07.07.2005, 08:58 Uhr

Outsourcing im ­Optimierungsspagat

Mit der IT-Auslagerung versprechen die Outsourcer ihren Kunden Einspar­möglichkeiten. Um die zu realisieren, kommen Anbieter wie etwa Swisscom IT ­Services nicht ohne Anpassungen der eigenen Infrastruktur aus.
Im Preiskampf der IT-Outsourcer setzt Beat Häberli auf den konsequenten Einsatz der Blade-Technik. (Bild: cw/gis)
Das Outsourcen von IT-Infrastrukturen oder einzelnen IT-Diensten verspricht heute demjenigen, der outsourct, bis zu 35 Prozent Einsparungen. Allen Zweiflern zum Trotz ist der Bereich auch in der Schweiz inzwischen äusserst attraktiv geworden. Im letzten Jahr haben gut 69 Prozent der Schweizer Unternehmen Erfahrungen in diesem Sektor gesammelt. Dabei haben 500 der berücksichtigten 1500 hiesigen Firmen laut Umfrage der Marktforscher von MSM-Research bereits ihre gesamte IT-Infrastruktur ausgelagert. Weltweit werden für 2005 Zuwachszahlen von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahr erwartet, wie TPI (Technology Partners International) prognostiziert.
War das Auslagern, Entschlacken und Fokussieren der IT früher auf die Grossbetriebe beschränkt, hat es nun auch die KMU erreicht. Inzwischen wird in nahezu allen Branchen das ausgelagert, was nicht das Kerngeschäft betrifft. Damit wächst das Outsourcing trotz nach wie vor diskutierter Bedenken, die weitgehend von den auslagernden Firmen her thematisiert werden. Wer outsourct, so heisst es, müsse nicht nur weiterhin die Qualität seiner IT im Griff haben, er habe die Komplexität der eigenen Prozesse transparent zu machen und selbst die beim Auslagern unumgängliche Anwenderdisziplin zu garantieren. Erst dann liessen sich die von den Outsourcern versprochenen Kostenvorteile erzielen.

Die Kostenschere tut sich auf

Insbesondere um diese Kostenvorteile zu generieren, ist auf Seiten der Outsourcer ein harter Preiskampf entbrannt. Sie haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um personell und technisch die versprochenen Vorteile weiterreichen zu können. Ein Beispiel für die andauernde Optimierung der eigenen Prozesse liefert Swisscoms Outsourcing-Tochter Scis (Swisscom IT Services), die zu den Neulingen der hiesigen Branche gehört.

Neuling fokussiert sich

Entstanden ist Scis aus Swisscoms eigener Informatikabteilung und der zugekauften Banken-IT-Dienstleisterin AGI-IT-Services, die acht Kantonalbanken betreute: Appenzell, Freiburg, Glarus, Luzern, Ob- und Nidwalden, St. Gallen sowie Thurgau. Seit ihrem Einstieg ins landesweite IT-Auslagerungsgeschäft im Januar 2002 mussten die Newcomer schmerzlich lernen, sich zu fokussieren. Trotz des bekannten Namens fand sich Scis zunächst bei zahlreichen Projekten nur auf dem zweiten Platz und musste Konkurrenten wie T-Systems die Aufträge überlassen. Scis konnte die Vorgaben, unter denen sie ge-startet war, nicht erfüllen. Mit rund 2300 Mitarbeitern sollten zirka 900 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet werden. 2003 waren es aber nur 755 Millionen -Franken, davon allein 541 Millionen Swisscom-intern und 165 Millionen mit den AGI-Kunden. Mit neuen Kunden konnten bloss 49 Millio-nen Franken umgesetzt werden. Nicht zuletzt durch die veraltete AGI-Bankenplattform, die sukzessive Anwender verlor, kam es im Frühjahr 2004 dann zu einem ersten strategischen Wechsel.

Outsourcing im ­Optimierungsspagat

Weil der Kundenstamm nicht ausgeweitet werden konnte, verabschiedete man sich im Finanzsektor von der Fokussierung auf die eigene AGI-Plattform und betreibt seitdem als Multichannel-Anbieterin auch Software beispielsweise von Finova. Mit dem Zuschlag des TA-Media-Outsourcing-Projektes im letzten Sommer, das noch als Preisschlacht gewonnen wurde, wurde die Wende bei Scis eingeleitet. Verträge mit der Krankenversicherung KPT, mit Ascom, Swiss, den Esprit-Regionalbanken, einzelnen Securitas-Töchtern und der Bundesverwaltung zeigen, dass die bis dahin hauptsächlich am Tropf der Swisscom hängende Scis auf dem Weg zur unabhängigen Anbieterin auf dem freien Markt mutiert ist. Heute jedenfalls rekapitulieren die Scis-Verantwortlichen, dass man seit dem dritten Quartal 2004 endlich über ein konkurrenzfähiges Angebot verfüge.
Unter erheblichem Druck der Konzernmutter und um für den Outsourcing-Markt fit zu werden, drehte Scis-Chef Urs Stahlberger weiter an der Optimierungsschraube. Ende 2004 forderte er seine Mitarbeiter auf, mit acht Prozent jährlich stärker als der Markt zu wachsen und vor allem beim Umsatz mit Anwendern ausserhalb der Swisscom kräftig zuzulegen. Und eröffnete damit in der Branche zugleich einen heftigen Preiskampf.

