Future of Work bei SAP 11.07.2022, 06:17 Uhr

«Flexibles Arbeiten ist nur der Anfang»

Der Software-Hersteller SAP legt auch intern viel Gewicht auf das Thema Future of Work und hat dafür einen neuen Bereich geschaffen, der von Christian Schmeichel verantwortet wird.
Christian Schmeichel soll für SAP das Thema Future of Work end-to-end managen, um so den Mitarbeitenden bestmögliche Erfahrungen zu verschaffen
(Quelle: SAP)
Future of Work ist bei SAP eines der ganz grossen Themen – nicht nur in seiner Business-Software, sondern auch innerhalb des Unternehmens. Computerworld sprach mit dem Chief Future of Work Officer, Christian Schmeichel, über die Zukunft des HR und wie sich SAP dieser Herausforderung stellt.
Computerworld: Herr Schmeichel, was ist ein Chief ­Future of Work Officer?
Christian Schmeichel: SAP hat die Rolle letztes Jahr vor dem Hintergrund der hohen strategischen Relevanz des Themas Future of Work neu geschaffen. Ziel war es, die verschiedenen Themenfelder in einer Verantwortung zu bündeln und das Thema global end-to-end zu managen. Damit können wir Innovation ganzheitlich gestalten, was nicht nur die Menschen und die Prozesse umfasst, sondern auch die Technologie. Wir wollen all diese Dinge ­zusammenbringen und so die bestmöglichen Erfahrungen für unsere Mitarbeitenden schaffen.
CW: Weshalb wird von SAP so viel Gewicht auf dieses Thema gelegt?
Schmeichel: Wichtig ist, dass das Thema Future of Work bei uns nicht neu ist. Schon vor der Pandemie hat die SAP mobiles Arbeiten gefördert und Mitarbeitende haben im Schnitt 2,5 Tage aus dem Home Office gearbeitet. Die Pandemie war jedoch ein starker Katalysator, der die Unternehmen, und auch SAP, dazu bewegt hat, sich im Arbeitskontext nochmals neue Gedanken zu machen: Die nachkommende Generation hat ganz andere Erwartungen an ihre Arbeitgeber, beispielsweise was flexibles Arbeiten, Work-Life-Balance oder auch Sustainability angeht. Ein nachhaltiger Purpose ist für sie häufig fast wichtiger als eine Gehaltserhöhung oder die Weiterentwicklung der ­eigenen Karriere. Sie wollen sich mit dem Unternehmen und seinen Zielen identifizieren können. Gleichzeitig wird der Wettbewerb um die besten Talente immer intensiver. Die Unternehmen müssen sich deshalb etwas einfallen lassen, um diese zunächst für sich zu gewinnen und anschliessend zum Bleiben zu motivieren.

SAP-interne Umsetzung

CW: Wie will SAP das intern umsetzen?
Schmeichel: Während der Pandemie haben wir in Mit­arbeiterumfragen gelernt, dass die grosse Mehrheit un­serer Belegschaft weiterhin flexibel arbeiten möchte. SAP hat sich für ein hybrides Arbeitsmodell entschieden, das wir «Pledge to Flex» nennen. Dieses ist ein Versprechen des Unternehmens an unsere rund 100 000 Mitarbeitenden weltweit, um auch nach der Pandemie flexibel arbeiten zu können, in einem Mix aus Home Office und Arbeiten im Büro. Wir sehen beides als sehr wertvoll an, aber ein hybrides Setup heisst eben auch, dass ein Teil der Leute vor Ort und der andere Teil remote arbeitet. Dies muss das Unternehmen natürlich bestmöglich unterstützen. Das verlangt auch von den Führungskräften, dass sie sich weiterentwickeln: Einerseits benötigen sie ein modernes Führungsverständnis und müssen mit flachen Hierarchien umgehen können, andererseits müssen sie mehr Selbstverantwortung und Selbstorganisation ins Team bringen. Gleichzeitig sind aber auch die Mitarbeitenden gefordert, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Mit mehr Freiheit geht immer auch ein Mehr an Verantwortung einher.
“Modernes HR ist keine reine Backoffice-Funktion mehr, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor„
Christian Schmeichel
CW: Wie wird das softwareseitig unterstützt?
Schmeichel: Die erste Dimension sind die Kommuni­kation bzw. Kollaboration-Tools, die zweite unsere FlexConnect App für die digitale Arbeitsumgebung. Die dritte Dimension sind unsere SAP-Standardlösungen, die wir auch selbst nutzen, um New Work im Unternehmen zu leben. Da gibt es beispielsweise unsere «Success Factors»-Lösung für den Bereich Human Experience Management, mit der sich Standard-HR-Prozesse in einer neuen Arbeitswelt abbilden lassen. Dazu gehört auch «SAP Fieldglass», unsere Software für Contingent Workforce, also die Gelegenheitsarbeit von sogenannten Gigworkern, die keinen festen Arbeitsvertrag haben, sondern temporär für uns arbeiten.
CW: Weshalb ist Letzteres wichtig?
Schmeichel: Die Software-Industrie ist sehr schnelllebig und setzt daher auf agile Ansätze zur Entwicklung neuer Applikationen und kompletter Geschäftslösungen. In ­diesem Umfeld gibt es immer wieder Aufgabenfelder, die spezielles Fachwissen erfordern, das intern kurzfristig nicht zur Verfügung steht. Der Ansatz der «Contingent Workforce» eignet sich hervorragend, um diese Lücke schnell und projektorientiert zu schliessen. Zudem sehen wir, dass künftige Generationen flexible Arbeitsverträge erwarten, um ihre Fähigkeiten in diversen Projekten anzuwenden und sich bei Bedarf flexible Auszeiten nehmen zu können.
CW: Soll das den persönlichen Kontakt ersetzen?
Schmeichel: Nein, auf gar keinen Fall. Wir glauben ganz fest daran, dass die Zukunft der Arbeit zumindest in ­unserem Unternehmen ein hybrides Arbeitsmodell ist. Das bedeutet mehr Flexibilität für alle, um zu entscheiden, wann, wo und wie man am besten arbeitet. Wir sehen weiterhin im persönlichen Kontakt einen grossen Mehrwert, schliesslich sind wir alle soziale Wesen. Das sehen unsere Mitarbeitenden übrigens genauso. Dazu muss man aber nicht mehr fünf Tage die Woche im Büro arbeiten, vielmehr kommt es auf den richtigen Mix an.

