«Die Schweiz besitzt einen Vertrauensbonus»

Pläne für die Zukunft

CW: Wir haben im Sommer einen grossen Zuschlag für Zühlke in einer öffentlichen Ausschreibung gesehen. Das Verfahren ist sehr aufwendig für beide Seiten. Wie positionieren Sie sich?
Durville: Wir sind bei öffentlichen Ausschreibungen sehr selektiv. Bei manchen Vorhaben wird sehr viel Wert auf den Preis gelegt, was nicht zu uns passt. Denn wir definieren uns nicht in erster Linie über den Wert, den wir für unsere Kunden liefern. Im angesprochenen Fall der künftigen «Justitia 4.0»-Plattform lag der Schwerpunkt auf der Qualität, der Präsentation, dem Renommee und dem Commitment des Partners. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, an der Ausschreibung teilzunehmen. Aber, wie sie andeuten: Das Verfahren ist sehr aufwendig, sehr kompetitiv und sehr zeitintensiv.
Ein Pluspunkt für uns war sicher unsere Praxis, dass die Mitarbeitenden, die am Bieterverfahren teilnehmen, auch im Projekt arbeiten werden. Denn der Kunde kauft ja kein Produkt, sondern Vertrauen in die Fachleute. Deshalb müssen hier die gleichen Personen involviert sein.
CW: Wie funktioniert Innovation bei Zühlke?
Durville: Sowohl Bottom-up als auch Top-down. Wir haben unsere Organisation mittlerweile vollständig auf Value Streams entlang von Branchen umgestellt und arbeiten nach agilen Prinzipien. Daneben treiben verschiedene Practices ihre Themen wie eben Daten & KI, Cloud, Innovationsberatung oder Nachhaltigkeit voran. Der Hauptteil der Innovation findet in den Value Streams statt, die sehr viel Autonomie haben.
So bestimmt die Geschäftsleitung nur, wie viel in Inno­vation investiert wird. Mit diesem Budget realisieren wir innovative Ideen von Teams. Es sind also unsere Mitarbeitenden selbst, die sich für die Finanzierung ihrer Idee bewerben und das Budget auch untereinander im «Participatory Budgeting» verteilen. Wenn ein Team etwa eine Cloud-Idee umsetzen möchte und ein anderes Team ein Data-Projekt plant, können die zwei Gruppen das Budget untereinander verhandeln und aufteilen. Aber auch umverteilen oder komplett verzichten, wenn man sieht, dass ohne zusätzliche Mittel das eine Projekt nicht verwirklicht werden kann. Das schafft mehr Accountability und Transparenz bei den Mitarbeitenden – als wenn einfach die Geschäftsleitung beschliesst, wie der Kuchen verteilt wird.
Generell investieren wir 10 Prozent unseres Umsatzes in Innovation und Weiterbildung. Dabei stehen wir im Wettbewerb sehr gut da – auch verglichen mit den grossen Namen unserer Branche. Bei den Studienabgängern schaffen wir es regelmässig in die Top 10 der Unternehmen, bei denen sich die Talente zuerst bewerben.
CW: Welche Pläne hat Zühlke für die nähere Zukunft?
Durville: Zwei Themen in unserem Geschäft, die wir aktuell stark vorantreiben, sind Daten & KI sowie Nachhaltigkeit. Ein aktuelles Beispiel für ein laufendes Datenprojekt ist ein globaler Versicherungskonzern, dem wir helfen, eine 360-Grad-Sicht auf seine Kunden zu gewinnen und daraus einen kompetitiven Vorteil zu ziehen.
Im Bereich Nachhaltigkeit wollen wir erstens intern erreichen, dass wir unseren Ressourcenverbrauch besser messen, ausweisen, verringern und kompensieren. In diesem Jahr werden wir klimaneutral sein. Wir wollen aber auch das Geschäft aufbauen, mit dem wir unseren Kunden helfen, selbst ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu erhöhen. Denn bei vielen Unternehmen üben die Investoren vermehrt Druck aus. Zukünftige Waren sollen schon von vornherein nachhaltig entwickelt werden: Hier optimieren wir den Energieverbrauch, die Materialauswahl, das Recycling und weitere Aspekte. Diese Optimierungen reduzieren den ökologischen Fussabdruck über die gesamte Lebensdauer eines Produkts und der Effekt ist somit viel grösser, als wenn lediglich bei der Fertigung angesetzt wird. Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren Fähigkeiten als Innovationsdienstleister einen gewichtigen Beitrag zur Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten können.
Zur Person und Firma
Nicolas Durville bekleidet seit Mitte 2018 den Posten als CEO und ist Partner von Zühlke Schweiz. Parallel ist er Mitglied der Gruppenleitung. Der 50-Jährige ist seit 2010 Mitglied der Geschäfts­leitung und war zuvor als Bereichsleiter, Group CIO sowie Business-Unit-Leiter tätig. Bevor er 2004 zu Zühlke kam, war er in leitenden Positionen bei Cambridge Technology Partner (heute Atos) beschäftigt. Durville hält einen ETH-Abschluss
in Elektrotechnik.
Zühlke wurde 1968 von Gerhard Zühlke gegründet. Das erste Produkt war der beschlagfreie Wegwerfzahnspiegel «Mirodent». 1973 entstand die Abteilung Datentechnik. 1980 erweiter­te der Konzern sein Portfolio um Management-Beratung. Ab 1998 wurden die ersten Niederlassungen im Ausland eröffnet: Die Standorte in Frankfurt und London entstanden. Danach folgte die Expansion nach Asien. Das Unter­nehmen beschäftigte
Ende 2021 weltweit rund 1600 Mitarbeitende. www.zuehlke.com/ch

Dieser Artikel ist im Rahmen der «Top 500»-Sonderausgabe von Computerworld erschienen. Das Heft einschliesslich Ranking lässt sich auf dieser Seite bestellen.



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