Top 500 – Spartenranking 05.09.2022, 06:39 Uhr

Gut durchgebissen

Auch 2021 haben die einzelnen Sparten der Schweizer ICT-Branche grundsätzlich von den Megatrends New Work, Cloud und Virtualisierung profitieren können. Unterschiede gibt es beim Ausmass und Tempo.
Wer beisst sich durch? Joel Wicki (oben) und Mike Müllestein beim Luzerner Kantonalen Schwingfest 2022
(Quelle: Keystone Urs Flüeler)
Die Aufholjagd nach der Corona-Krise hat 2021 begonnen, allerdings nicht in allen Sparten der Schweizer Informations- und Kommunikations-Technologie-Branche (ICT) gleich ausgeprägt. So konnten die von Computerworld erfassten umsatzstärksten ICT-Unternehmen der Schweiz zwar insgesamt 2021 gegenüber 2020 um 6,3 Prozent wachsen und damit ein historisch gesehen überdurchschnittliches Plus verzeichnen. Es gab aber auch Sparten, die noch besser performten. So konnten PC-Hersteller, die Software-Branche und die Halbleiter-Industrie sowie die Netzwerk-Ausrüster zweistellig zulegen. Hier lassen die Konsolidierungsphase in Sachen Bereitstellung von Remote-Arbeitsplätzen und das boomende Cloud-Geschäft grüssen. Dagegen war die Luft bei den Peripherie-Anbietern wieder etwas draussen. Sie konnten das phänomenale Wachstum von 2020, als diese Sparten-Erlöse um 12,9 Prozent zulegen konnten, nicht wiederholen und steigerten sich 2021 «nur» noch um 7,6 Prozent. Offenbar hat der Bedarf an Druckern und Webcams nach der ersten Heimbüro-Einrichtungsphase nachgelassen. Besonders kräftig, und zwar um 18,5 Prozent, ist derweil das Geschäft mit Cybersecurity gestiegen.
Das Server-Business ist allerdings geschrumpft. Dies hat damit zu tun, dass einerseits wichtige Player wie Huawei Federn lassen mussten, andererseits dass bei Firmen wie HPE und IBM der Verkauf von physischen Servern immer mehr durch das Angebot von Server-Dienstleistungen ersetzt wird. Richtig leiden unter den Folgen der Corona-Massnahmen musste letztes Jahr dagegen der Bereich Schule und Ausbildung. Die Umsätze sanken hier um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dass es den Bildungsinstituten nicht ganz so bös ergangen ist wie im Jahr zuvor, als ein Minus von 11,2 Prozent zu verzeichnen war, ist wohl hauptsächlich dem Umstand zuzuschreiben, dass einerseits einer der Player, nämlich WISS, sich im Berichtsjahr mit den KS Kaderschulen zusammengeschlossen hat, andererseits das Online-Schulungsformat doch auch mehr Akzeptanz gefunden und einen Teil der fehlenden Möglichkeiten zum Präsenzunterricht aufgefangen hat.

Auftragsbücher gut gefüllt

Auch das laufende Jahr dürfte der ICT-Branche gute Umsätze bescheren. Denn die von Computerworld befragten umsatzstärksten Unternehmen gaben auf die Frage nach der aktuellen Auftragslage mehrheitlich (53,2 %) zu Protokoll, dass diese besser sei als im Vorjahr. 42,3 Prozent meinten, dass sie sich ungefähr auf dem gleichen Niveau wie 2021 bewegt. Nur gerade 3,4 Prozent wiesen darauf hin, dass die Auftragslage 2022 schlechter sei als im Vorjahr. Damit scheinen die heimischen ICT-Unternehmen heuer leicht besser dazustehen als vor einem Jahr. Damals gaben mit 51,7 Prozent leicht weniger Firmen zu Protokoll, dass die Auftragslage besser sei als im Vorjahr.
Dabei scheinen die grösseren Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden prallere Auftragsbücher zu haben als der Durchschnitt. Von diesen gaben nämlich 58,5 Prozent an, dass die Auftragslage besser sei als im Vorjahr. Dagegen meinten nur 45,2 Prozent der mittelgrossen Unternehmen, eine bessere Auftragslage als 2021 zu haben. Die kleinen Firmen bewegen sich dagegen im Durchschnitt.
Allerdings muss wohl bei all diesen Angaben mit­berücksichtigt werden, dass seit der Durchführung der Computerworld-Umfrage im Frühjahr 2022 gemäss dem Stimmungsbarometer des Branchenverbands Swico die Unsicherheit in der ICT-Industrie gestiegen ist. Denn der «Swico ICT Index», der die drei Indikatoren «erwartete Umsatzveränderung», «erwartete Veränderung des Auftragseingangs» sowie die «erwartete Veränderung der Rentabilität» berücksichtigt, ist im dritten Quartal um 9,8 Punkte auf 114,5 Punkte gefallen. Trotz dieses Rückgangs bewegt sich der Index gemäss Swico nach wie vor «komfortabel über der Wachstumsgrenze». Dennoch sei in der Tendenz nun doch eine gewisse Besorgnis über die Entwicklung der geopolitischen Lage erkennbar und dementsprechend Zurückhaltung bei den Wachstums­prognosen der Branche, gibt der Verband zu bedenken.