Wandel beim Führungsverständnis

CW: Gehört für SAP noch mehr zu New Work als nur ­flexible Arbeitsmodelle?
Schmeichel: Flexibles Arbeiten ist nur der Anfang un­seres Verständnisses von New Work. Die Leute wollen auch anders, moderner arbeiten. Das fängt damit an, dass ­Führungskräfte mehr Verantwortung in ihre Teams geben und dass gemeinsame Teamentscheidungen gefällt ­werden. Das bedingt ein modernes, agiles Führungsverständnis. Die Führungskräfte müssen entsprechend dafür geschult werden.
CW: Welche Bereiche betrifft das?
Schmeichel: Wenn wir mal das ganz grosse Bild zeichnen, gibt es drei Dimensionen bei Future of Work. Die eine ist Future of Workforce, die strategische Personalplanung: ­Es geht nicht nur um Jobformate, sondern eher um Skills, die beispielsweise auf internen Marktplätzen angeboten und projektorientiert eingesetzt werden. Das macht alles ein wenig freier und agiler, bedingt aber als weitere ­Dimension neue People- und Workplace-Konzepte: Man muss anders rekrutieren, onboarden, vergüten und weiterbilden. Das ganze Thema Personalarbeit wird sich neu entwickeln, mit neuen Themenfeldern, wie zum Beispiel Knowledge Management, Gesundheitsmanagement oder Sustainability respektive nachhaltiges Personalmanagement. Mittels Technologien und Daten lassen sich innovative Personal-Practices heute neu und anders gestalten. Die moderne Personalarbeit nutzt dafür zudem immer mehr Zahlen, Daten und Fakten, die wir beispielweise mit unserer Experience Management Software «Qualtrics» erheben.
CW: Und die dritte Dimension?
Schmeichel: Das Thema Future of HR selbst, also die ­Zukunft der Personalabteilung. HR muss den Transformationsprozess unterstützen und die Führungskräfte dabei begleiten, indem es beispielsweise die Mitarbeitenden schult, als Coach zur Verfügung steht oder mittels datengestützter Personalarbeit bessere Entscheidungen ermöglicht. Modernes HR ist keine reine Backoffice-Funktion mehr, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor. Das ­alles bedingt neue Qualifikationsprofile im Personal­bereich wie etwa Digital HR.
CW: Das geht aber nicht einfach so über Nacht …
Schmeichel: Diese ganzheitliche Agenda umzusetzen, ist ein mehrjähriger Transformationsprozess. Zur Future-of-Work-Organisation bei SAP gehören zum Beispiel sehr ­unterschiedliche Bereiche wie das globale Gesundheits­management und Workforce Planning. Da gibt es sowohl HR-Experten als auch Mitarbeitende, die historisch gar nicht im Personalbereich gearbeitet haben, sondern andere strategische Qualifikationen mitbringen und sich die HR-Expertise dann zusätzlich aneignen. Die Kombination der Fähigkeiten macht hier den Erfolg aus. Auch wenn wir gerade erst mit unserer Transformation angefangen haben und es sehr gut läuft, wird es sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wichtig ist, dass alle mit Begeisterung dabei sind und die Veränderungen mitgestalten.
Zur Person
Christian Schmeichel
ist seit August 2021 Chief Future of Work Officer bei SAP. Der Senior Vice President arbeitet bereits seit 2007 in verschiedenen Führungsfunktionen für das Software-Unternehmen, unter anderem als COO Global Human Ressources, als Head of HR for Technology & Innovation oder als Head of HR Strategy. Vor seinem Wechsel zu SAP war der promovierte Di­plom-Kaufmann Strategieberater bei Consart.



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