SAP 15.02.2010, 06:00 Uhr

die neue Wahlfreiheit

Die heftigen Proteste hatten Erfolg: Schweizer SAP-Kunden können ab sofort zwischen dem teureren Enterprise-Support- und dem alten Standard-Support-Modell wählen. Im Detail gibt es aber immer noch offene Fragen.
Der ERP-Marktführer SAP gibt den energischen Protesten zahlreicher User-Gruppen nach und lenkt ein. Wie SAP-Chef Leo Apotheker auf einer internationalen Pressekonferenz bekannt gab, können SAP-Kunden ab sofort und weltweit zwischen dem besonders in der Schweiz umstrittenen Enterprise-Support (ES) und dem alten, preiswerteren Standard-Support-Modell wählen. Die Gebühren für den Standard-Support hatte SAP zwar erst jüngst von 17 auf 18 Prozent angehoben, dabei soll es jedoch auch bleiben. Die Standard-Support-Gebühren werden in den nächsten Jahren der Teuerungsrate (CPI) angepasst, weitere Erhöhungen würden jedoch nicht erfolgen, versprechen die Walldorfer.
Im laufenden Jahr bezahlen Enterprise-Support-Kunden in der Schweiz, in Deutschland und Österreich 18,36 Prozent Wartungsgebühren. Für Schweizer Unternehmen, die bereits ES nutzen, steigt die Wartungspauschale damit moderat von 18,19 auf 18,36 Prozent. Neue Schweizer Enterprise-Support-Kunden (ohne existierende Verträge) würden dagegen bei 22 Prozent einsteigen. Die Preiserhöhungen der nächsten Jahre folgen der von SAP bereits kommunizierten Preisstaffel (bis 2016 auf 22 Prozent).

Frist bis Ende März

Bis Ende März haben Schweizer SAP-Kunden Zeit, im Jahr 2010 das Wartungsmodell zu wechseln. Der nächste Wechsel ist dann erst wieder für den Support des kommenden Jahres 2011 möglich. Für Neukunden (ohne existierende Verträge), so SAP-Pressesprecherin Claudia Lukaschek zu Computerworld, würden die Gebühren für den Standard-Support über die nächsten zwei Jahre bei 18 Prozent bleiben und nicht dem Consumer Price Index (CPI) angepasst werden.
«Wir sind fest davon überzeugt, dass der Enterprise-Support die optimale Wahl für alle unsere Kunden ist», bekräftigte Leo Apotheker und gab ausserdem Änderungen im Vorstand bekannt. John Schwarz leitet den neuen Vorstandsbereich Industry and Solution Management. Jim Hagemann Snabe steht künftig an der Spitze des Vorstandsbereichs Product Design and Development. «Durch die neue Aufstellung können wir das Feedback der Kunden früher einbringen und die Zyklen verkürzen», sagte Apotheker.

DSAG-Kernforderung erfüllt

Die deutschsprachige SAP Anwendergruppe, in der mit Andreas Zumbach auch die Schweiz im Vorstand vertreten ist, zeigte sich mit der Ankündigung, den Standard-Support wieder einzuführen, hochzufrieden. «SAP hat eine Kernforderung der DSAG erfüllt, jetzt ist die Tür aufgestossen, in die Zukunft zu blicken und sich anderen Aufgaben zu widmen», betonte der DSAG-Vorsitzende Andreas Oczko. Die Ergebnisse des SUGEN-KPI-Benchmarks haben keinen Einfluss mehr auf die Preisstaffelung des Enterprise-Supports. «Wir sind da einen Kompromiss eingegangen, der Preis bleibt 2010 stabil bei 18,36 Prozent», erklärte Oczko. Zwischen der DSAG und SAP herrsche Einvernehmen darüber, dass der Enterprise-Support den Unternehmen einen geschäftlichen Mehrwert bringe.

Offene vertragliche Fragen

Die Interessengemeinschaft SAP Wartung CH, in der sich über 50 Schweizer KMU zusammengeschlossen haben, hat wesentlichen Anteil am Kurswechsel in Walldorf. «Allerdings bleiben von unseren ursprünglichen Forderungen noch einige wesentliche unbeantwortet», kritisiert IG-Sprecher Peter Hartmann. Zudem gebe es noch offene vertragliche Fragen, etwa zu den AGBs.

PAC-Kritik: Wahloptionen Fehlen

Die Marktanalysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) stehen der neuen Wahlfreiheit positiv gegenüber. «Aus Sicht der PAC-Analysten ist dies eine gute Nachricht für die Anwender», kommentieren die Marktforscher in einer Pressemitteilung. Dennoch gebe es noch einige Wermutstropfen: Kunden müssten sich unabhängig von ihrer Release-Situation (ERP/Netweaver, R/3) für eines der beiden Wartungsmodelle entscheiden. Auch innerhalb des Enterprise-Supports hätten Unternehmen nach wie vor keine Wahloptionen, kritisiert PAC.
Unglücklich sei ferner, dass bei einem Umstieg von Standard- auf Enterprise-Support die Wartungspauschale von 18,36 Prozent nur noch bis zum 15. März 2010 gelte. SAP-Kunden, die später umsteigen, müssen sofort 22 Prozent bezahlen, ein Prozentsatz, der gemäss der Preisstaffel von SAP erst im Jahr 2016 fällig werden würde. PAC empfiehlt SAP, ihren Kunden zumindest eine Frist bis Ende des ersten Quartals, besser noch bis Ende des ersten Halbjahres einzuräumen.