Telekommunikation

Bewegte Zeiten erlebt derweil der Telekommunikationsmarkt in der Schweiz. Wichtigstes Ereignis ist hier sicherlich der nun vollendete Zusammenschluss von Sunrise und UPC, der sich nun auch im Unternehmensnamen niederschlägt. Nach einem Intermezzo als «Sunrise UPC» ist der Provider nun wieder zum schlichten «Sunrise» zurückgekehrt und hat den Merger einschliesslich Integrationsleistung mit einem Umsatzplus von 0,5 Prozent garniert. Ein Blick in die Bilanz des nun über 3 Milliarden Franken schweren Telekom-Dienstleisters zeigt, dass der B2B-Bereich (Business-to-Business) an Gewicht gewinnt. Zumindest konnte Sunrise hier um doch 3,7 Prozent wachsen und 552,3 Millionen Franken umsetzen, während der Umsatz bei den Privatkunden sowohl im Festnetz- als auch im Mobilfunk-Bereich Federn lassen musste, und zwar um 2,0 respektive 1,9 Prozent.
Über Umsatzwachstum konnte sich auch Swisscom freuen. Der Riese konnte die Erlöse um 0,7 Prozent steigern. Allerdings verdankt Swisscom auch heuer das gute Ergebnis dem kräftigen Wachstum der italienischen Tochter Fastweb. Im Heimmarkt musste der Telko-Krösus nämlich auch 2021 Federn lassen, und zwar um 0,2 Prozent. Besonders negativ war dabei die Entwicklung bei den Telekom-Diensten, die umsatzmässig um 3,3 Prozent nachliessen. Dagegen wuchs das Lösungsgeschäft um 5,0 Prozent.
Am komfortabelsten zulegen konnte dagegen der drittgrösste Schweizer Telko Salt. Mit einem Plus von beachtlichen 3,6 Prozent auf 1047,4 Millionen Franken konnte sich die Firma nun sicher als Umsatzmilliardär etablieren.

Stabiler Mobilfunkmarkt

Die Fusion von Sunrise mit UPC hat zwar Swisscom einen ernst zu nehmenden Konkurrenten beschert. Allerdings habe sich bezüglich der Kundenzahl im gesättigten Mobilfunkmarkt 2021 wenig verändert, wie die Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom in ihrem Tätigkeitsbericht 2021 schreibt. Gemäss Angaben der Behörde lag Ende 2021 der Marktanteil von Swisscom bei rund 58 Prozent, jener von Sunrise bei 24 Prozent und jener von Salt bei 17 Prozent.
“Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig stabile Telekommunikations­dienste für die Wirtschaft und Gesellschaft sind„
André Krause, Sunrise
Veränderungen gab es dagegen in der Nutzung der Mobilfunknetze. Wie die ComCom zusammenfasst, hat trotz der Verlagerung eines Teils des Internetverkehrs auf die Festnetze der mobile Datenverkehr in der Schweiz in den Jahren 2020 und 2021 weiter zugenommen. Beispielsweise habe sich auf dem Mobilfunknetz von Swisscom ­allein im Jahr 2021 das Volumen der übertragenen Daten um 13 Prozent und im Laufe der letzten neun Jahre um das 57-Fache erhöht, wie die ComCom weiter ausführt. Auch bei Sunrise wird diesbezüglich ein grosses Wachstum registriert. Nach eigenen Angaben verzeichnet das Unternehmen derzeit eine Verdoppelung des Daten­verkehrs alle 16 Monate.
Die Verbreitung von 5G dürfte dieses Wachstum weiter befördern. Gemäss den Betreibern ist das Land schon gut versorgt. So wies Swisscom Ende 2021 eine Abdeckung von 98 Prozent der Bevölkerung auf und Sunrise von 96 Prozent. Gleichzeitig werden immer wieder Rekorde in Sachen Übertragungsgeschwindigkeit gebrochen.

