung bedient werden muss. Die Frage war, wann der richtige Zeitpunkt ist. Im Finanzdienstleistungssektor, wo wir diesen Schritt bereits früher vollzogen haben, sind wir mit unserer Tochtergesellschaft Comit sehr erfolgreich. Andere vertikale Märkte sind Medien oder öffentliche Verwaltung.
Computerworld:Stehen Sie im Bereich Healthcare durch die Zusammenarbeit von CSC und Cube mit Centris unter Zugzwang?
Michael Shipton:Nein, wir stehen nicht unter Zugzwang. Wir sind bereits mit verschiedenen Projekten, etwa in Spitälern, mit der Gesundheitskarte oder bei Krankenkassen aktiv.
Computerworld:Im BBT-Projekt stehen bald wichtige Entscheidungen an. Sieht sich Scis gezwungen, nicht nur die Implementation, Migration und den Betrieb, sondern auch die Entwicklung selbst zu übernehmen?
Michael Shipton:Welche Entscheidungen in Kundenprojekten anstehen, möchte ich nicht im Detail kommentieren. Wie in allen Grossprojekten gibt es auch hier schwierige Phasen. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Swisscom IT Services positioniert sich als Systemintegrator und IT-Provider. Unsere Kernkompetenz ist, Projekte gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern erfolgreich durchzuführen. Wir sind keine Produktehersteller und arbeiten daher mit verschiedenen Partnern zusammen.
Computerworld:Was erwarten Sie von der Zukunft der IT-Dienstleistung, ist SOA der richtige Trend?
Michael Shipton:Ich bin Agnostiker, was die Technik angeht - wenn man das so sagen kann. SOA ist vom Gedanken her sicherlich gut, ob sich dieses Systemarchitekturkonzept schliesslich durchsetzt, wird die Zukunft weisen. Ähnlich ist es auch bei Plattformen.
Nehmen Sie das Beispiel Standardisierung im Bankenumfeld. In der Schweiz haben sich zwei Plattformen für Universal-banken durchgesetzt: Finnova und Avaloq. Als Systemintegrator bieten wir daher beide über unsere Tochtergesellschaft Comit an. Wichtig ist, immer nah am Markt zu sein.
Computerworld: ...wenn sich die Cube-Plattform durchsetzen würde, hätten Sie keine Scheu die anzubieten?
Michael Shipton:Als Systemintegrator und -betreiber sind wir Dienstleister für den Kunden. Es wäre vermessen vorauszusagen, wie die Plattformlandschaft im Gesundheitswesen in der Zukunft genau aussehen wird. Dies haben wir auch im Finanzdienstleistungssektor gesehen, wo wir heute mehr als nur eine Plattform anbieten, weil der Markt dies erfordert.
Weitere Informationen
Swisscom IT Services (Scis)
Die 2002 gegründete IT-Sparte der Swisscom beschäftigt heute rund 2700 Mitarbeiter. Sie hat sich in kurzer Zeit zu einer der drei wichtigsten nationalen IT-Services-Anbieterinnen gemausert und als Umsatztreiberin im Konzern etabliert. Begleitet wurde der rasante Aufstieg von permanenter Kritik an ihrer Preispolitik. Mit den neuesten Halbjahreszahlen hat Swisscom IT Services nun einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Bei einem Halbjahresumsatz von 396 Millionen Franken und einem Umsatzwachstum ausserhalb des Konzerns von 36,7 Prozent auf 164 Millionen Franken gegenüber dem Vorjahreszeitraum, mussten Rückstellungen von 49 Millionen Franken für die «Entwicklung von neuen Märkten» und für Vertragsrisiken im Projektgeschäft ausgewiesen werden.
Volker Richert