31.05.2017, 07:00 Uhr
SAP kleingerechnet
Schweizer Firmen trennen sich offenbar schweren Herzens von ihren Business-Systemen. ERPsourcing kann mit SAP-Hosting helfen, Kosten zu drücken, sagt Geschäftsführer Frank Geisler.
Viele Schweizer Unternehmen betreiben geschäftskritische IT-Systeme noch im eigenen Rechenzentrum. Das ist teuer. Auf das Hosting von SAP hat sich der Walliseller Anbieter ERPsourcing spezialisiert. Das ist nicht mehr ganz so schlimm teuer. Für einige Geschäftsfälle lohnt es sich dennoch, sagt Geschäftsführer Frank Geisler im Interview mit Computerworld. Er weiss auch von Kunden, die sich ohne rationale oder regulatorische Gründe gegen die Cloud sträuben.
Computerworld: Warum ist ERPsourcing ausschliesslich im SAP-Umfeld unterwegs? Frank Geisler: Der Grund liegt in der Historie. Die Gründer und ursprünglichen Investoren kamen vom IT-Dienstleistungsunternehmen SAP Stäfa, dem Vorgänger der Schweizer SAP-Niederlassung. Die heutige ERPsourcing ist der einzige Anbieter von Applikationsberatung und -entwicklung sowie Hosting ausschliesslich in der Schweiz. Der Fokus liegt auf mittelständischen Unternehmen. Dort herrscht Bedarf an SAP, allerdings lohnt sich oftmals eine eigene Infrastruktur für diese Zielgruppe nicht. Denn der Aufbau und Betrieb eines Rechenzentrums für SAP bedeutet erhebliche Investitionen. Wer sind die Kunden? Gibt es Gemeinsamkeiten? Wir haben ganz kleine Firmen wie selbständige Treuhänder als Kunden, die für Firmen die Buchhaltung oder die Lohnabrechnung mit SAP machen. Aber auch sehr grosse Organisationen wie das Cateringunternehmen Gate Gourmet und der Personaldienstleister Randstad lassen ihre SAP-Systeme in unserem Rechenzentrum betreiben. Weiterhin hat ERPsourcing eine spezielle Lösung für Weinhändler entwickelt und ist damit erfolgreich unterwegs. Auch wenn diese Unternehmen – mit 5 bis 50 Mitarbeitern – nicht die typischen SAP-Kunden sind, zählt zum Beispiel die Zürcher Vinothek Brancaia zu den Anwendern. Für die Lagerlogistik des Weinhändlers Baur au Lac Vins war SAP die Lösung der Wahl, insbesondere aufgrund des hohen Warenumschlags – mit mehreren Millionen Flaschen allein im Jahresendgeschäft. Sie entwickeln auch selbst. Sind es kundenspezifische Anpassungen oder wird von Grund auf neu gebaut? Die Entwicklungsarbeiten gehen über die Branchenlösungen hinaus. Das SAP-Portfolio ist gross. Gleichzeitig ist aber Aufwand sehr hoch, eine Lösung für ein mittelständisches Unternehmen anzupassen. Dafür hat ERPsourcing ein Framework entwickelt, mit dem spezielle Prozesse wie die elektronische Rechnungsstellung oder die Spesenabrechnung individuell für den Kunden abgebildet werden können – notabene zu einem realistischen Preis. Was wäre ein «realistischer» Preis? Kleinkunden können hier mit wenigen hundert Franken starten – wenn sie zum Beispiel die Spesenabrechnung von ihren zehn Mitarbeitern machen wollen. Es ist günstiger, die Abrechnung über ein SAP machen zu lassen, das Ergebnis gleich einzubuchen und die Auszahlung ebenfalls über SAP zu steuern. Kunden mit einem eigenen SAP-System zahlen woanders bedeutend mehr. Nächste Seite: ERP aus der Public Cloud Gibt es Kunden, die den Wechsel in die öffentliche Cloud prüfen? Nein, eher umgekehrt. Kunden aus dem Ausland fragen explizit nach einem Anbieter mit Rechenzentren in der Schweiz. Interessenten kommen aus Deutschland, Asien und den USA. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach der Cloud bei Schweizer Firmen. Die Kunden besitzen eigene Rechenzentren oder Installationen im Ausland. Nun möchten sie aber den Betrieb von SAP abgeben, weil sie sich auf das Kerngeschäft konzentrieren wollen. Hier kommt ERPsourcing mit den Ressourcen in der Schweiz ins Spiel. Als einer von wenigen Anbietern besitzen wir das SAP-Zertifikat für eine «Partner Managed Cloud» (PMC).