Veränderungen im Breitbandmarkt

Während die Auswirkungen der Sunrise-UPC-Fusion im Mobilfunkmarkt gering sind, werden im Breitbandmarkt die Karten ziemlich neu gemischt. Gemäss Angaben der ComCom bleibt aber auch hier Swisscom weiterhin Marktführer. Ende 2021 verfügte der «Blaue Riese» in diesem Bereich über einen Marktanteil von 49,5 Prozent. Die mit UPC fusionierte Sunrise hält nun 28,5 Prozent, wobei 2020 Sunrise allein 13,1 Prozent und UPC deren 15,6 Prozent hielt. Der Anteil der anderen Kabelnetzbetreiber betrug gemäss ComCom-Angaben 13 Prozent, wobei hier die 4 Prozent des Anteils von Quickline eingerechnet sind. Die Telekommunikationsspezialistin Salt wiederum erreichte im Breitbandmarkt einen Anteil von 4 Prozent.
Die Anbieter buhlen dabei in einem hart umkämpften Markt. Denn was den Ausbaustand anbelangt, ist die Schweiz im internationalen Vergleich das Land mit der höchsten Dichte an Festnetz-Breitband-Abonnements pro 100 Einwohner. 48,4 Stück errechnet die OECD in diesem Zusammenhang. Damit liegt die Schweiz weit über dem OECD-Durchschnitt von 34,4 und vor Ländern wie Frankreich mit 46,1, Norwegen mit 44,9 und Deutschland mit 44,3 Abos pro 100 Einwohnern.
“Wir sprechen mit unseren Kunden vermehrt über das ‹How›, nicht mehr über das ‹Why› von Digitalisierungsvorhaben„
Urs Lehner, Swisscom
Dies ist nicht nur positiv für die wirtschaftliche und digitale Weiterentwicklung des Landes, es fördert auch die Resilienz. «Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig stabile Telekommunikationsdienste für die Wirtschaft und Gesellschaft sind», kommentiert in diesem Zusammenhang Sunrise-CEO André Krause. «Die Schweizer Bevölkerung konnte sich im Privat- und Geschäftsbereich auf eine hervorragende Telekommunikationsinfrastruktur verlassen», doppelt er nach.
Allerdings gibt es auch noch Baustellen. So harzt es in der Schweiz noch bezüglich Glasfaserversorgung. Die knapp eine Million genutzten Glasfaseranschlüsse entsprachen Ende 2021 knapp 24 Prozent der Breitbandanschlüsse in der Schweiz. Hier liegt unser Land im internationalen Vergleich im Rückstand. Zum Vergleich: Die OECD-Länder weisen durchschnittlich eine Glasfaserpenetration von über 32 Prozent auf. Weit entfernt ist unser Land somit von Staaten wie Litauen mit einem Glasfaseranteil von 77 Prozent, Spanien mit 76 Prozent und Schweden mit 76 Prozent.
In diesem Zusammenhang könnte auch der Streit zwischen der Wettbewerbskommission (WEKO) und Swisscom Auswirkungen auf den weiteren Glasfasernetzausbau haben. Die Kommission hatte nämlich den Glasfaserausbau mit dem von Swisscom bevorzugten Einfasermodell oder Punkt-zu-Multipunkt-Ansatz gestoppt. Dieses behindert gemäss WEKO und den Beschwerdeführern den Wettbewerb. Es drohe ein Monopol, wenn nicht nach dem Punkt-zu-Punkt-Verfahren vier Fasern pro Haushalt verlegt werden müssen. Obwohl der Rekurs von Swisscom gegen den WEKO-Entscheid sogar vor Bundesgericht abgeblitzt ist, will man sich seitens des Telekom-Riesen weiter um eine Einigung bemühen. Wann diese aber erzielt werden kann, ist offen.
In der Zwischenzeit ist der Ausbau zwar noch im Gange, aber doch behindert. «Viele Projekte mussten auf Eis gelegt werden oder können nicht wie gewünscht umgesetzt werden», erklärt Urs Lehner, Leiter Business Customers bei Swisscom, gegenüber Computerworld. Und wie Christoph Aeschlimann, frischgebackener CEO von Swisscom, Anfang 2022 an der Bilanzmedienkonferenz, damals noch in der Funktion als Chief Technology and Information Officer, darlegte, sei das Erreichen des Ziels, bis 2025 gut 60 Prozent FTTH-Abdeckung (Fiber to the Home) zu haben und somit gut 1,5 Millionen mehr Haushalte und Geschäfte gegenüber 2019 mit Glasfasern zu verbinden, nur mit P2MP möglich. Mit P2P könnte man bis dann lediglich 50 Prozent Abdeckung erreichen, so Aeschlimann. Eine halbe Million der ursprünglich geplanten Wohnungen und Geschäfte in primär ländlichen Regionen würden ihm zufolge nicht vom Ausbau profitieren. «Die P2MP-Architektur kommt vor allem ländlichen Regionen zugute und verhindert einen Stadt-Land-Graben», ist Aeschlimann daher überzeugt.

