DSAG-Jahreskongress
18.09.2019, 20:00 Uhr
SAP-Anwender kritisieren Produkt-Strategie
Am Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe musste der ERP-Anbieter Kritik zur fehlenden Integration und der nicht immer klaren Produkte-Strategie einstecken.
Marco Lenck von der DSAG begrüsste rund 5500 Teilnehmer am Jahreskongress
(Quelle: computerworld.ch)
Gemäss heutigen Planungen endet per Ende 2025 der Standard-Support für das ERP-System SAP R/3. Die Lösung ist dann nicht weniger als 32 Jahre auf dem Markt und soll durch die Nachfolgeplattform S/4Hana ersetzt werden. So lautete bis anhin der Willen des Anbieters SAP. Ob das Support-Ende tatsächlich in Stein gemeisselt ist, wurde am Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) in Nürnberg in dieser Woche diskutiert – hinter vorgehaltener Hand und auf der Bühne.
Zu den Fakten: Stand heute sind ein einstelliger Prozentsatz der Kunden auf die S/4-Plattform migriert. Das ergaben Umfragen der DSAG wiederholt, eine Studie der Hochschule Koblenz ebenfalls. Ein wesentlich höherer Anteil Kunden beschäftigt sich mit dem Wechsel, hat Piloten oder ist der Migration begriffen. Dem gegenüber steht ein gewisser Prozentsatz – eher zwei- als einstellig –, der die Umstellung bis zum Stichtag nicht schafft. Die Gründe sind so unterschiedlich wie die Einsatzszenarien des global führenden ERPs. SAP präsentierte am DSAG-Anlass die Aussage, dass bereits über 80 Prozent der im deutschen Aktienindex DAX kotierten Konzerne migrieren. «Die S/4-Umstellung ist in vollem Gange», sagte SAP-Vorstandmitglied Christian Klein an dem Anlass.
Weder in der Schweiz noch in Deutschland oder Österreich sind aber Administratoren, Berater sowie Entwickler an allen Ecken und Enden dabei, das neue ERP auszurollen. Bei den laufenden Projekten ist von Rabatten die Rede, SAP gibt allenthalben Hilfestellungen. So war am DSAG-Kongress die Erwartung gross, ein Zugeständnis von SAP hinsichtlich der Deadline zu hören. «SAP diskutieren das Wartungs-Ende 2025 mit der DSAG und informieren zu gegebener Zeit», sagte Vorstand Klein an der Medienkonferenz am Rande des Kongresses. Sein Geschäftsleitungskollege Christian Kleinemeier doppelte auf der Bühne nach: «SAP lässt keinen Kunden im Regen stehen.» Ein klares Bekenntnis zu dem unpopulären Support-Ende tönt anders. Aber eine Bestätigung einer Verlängerung auf zum Beispiel 2030 gab es am DSAG-Kongress in diesem Jahr nicht.
Viel Kritik am Produktportfolio
Der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck formulierte an dem Anlass drei Forderungen an SAP: End-to-End-Integration von SAP-eigenen Lösungen, ein kompatibles Datenmodell über alle Produkte hinweg sowie Flexibilität und Skalierbarkeit von Anwendungen sowie Lizenzmodellen. Es dürfe nicht passieren, dass ein Unternehmen ein Integrationsprojekt lancieren muss, wenn es zwei Produkte des gleichen Herstellers zusammenschliessen will, begründete Lenck die erste Forderung. Sonst könnten die Kunden mit einem vergleichbaren Aufwand auch die Best-of-Breed-Lösung nutzen und mit dem SAP integrieren. Wie er weiter sagte, sei die Forderung keineswegs neu und SAP arbeite auch daran. Neu sei aber mehr Geschwindigkeit gefragt. «Integration ist eine Herzensangelegenheit für SAP. Wir arbeiten mit Hochdruck an daran», sagte dann auch Thomas Saueressig, SAPs President Product Engineering.
Die einheitlichen Stammdaten als Forderung Nummer zwei würden nach den Worten Lencks eng mit dem Integrationsthema zusammenhängen. Hier stünde sich SAP mit den vielen Zukäufe der vergangenen Jahre teilweise selbst im Weg. Die Akquisitionen brächten ihre eigenen Datenmodelle mit, die nicht immer hundertprozentig mit den traditionellen SAP-Lösungen kompatibel seien.
Drittens forderte der DSAG-Vertreter schliesslich flexible und skalierbare Geschäftsmodelle: «Try & Buy sowie Pay as you Grow wie bei anderen (Cloud-)Anbietern erwarten wir auch bei SAP», sagte Lenck. Teilweise existierten entsprechende Angebote schon heute, oftmals sei damit allerdings ausschliesslich Wachstum möglich. Gehen die Geschäfte schlecht, müssen die überzähligen Lizenzen trotzdem bezahlt werden. Ein Herunterskalieren ist nicht möglich.
Alle drei Forderungen Lencks sorgten für spontanen Beifall der Rekordkulisse von rund 5500 Besuchern an dem Kongress.
Miese Noten für den Hersteller
Angesichts der aufgezeigten Herausforderungen wundert es nicht, dass SAP nicht eben erste Wahl ist, wenn es um Digitalisierungsprojekte in den Anwenderunternehmen geht. Im «Investitionsreport» der DSAG war Anfang Jahr eine Ernüchterung bei den Digitalvorhaben registriert worden. Die Unternehmen kommen bei der Digitalisierung nicht richtig voran. Lenck verortete die fehlende Flexibilität und Skalierbarkeit in den SAP-Lösungen als einen Grund, warum die Anwenderfirmen mit den digitalen Prototypen häufiger scheiterten.
In einer neuen Umfrage stellen die DSAG-Mitglieder dem Software-Lieferanten nun noch ein schlechtes Zeugnis aus: Nur gerade einmal 24 Prozent haben vollstes Vertrauen in die Produktstrategie von SAP. 45 Prozent vertrauen dem Hersteller teilweise und 30 Prozent fehlt das Vertrauen in die Roadmap. Bei den Schweizer Mitgliedsfirmen sind die Noten nicht ganz so schlecht, aber immer noch nicht gut: Immerhin 38 Prozent halten die Produktstrategie für belastbar, genauso viele sind unentschieden. Die übrigen 24 Prozent halten SAPs Roadmap nicht für verlässlich. Die Schweizer Resultate dürfen allerdings nicht überbewertet werden, denn nur 29 der mittlerweile 270 DSAG-Mitgliedsfirmen haben an der Umfrage teilgenommen.
Christian Zumbach von der DSAG Schweiz ermahnte SAP, die Kunden nicht zu vergessen
Quelle: computerworld.ch