Exklusiv-Interview mit Hakan Yuksel, Country Manager SAP Schweiz

«Wir rechnen damit, dass ein grosser Teil unserer Kunden auf ES bleiben wird»

Computerworld: Warum hat sich SAP so lange Zeit gelassen, den Standard-Support wieder einzuführen?

Yuksel: Die Strategie einer Firma wird nicht von heute auf morgen geändert; ausserdem waren unsere Support-Modelle sehr gut überlegt. Aber die Wirtschaftskrise hat ein sehr ungünstiges Umfeld für die Einführung des Enterprise-Supports (ES) geschaffen. Möglicherweise haben wir auch die Innova-tionsbereitschaft unserer Kunden unterschätzt. In manchen Industrien und Branchen ist es nicht immer unbedingt nötig, das letzte Release zu fahren.

Unter welchen Bedingungen wechseln Schweizer Firmen ihr Support-Modell?

Alle unsere SAP-Kunden beziehen zurzeit Enterprise-Support. Kunden, die bis zum 30. März zum Standard-Support wechseln, fällen diese Entscheidung rückwirkend zum Januar 2010. Nach Ende März müssen Schweizer Firmen einen Wechsel zum Standard-Support bis zum 30. September 2010 ankündigen und beziehen dann ab Anfang 2011 den Standard für 18 Prozent. Kunden, die danach wieder zurück zum ES wollen, zahlen allerdings gleich 22 Prozent. Auch für Zukäufe gelten ab sofort 22 Prozent.

Hat SAP an den Standard-Support-Bedingungen etwas geändert, etwa an den AGBs oder der Teuerungsrate?

Vom Leistungsumfang her hat sich nichts geändert, wir haben den alten Standard-Support von 2008 wieder reaktiviert. Für den Preis gelten 18 Prozent, plus Teuerung (CPI) ab 2011. Anpassungen an den AGBs werden wir mit der IG Wartung besprechen. Viel wird sich aber nicht ändern.

PAC kritisiert fehlende Wahloptionen innerhalb des Enterprise-Supports. Nehmen Sie diese Kritik ernst?

Natürlich, aber man kann ein Konzept nicht beliebig auseinanderreissen, denn das
Zusammenspiel der Komponenten muss funktionieren. Eine weitere Aufgliederung macht aus unserer Sicht keinen Sinn mehr. Zusätzlich bieten wir für Standard-Support- und Enterprise-Support-Kunden projektbezogene Premium-Support-Leistungen an, das Safe Guarding. Diese kostenpflichtigen Premiumleistungen beziehen Kunden, die ein Projekt durchführen, typischerweise drei oder sechs Monate lang. Im Gegensatz dazu ist unser Premium-angebot Max Attention ein «long term engagement», das mindestens über einen Zeitraum von drei Jahren läuft und das nur Enterprise-Support-Kunden offensteht. Schweizer Grossunternehmen aus dem Bankwesen, der Lebensmittel- und Chemieindustrie beziehen schon seit vielen Jahren Max Attention.

Ist auch für Schweizer KMU der Enterprise-Support das optimale Wartungsmodell? Das wurde von der IG Wartung immer bestritten.

Für die Mehrheit unserer Kunden ist der ES die richtige Wahl, aber nicht für alle. Wichtig ist das Gespräch mit dem Kunden und die nachfolgende Analyse, damit der Kunde eine gute Entscheidung für sein Unternehmen treffen kann. ES bringt nicht jedem Kunden den gleichen Mehrwert. Der eine profitiert mehr davon, der andere weniger. Dem haben wir Rechnung getragen und den Standard-Support wieder eingeführt.

Sie rechnen also schon mit einer gewissen Absprungrate?

Wir rechnen damit, dass ein grosser Teil unserer Kunden auf ES bleiben wird.

Wie helfen Sie Firmen zu entscheiden, welcher Support für sie der richtige ist?

An erster Stelle stehen das Kundengespräch und die Analyse. Zusätzlich sind wir dabei, in der Schweiz und global das SUGEN-Benchmark-Programm weiter auszubauen. Wir werden die Daten im Solution Manager sammeln und den Kunden kostenlos zur Verfügung stellen. Dabei geht es mehr darum, festzustellen, wo ein bestimmtes Unternehmen mit seiner IT steht, ob über oder unter dem Durchschnitt. Daraus lassen sich Optimierungsmassnahmen für die Zukunft ableiten.



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