ICT-Dienstleister

Eine gute Basis für die fortschreitende Digitalisierung ist somit in Sachen Infrastruktur trotz möglicher Behinderungen und Rückschläge gelegt. «Wir sprechen mit unseren Kunden vermehrt über das ‹How›, nicht mehr über das ‹Why› von Digitalisierungsvorhaben», gibt Swisscoms Lehner die Grundstimmung im Land wieder.
Eine grosse Rolle spielen hier die ICT-Dienstleister. Und eines der virulentesten Themen in diesem Bereich ist die Adaption von Cloud Computing durch Schweizer Firmen. Wie der Branchenverband Swico in seiner «House View 2022» aufführt, investieren die befragten eigenen Mitglieder mit 30 Prozent am meisten in die Cloud, wenn auch zwei Prozentpunkte weniger als im letzten Jahr. Auch was die laufenden Projekte anbelangt, mischen Cloud-Vorhaben mit 24 Prozent ganz vorne mit und werden nur von Projekten im Bereich digitale Plattformen, also der Bereitstellung von Online-Marktplätzen für Produkte und Dienstleistungen, mit einem Anteil von 26 Prozent überholt. Besonders aktiv in Sachen Cloud-Projekten sind einmal mehr die Finanzdienstleister und Versicherungen. In dieser Branche finden mit 15 Prozent die meisten Cloud-Projekte statt, was einem erneuten Anstieg um einen Prozentpunkt gleichkommt. Eine weitere Branche mit erhöhtem Projektvolumen ist die öffentliche Verwaltung inklusive Erziehung/Unterricht mit 12 Prozent (plus zwei Prozentpunkte gegenüber 2021) am Gesamtvolumen.
Mit ein Grund für diese landesweite «Züglete» der IT-Ressourcen in die Daten- und Rechenwolke ist zweifelsohne der Tatsache zuzuschreiben, dass bald alle Cloud-Grossanbieter physisch auf helvetischem Territorium Server-Farmen betreiben. Nachdem sich die Hyperscaler Google, Microsoft und Oracle hierzulande schon seit einiger Zeit betätigen, wird nun auch Amazon Web Services (AWS) dazustossen, und zwar mit der Lancierung der «AWS Europe (Zurich)»-Region in der zweiten Jahreshälfte 2022. Derweil wird kräftig weiter in den Cloud-Standort Schweiz investiert. Zuletzt hat Microsoft am Zürcher Flughafen das «Microsoft Technology Center» eröffnet und parallel dazu mit «Innovate Switzerland» eine Community aus Kunden und Partnern gegründet, die sich in erster Linie an Mieter in Microsofts Schweizer Rechenzentren wendet.
Wie weit die Schweiz in Sachen Cloud-Verbreitung schon fortgeschritten ist, hierzu gibt es bei den von Computerworld angefragten Industrievertretern zum Teil unterschiedliche Auffassungen. Für viele von ihnen ist die Schweiz als Cloud-Land auf gutem Weg. «Noch einmal beschleunigt durch die Pandemie, wurde die Cloud praktisch zum neuen Rechenzentrum», meint Christopher Tighe, Geschäftsführer von Cisco Schweiz. «Unternehmen betreiben geschäftskritische Applikationen in Umgebungen, die nicht ihnen gehören. Wir bei Cisco sind der Meinung, dass eine hybride, Multi-Cloud- und App-zentrierte Infrastruktur zum De-facto-Standard für den Betrieb der IT geworden ist», konstatiert er.