Interne Optimierung

Um in diesem Preiskampf zu bestehen, vollzog Scis eine weitere Anpassung ihrer Strategie. Weg von der IT-Allesanbieterin mit Fokus auf einzelne Branchen hin zur branchenübergreifenden Infrastrukturanbieterin. Heute stehen Applikations- und Infrastrukturauslagerungen im Vordergrund, die unabhängig von einzelnen Plattformen betrieben werden. Konsequent sind so beispielsweise Angebote für den KMU-Sektor auf standardisierten Windows- und Linux-Plattformen aufgebaut worden. Organisatorisch wurden Kompetenzzentren gegründet.

Outsourcing im ­Optimierungsspagat

Nicht mehr als Kernbereiche eingestufte Unternehmensteile wie der interne Druckbereich Repro Media Services oder die eigenen Webspezialisten der Netgroup wurden abgestossen und verkauft. Scis schrumpfte. Inzwischen haben rund 300 Angestellte ihren Job verloren. Von den einstigen 2400 Mitarbeitern beschäftigt Scis noch 2100. Die beim Start angekündigten Umsatzerwartungen von fast einer Milliarde Franken sind heute kein Thema mehr. Dennoch halten die Outsourcer der Swisscom an dem von Stahlberger vorgegeben Ziel fest: «Scis will im hiesigen Outsourcing-Markt die dominierende Kraft sein».

Blades lösen Server ab

Eine Auswirkung dieses Strategiewechsels hat insbesondere die eigenen Infrastrukturen getroffen, die radikal umgerüstet wurden und werden. Zur Umsetzung ihrer zumindest ehrgeizig zu nennenden Vorgaben, hat Scis neben den Personaleinsparungen begonnen, ihre eigene IT-Infrastruktur zu konsolidieren. Zusammen mit IBM soll bis Ende 2005 die weltweit grösste Blade-Farm ohne mechanische Bauteile in der Schweiz entstehen. Bis heute sind bereits 1200 der einst 4800 Server durch Blades ersetzt worden. Ziel dieser Konsolidierung der eigenen Rechenzent-ren ist die Standardisierung und Optimierung der Betriebsprozesse. Es gibt nicht mehr viele verschiedene Server zu betreiben, sondern nur noch Blade-Server. Dies wirkt sich wieder positiv auf die Betriebskostenstruktur und die Qualität aus. «Wir Outsourcer haben den Anspruch, die ausgelagerten IT-Infrastrukturen effizienter und billiger als zuvor anzubieten», sagt der bei Scis für die Blades-Umstellung verantwortliche Beat Häberli.

Offen für die Zukunft

Dass der Blade-Einsatz mittelfristig Kosteneinsparungen von bis zu 35 Prozent ermöglicht, ist nicht neu. Blades sind Server, die weniger Platz benötigen und weniger Strom verbrauchen. Doch machen die Hardwarekosten in der Regel kaum mehr als 20 Prozent einer Infrastruktur aus. Häberli sieht die Vorteile denn auch vielmehr in der konsequenten Ausrichtung auf die Blade-basierten Betriebsprozesse: «Mit Blades können wir unsere betrieblichen Services standardisiert anbieten und so zusätzlich Betriebskosten einsparen». Die Services der Swisscom-Tochter, die künftig komplett über Blades abgewickelt werden sollen, umfassen heute das Hosting von Web-, Applikations- und Datenbankservern. Die werden in Standard- und Premium-Varianten angeboten und können mit speziellen Optionen aufgerüstet werden. Gemäss Häberli entfaltet die Blade-Technologie gerade in dieser Konzentration ihre Stärken. Zumal auch individuelle Kundenanforderungen über Windows- und Linux- sowie Unix-basierte Plattformen abgewickelt werden können.

Booten aus dem SAN

Ausserdem verspricht Häberli im Speicherbereich eine Novität. Aufgrund der Blades-Struktur werde das Booten direkt aus dem SAN (Storage Area Network) möglich. Denn die Blade-Server verfügen über keine Speicherkapazitäten mehr, sondern nur noch über Rechnereinheiten. Die Speicherkapazitäten sind im SAN untergebracht. Bei einer allfälligen technischen Störung, erläutert Häberli, kann der Blade-Server im laufenden Betrieb ausgetauscht und danach über das bestehende Speichermedium aufgestartet werden, was eine erhebliche Verbesserung gegenüber den herkömmlichen Prozessabläufen bedeute. Zudem werden die Speichermedien durch die Zentralisierung effizienter als bisher betrieben und ihre Verfügbarkeit wesentlich ausgebaut. Als Konsequenzen erwartet Häberli tiefere Ausfallzeiten und somit eine Verbesserung der Qualität dieser meist überlebenswichtigen Systeme.
Volker Richert



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