Zwingen der Datenschutz und die Regulierung die Kunden, in der Schweiz zu bleiben? Oder ist es eher der Wunsch des Kunden? Regulierte Unternehmen wie Banken und Versicherungen sowie die öffentliche Hand dürfen tatsächlich nicht. Alle übrigen Kunden wollen oft nicht. Die IT-Verantwortlichen kommen zwar mit der Anforderung auf uns zu, aus Kostengründen in die Cloud wechseln zu wollen. Jedoch äussern sie gleichzeitig den Wunsch, die Daten und Systeme in der Schweiz behalten zu wollen. Wie gross sind die Wachstumschancen? Konkret: Wie viele Unternehmen aus der Zielgruppe von ERPsourcing betreiben das SAP noch selbst/On-Premises? Aus der potenziellen Zielgruppe betreiben bestimmt 70 Prozent das SAP-Kernsystem noch On-Premises. Die meisten haben begonnen, Teile des Systems in die Cloud auszulagern. Marketing und Vertreib sind dafür prädestiniert, da der mobile Zugriff mittlerweile sehr wichtig ist. Neu sind Überlegungen einiger Firmen, auch das HCM (Human Capital Management) in die Cloud zu bringen. Dabei ist SuccessFactors aus der Public Cloud selten eine Option. Wenn Sie sich eine Funktion oder ein Merkmal eines alternativen ERP-Systems wünschen dürften, welche wäre das? Und: Welche Lücken gibt es im Portfolio von ERPsourcing? Gute Frage. Es wirkt womöglich arrogant, wenn ich jetzt sage: keine. Allerdings besitzt SAP alleine aufgrund der Zukäufe ein so grosses Portfolio, dass wir es mit unseren 50 Angestellten schon nicht mehr abdecken können. Die Herausforderung ist eher, bestimmte Produkte auszuwählen und sich mit ihnen im Wettbewerb zu differenzieren. ERPsourcing ist heute mit den Branchenlösungen, SAP Hana und dem Internet of Things (IoT) gut aufgestellt für die Deutschschweizer Kunden.
Ist ERPsourcing ausschliesslich in der Schweiz aktiv? Gibt es Expansionspläne? Bei international tätigen Kunden begleiten wir die Unternehmen für die Dauer des Projekts durchaus ins Ausland. Anschliessend kehren wir aber zurück in die Schweiz. Die Expansion ist nicht geplant. Vielmehr fokussieren wir ausschliesslich auf die Deutschschweiz. Fachkräfte für SAP sind schwierig zu bekommen. Die meisten Berater kommen heute aus dem klassischen SAP-Umfeld. Sie haben oft hohe Kompetenz in der Programmiersprache ABAP. Viele sind aber in einer Altersklasse, in der sie nicht noch einmal die Schulbank drücken wollen, um sich Fachkenntnisse in SAP Hana anzueignen. Auf der anderen Seite interessieren sich die ganz jungen Entwickler nicht für das Programmieren von Datenbanken. Sie wollen mobile Anwendungen entwerfen und mit Java coole Software bauen. Vermutlich wird sich die Schere zwischen Alt und Jung in den nächsten Jahren noch weiter öffnen. Dies ist eine Herausforderung in der Rekrutierung von SAP-Experten. Nächste Seite: Kritik am Management ERPsourcing benötigt Personal sowohl für die bestehenden Lösungen als auch die neuen Produkte. Ist die Rekrutierung eine Herausforderung für Sie? Bis vor zwei Jahren war es durchaus eine Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden. Dank meines grossen Netzwerks und unserer Social-Media-Präsenz hat sich die Situation aber stark verbessert. Mittlerweile haben wir mehr Bewerbungen als offene Stellen, können uns also die Kandidaten aussuchen. Ausserdem fahren wir eine Doppelstrategie mit fest angestellten Kollegen und einem Stamm von Freiberuflern. Die Angestellten besitzen ein jeweils spezielles Know-how entweder in Themen oder Branchen. Die Freelancer sind ebenfalls spezialisiert und arbeiten teilweise ausschliesslich für ERPsourcing.
Welche Ziele hat sich ERPsourcing für dieses Jahr gesteckt? Ehrlich gestanden sind wir bei den Zielen mittlerweile vergleichsweise unspektakulär. In früheren Positionen musste ich ein mindestens zweistelliges Wachstum liefern. ERPsourcing ist dagegen mit einem gesunden, stabilen Zuwachs zufrieden. Das Wachstum darf sich auch nur im einstelligen Bereich bewegen. Unser Fokus liegt auf zufriedenen Kunden, die auch eine Empfehlung aussprechen. Apropos: Auf Kununu kritisierten 2014 die ERPsourcing-Mitarbeiter das Management als egozentrisch und unerfahren. Was haben Sie geändert? Damals war ich noch nicht im heutigen Amt. Der frühere Geschäftsführer war durchaus in der Lage, ein Unternehmen zu gründen und zu managen. Dem Manager mit beruflichen Wurzeln in der Finanzindustrie fehlte jedoch das Hintergrundwissen zur IT-Branche respektive SAP. Dieses Know-how ist für das Geschäft von ERPsourcing allerdings zentral. Die beiden Inhaber übernahmen selbst die Leitung und holten mich als Co-CEO. Seitdem hat sich vieles zum Positiven verändert bei ERPsourcing.
! KASTEN !
amtet seit Ende 2014 als CEO des SAP-Partners ERPsourcing. Damals wechselte er von SAP Schweiz, wo er zuletzt das Partnergeschäft. Zuvor war Geisler vier Jahre als Channel Development Manager ebenfalls bei SAP Schweiz tätig. Weitere Management-Positionen hatte er unter anderem bei Commodore, J.D. Edwards Deutschland und MRO Software inne. Geisler besitzt einen Hochschulabschluss in Informatik und Mathematik sowie einen Management-Diplom von der Studiengemeinschaft Darmstadt.