Auch Marc Holitscher, National Technology Officer von Microsoft Schweiz, attestiert den helvetischen Nutzern einen hohen Reifegrad. «Die Cloud hat sich als Innovationsplattform etabliert. Dies zeigt sich daran, dass Unternehmen zusehends geschäftskritische Anwendungen und Daten auslagern», sagt er. «Aber auch betreffend Nutzungskompetenz ist die Maturität heute eine andere: Unsere Kunden verstehen, dass eine Cloud-Transformation ganzheitlich gedacht werden muss», fügt Holitscher bei und ergänzt: «Neben technischen Veränderungen müssen kulturelle und organisatorische Faktoren berücksichtigt werden. Beispielsweise was das Rollenverständnis des CIOs oder die Verortung seines Bereichs in der Firmenstruktur betrifft.» Ebenso sei heute das Bewusstsein bei Verwaltungsräten und in Geschäftsleitungen gegeben, dass moderne Technologien für den künftigen Unternehmenserfolg absolut strategische Bedeutung hätten, konstatiert Holitscher.
“Unternehmen, die bereits Cloud-Services genutzt haben, konnten ihre Umgebungen viel besser skalieren, betreiben und auch innovieren„
Christoph Schnidrig, AWS
Für Roger Semprini, Managing Director von Equinix Schweiz, wird die Schweiz daher immer mehr zum «Cloud-Land», nicht zuletzt, da die grossen Cloud-Anbieter immer mehr Fuss fassen können. «Folgerichtig müssen sie sich in einem der lokalen Data Center einmieten», gibt er mit Blick auf die eigene Tätigkeit zu bedenken. Daher werde die Schweiz als Rechenzentrums-Standort immer beliebter, so Semprini weiter, und spricht von unserem Land diesbezüglich als «Safe Haven».
Defizite bei der Cloud-Adaption sieht dagegen Christoph Schnidrig, Solutions Architect Manager bei AWS in der Schweiz. Zwar spricht auch er davon, dass Cloud-Services der grösste Paradigmenwechsel in der IT seit Einführung des Internets seien. «Wir befinden uns mitten in einem fundamentalen Wandel und der Markt in der Schweiz steht verglichen zum Ausland relativ am Anfang», gibt er zu bedenken. «Viele Firmen planen ihren Schritt in die Cloud, während andere, typischerweise Grossfirmen, bereits in grossen Migrationen stecken», meint Schnidrig.
In jedem Fall bringt der Einsatz von Cloud-Services eine gewisse Flexibilität. «Während der Pandemie wurde offensichtlich, wie viel besser und einfacher die Unternehmen, die bereits Cloud-Services genutzt haben, ihre Umgebungen skalieren, betreiben und auch innovieren konnten», berichtet Schnidrig und nennt als Beispiel den Reiseanbieter TUI. Dieser habe seine plötzlich ungenutzten Ressourcen flexibel herunterfahren und die Hälfte seiner IT-Infrastrukturkosten sofort einsparen können, führt Schnidrig aus. «Andere hingegen, wie das Bundesamt für Gesundheit, waren sofort in der Lage, unsere Cloud-Services zu nutzen und zu skalieren, um den Anfragen auf ihrer Webseite oder in der Covid-App standhalten zu können», bringt er als Gegenbeispiel.

Software

Digitalisierung, Virtualisierung und Cloud Computing brauchen vor allem eines: Software. Und in diesem Bereich sind internationale Firmen mit Sitz in der Schweiz und lokale Entwickler sehr erfolgreich. So gehört der Bereich Software unter den Top-500-Firmen traditionell zu den am schnellsten wachsenden Bereichen. Hier konnten die Umsätze um über 14 Prozent gesteigert werden. Und die Arbeit wird den entsprechenden Firmen wohl so schnell nicht ausgehen. Schliesslich müssen die vielen Daten, die mittlerweile gesammelt werden, nutzbar gemacht und für die effiziente Weiterentwicklung des eigenen Geschäfts verwendet werden. «Data Analytics» ist in diesem Zusammenhang das Stichwort. «Es steckt sehr viel Wert in den Firmendaten. Man ist immer noch daran, dieses Potenzial voll auszuschöpfen, Silos aufzubrechen und diese Daten für eine zusätzliche Wertschöpfung zu nutzen», meint etwa Florian Koeppli, Country Sales Director von Nutanix Schweiz.
“Es steckt sehr viel Wert in den Firmendaten„
Florian Koeppli, Nutanix
Dies sieht Peter Lenz, Managing Director von T-Systems Alpine, ähnlich: «Den Unternehmen wird immer mehr bewusst, dass es im ‹Digital Age› nicht mehr nur darum geht, wie Unternehmen schnell zu mehr Ressourcen kommen, sondern wie aus den Bits und Bytes aussagekräftige Informationen gewonnen und darauf basierend in kürzester Zeit innovative digitale Geschäftsapplikationen oder modelle ausgerollt werden können.»
Eine Industrie, die hier besonders fleissig ist, ist – wie schon bei den Cloud-Projekten (siehe oben) – die Finanz- und Versicherungsbranche. Hier wird emsig an der Digitalisierung der Schnittstelle zur Kundschaft gearbeitet. «Wir sind überzeugt, dass in beiden Branchen die ‹Applikatisierung› weiter voranschreiten wird, sodass die Kundinnen und Kunden ihre Bank- und Versicherungsgeschäfte komfortabler abwickeln können», berichtet Pascal Keller, CEO von Inventx. Eine nachhaltige Entwicklung offenbar. «Beide Branchen sind experimentierfreudiger geworden und probieren sich in neuen Zielgruppenansprachen, die man zum Teil nur noch digital erreicht oder erreichen wird», sagt Keller und nennt als Beispiel die digitale Sackgeld-App DB4Kids, die Inventx gemeinsam mit der St. Galler und der Graubündner Kantonalbank entwickelt hat. «Die heutige junge Generation wird, wenn sie ins Berufsleben einsteigt, bereits eine völlig neue Art von Banking erleben – digitaler, umfassender, personalisierter, komfortabler und ‹gamifizierter›», fügt Keller an.
Ein weiteres Thema, das die Software-Branche bewegt, ist die Virtualisierung. «Wir stellen fest, dass sich mit der Containerisierung nicht mehr nur Grosskonzerne mit riesigen IT-Teams auseinandersetzen, sondern auch der Mittelstand», berichtet Richard Zobrist, Country Manager von Red Hat Schweiz. «Parallel dazu steigt das Bewusstsein für die Sicherheit in diesem Bereich, sodass uns derzeit viele Fragen zum Thema Container-Security erreichen», konstatiert er.

Hardware

Eine der Branchen, die auch 2021 noch vom Home-Office-Boom profitieren konnte, waren zweifelsohne die Hardware-Hersteller. Zwar blieben die fantastischen Mehreinnahmen der Lockdown-Phase 2020 weg, als Knall auf Fall plötzlich viele Mitarbeitende die heimische Infrastruktur auf- und nachrüsten mussten. Allerdings verzeichneten auch 2021 die in den Top 500 erfassten PC-Hersteller insgesamt ein Umsatzwachstum von 11,5 Prozent. Auch die Peripherie-Hersteller konnten mit einem Plus von 7,6 Prozent nochmals ordentlich wachsen.
Es ist somit eine Konsolidierungsphase für die Bereitstellung von Home-Office- und Remote-Office-Infrastruktur zu beobachten. Und dass das Heimbüro in der Schweizer Arbeitswelt einen festen Platz erobert hat, zeigt die Untersuchung «Auswirkungen der Corona-Krise auf die Digitalisierung und Cybersicherheit in Schweizer KMU» des Markt- und Sozialforschungsunternehmens GFS-Zürich.
“Das Büro ist heute mehr denn je Ort der Begegnung. Konzentriertes Arbeiten wird zunehmend ins Home-Office verlegt„
Adrian Müller, HP
Gemäss der Studie, die Ende 2021 veröffentlicht wurde, arbeiteten vor dem Lockdown im Frühling 2020 lediglich 10 Prozent der Mitarbeitenden hauptsächlich von zu Hause aus, nach dem Lockdown waren es dann 16 Prozent. Nach der Home-Office-Pflicht vom Januar bis Juni 2021 waren es dann bereits 20 Prozent, also doppelt so viele wie vor der Krise. Allerdings sank diese Zahl auch wieder nach Beendigung der Massnahmen Anfang 2022 auf 12 Prozent, wie eine Nachuntersuchung von GFS im Frühjahr 2022 ergab. Es ist also durchaus auch eine gewisse Home-Office-Müdigkeit zumindest bei den KMU zu konstatieren.
Allerdings scheinen sich Sinn und Zweck des Büros geändert zu haben, wie Adrian Müller, Managing Director von HP Schweiz, beobachtet. «Hybride Arbeits­-modelle – in einigen Bereichen bisher undenkbar – sind etabliert. Das Büro ist heute mehr denn je Ort der Begegnung. Konzentriertes Arbeiten wird zunehmend ins Home Office verlegt», berichtet er. All dies habe einen immensen Einfluss auf den Bedarf an IT-Hardware und Software-Lösungen, fügt er an. Zudem weist Müller auf eine weitere «Baustelle» in der neuen Arbeitswelt hin: «Oft vergessen: die Ausstattung von Konferenzräumen. Sie müssen in Zukunft hybride Mitarbeitende ebenso integrieren wie die Anwesenden.»
Somit geht der ICT-Branche diesbezüglich auch 2022 die Arbeit nicht aus. Einerseits sei die Ausstattung der Mitarbeitenden im Home Office noch lange nicht abgeschlossen. Andererseits stehen auch Erneuerungen an. «Mittelfristig rechnen wir zudem mit einem Migrationsschub von Unternehmen und Behörden auf die neue Windows-11-Plattform», ergänzt Müller.

Netzwerke

Die Megatrends der Branche wie Home Office, Digitalisierung und Cloud Computing sind auf eine stabile Netzwerkinfrastruktur auch innerhalb der Unternehmen angewiesen. Und selbst die wegen der grossen Komplexität eher zu traditionellen Praktiken neigende Branche öffnet sich zunehmend Konzepten, die bereits in anderen Bereichen der IT Usus sind.
“Noch einmal beschleunigt durch die Pandemie, wurde die Cloud praktisch zum neuen Rechenzentrum„
Christopher Tighe, Cisco
So macht derzeit das Konzept des «Network as a Service» (NaaS) die Runde. «Wir erwarten einen Trend hin zu Network as a Service – auch in der Schweiz», gibt denn auch Ciscos Tighe zu Protokoll. «Das As-a-Service-Modell hat sich bereits in Bereichen wie Software, Cloud und Unified Communications bewährt», führt er weiter aus. «Ohne Zweifel wird dieses Modell auch die Art und Weise prägen, wie künftig Netze eingesetzt werden», konstatiert er.
NaaS dürften zudem der Networking-Szene in den nächsten Jahren einen bedeutenden Schub verleihen. Wie Cisco im hauseigenen «2022 Global Networking Trends Report» ausführt, wird die Annahme von NaaS bis 2027 durchschnittlich um jährlich 40,7 Prozent zunehmen.

Security

Professionalisierung und Outsourcing liegen auch in Sachen Cybersecurity im Trend – und zwar sowohl auf der Seite der Hacker als auch bei den Herstellern und Dienstleistern, die zur Verbesserung der IT-Sicherheit bei Unternehmen sorgen. «Bei den Cyberattacken geht der Trend hin zu einer noch stärkeren Professionalisierung der Angreifergruppen sowie Ransomware as a Service», berichtet etwa Thomas Meier, CEO von InfoGuard, in Bezug auf die jüngste Vergangenheit. «Zudem zeigten beispielsweise Log4j oder die Exchange-Schwachstelle eindrücklich, dass eine einzige Sicherheitslücke gravierende Folgen für sehr viele Unternehmen haben kann», weiss er.
“Die Awareness gegenüber Cyberrisiken ist gestiegen, sodass sie nun ein eigenes Traktandum in allen Geschäftsleitungen sind„
Alvaro Amato, Check Point
Die Situation führt dazu, dass immer mehr Firmen für die Gewährleistung der eigenen IT-Sicherheit auf fremde Hilfe angewiesen sind – was bei den entsprechenden Providern für volle Auftragsbücher sorgt. Nicht umsonst wächst diese Branche auch innerhalb von Computerworlds Top-500-Ausmarchung umsatzmässig am stärksten. 2021 legten die Erlöse der Security-Firmen um 18,5 Prozent zu.
Von der Nachfrage nach externen IT-Security-Spezialisten profitieren dabei besonders die Betreiber entsprechender Einrichtungen. «Im vergangenen Jahr nahm vor allem die Nachfrage nach Diensten aus unserem Security Operations Center zur Erkennung und Reaktion auf Cyberattacken stark zu», berichtet Urs Rufer, CEO von terreActive.
Die zunehmende Bedrohung aus dem Cyberspace sowie die Professionalisierung der Angreiferszene hat immerhin auch eine gute Seite. Offenbar sind viele Unternehmen aufgewacht und haben die Dringlichkeit von Massnahmen zum Schutz erkannt. «Die Awareness gegenüber Cyberrisiken ist gestiegen, sodass sie nun ein eigenes Traktandum in allen Geschäftsleitungen sind – aber nicht nur dort, die Frage nach Sicherheit beschäftigt nun auch in den Etagen der Verwaltungsräte», stellt deshalb Alvaro Amato, Country Manager Schweiz von Check Point Software Technologies, fest.

Verkauf und Distribution

Erneut auf ein gutes Jahr können die Händler und Distributoren zurückblicken. Allerdings scheint der Corona-Goldrausch im Jahr 2020 doch etwas der Vergangenheit anzugehören. Dies zeigt sich auch bei den Umsatzzuwächsen der in diesem Bereich tätigen Top-500-Firmen. Im Bereich Verkauf und Distribution legten die gemeinsam erwirtschafteten Erlöse nur noch um 2,7 Prozent zu. Zum Vergleich: 2020 registrierte diese Sparte ein Plus von 9,2 Prozent.
Grund hierfür ist unter anderem auch, dass die Wachstumsraten im Online-Handel etwas nachgelassen haben. Dies zeigt zumindest die Gesamtmarkterhebung von Handelsverband.swiss, GfK und der Schweizerischen Post. Konnte der Online-Handel in der Schweiz 2020 noch um sagenhafte 27,2 Prozent zulegen, lag das Wachstum für 2021 «nur» noch bei 9,9 Prozent. Dabei zeigt sich auch, dass das Wachstum vor allem auf eine 11,6-prozentige Zunahme im Online-Inlandkonsum zurückzuführen ist, während der Einkauf im Ausland stagniert. Hier stellt der Handelsverband fest, dass hauptsächlich in Asien weniger bestellt worden ist.
“Es hat eine merkliche und weit­reichende Verlagerung vom stationären Handel auf Digital Commerce stattgefunden„
Rami Habib, Salesforce
Besonders beliebt ist es für die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, Heimelektronik über elektronische Kanäle zu bestellen und einzukaufen. Jeder zweite Franken wird mittlerweile gemäss der Statistik in diesem Bereich online ausgegeben.
Für Distributoren und Grosshändler war dieses Nachlassen der astronomischen Online-Handelszuwächse durchaus spürbar. «Erfreulicherweise konnten Ladenbesitzerinnen und Ladenbesitzer ihre Geschäfte 2021 im Vergleich zum Vorjahr mit weniger Einschränkungen geöffnet halten, was die Verschiebung in Richtung Online-Geschäft verlangsamte», berichtet Andrej Golob, CEO von Alltron und Leiter des Bereichs Handelskunden der Competec-Gruppe. Daneben haben Lieferschwierigkeiten für eine Temporeduktion gesorgt. Golob spricht in diesem Zusammenhang von «herausfordernden mittelfristigen Konsequenzen der Pandemie auf den Welthandel». «Produktionsausfälle, Rohstoff- und Containerknappheit in Kombination mit global hoher Nachfrage haben im Jahresverlauf in immer mehr Sortimentssparten Lieferengpässe und teilweise auch Preiserhöhungen verursacht», berichtet er als Folge.
Dennoch läuft der Trend klar Richtung E-Commerce. Dies bestätigt auch Rami Habib, Senior Vice President und General Manager von Salesforce Schweiz. «Es hat eine merkliche und weitreichende Verlagerung vom stationären Handel, dem klassischen Einzelhandel, auf Digital Commerce – dem Online-Shopping – stattgefunden und die Grenzen dazwischen verblassen immer mehr», stellt Habib fest. «Wir erleben, wie sich unsere Kunden von der klassischen Denkweise trennen und den Mehrwert einer Hybridlösung für ihre Kunden schaffen, indem sie ihre Ware sowohl in der digitalen Welt als auch in physischen Verkaufspunkten oder Läden anbieten und somit Vertriebsketten mehrgleisig gedacht werden», gibt er zu bedenken. Insgesamt führe das zu einem stetigen Aufschwung des sogenannten Multichannel- und Omni­channel-Ansatzes, ist Habib überzeugt. «Eine zentrale Rolle spielt dabei ein 360-Grad-Blick auf den Kunden und die damit verknüpften Daten», meint er. Für ein umsatzstarkes Betätigungsfeld für die ICT-Industrie ist somit auch in diesem Fall künftig mehr als gesorgt.
Dieser Artikel ist im Rahmen der «Top 500»-Sonderausgabe von Computerworld erschienen. Das Heft einschliesslich Ranking lässt sich auf dieser Seite bestellen.



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