26.03.2010, 08:40 Uhr

«Mitbewerber sind unsere Benchmark»

Wir haben uns exklusiv mit Emmi-Konzernleitungsmitglied Max Peter über die heutige und künftige Relevanz der IT unterhalten. Im Zuge dessen gab uns der Manager einen interessanten Einblick in die Informatikorganisation beim Zentralschweizer Milchverarbeiter.
Max Peter - Leiter Handel und Supply Chain Management der Emmi-Gruppe
Computerworld: Wie ist die IT-Abteilung bei Emmi zurzeit organisiert?
Max Peter: Die IT-Abteilung ist im Bereich Business Services eingebettet, der sich nebst den eigentlichen Aufgaben auch mit allgemeinen betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Projekten befasst. Angesiedelt ist dieser Bereich in der Emmi Schweiz AG, in der weitere zentrale Funktionen wie Finanzen, Personal, Verkauf, Marketing und Supply Chain Management angesiedelt sind. Die Kosten dieser Bereiche werden grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip umgelegt. Sie sind in diesem Sinne als Service Center zu betrachten.
Computerworld: Warum so und nicht anders - hat die derzeitige Organisationsform Kosten-, Effizienz- oder historische Gründe?
Max Peter: Was die Informatik anbelangt, hat das historische Gründe. Aufgrund des enormen Wachstums von Emmi können auf diese Weise die Projekte nach dem Bedarf und den Prioritäten des Konzerns besser gesteuert werden.
Computerworld: Wird die jetzige Organisationsform mittel- bis langfristig beibehalten oder sind in diesem Bereich Veränderungen geplant?
Max Peter: Mittelfristig wird es Änderungen geben. Infrastruktur, Office-Tools und die operativ genutzten Applikationen werden gemäss einem Preiskatalog künftig bezugsorientiert verrechnet. Projekte werden zentral finanziert und nach dem Go Live in die Preisliste eingefügt und wiederum nach Bezug verrechnet.
Lesen Sie auf auf der nächsten Seite: «Ohne IT könnten wir unser Geschäft gar nicht betreiben»
Computerworld: Kümmert sich Ihre IT-Abteilung um einen Grossteil der IT-Leistungen selbst oder setzt Emmi mehrheitlich auf externe Dienstleister?
Max Peter: Wir fahren einen gemischten Betrieb. In Europa wird das Rechencenter selbst betrieben. Teile der Infrastruktur sind outgesourced. Dazu zählen vor allem das interne und externe Netzwerk. In Übersee ist das Rechencenter und das externe Netzwerk outgesourced. Im Bereich der Datenbanken sind wir weitgehend selbständig, lassen uns aber von externen Fachkräften unterstützen. Beim Systems und Applications Engineering, bei den Projekten und bei der Systemeinführung haben wir tatkräftige Unterstützung von Dritten. Da wir bei den Produkten in der Regel Mainstream fahren, können wir einen guten Mix von grossen und kleinen Partnern einsetzen.
Computerworld: Was sind die Gründe für diese Strategie?
Max Peter: Die Gründe hierfür liegen in der Gesamtentwicklung: Einerseits sind wir laufend am Konsolidieren des Wachstums, andererseits erneuern wir ständig die teilweise in die Jahre gekommenen Applikationen und entwickeln neue Dienstleitungen. Damit unterstützen wir die Ziele unserer internen Partner. Dieses Vorgehen ermöglicht uns, die Informatikkosten laufend zu optimieren.
Computerworld: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gründe, die für bzw. gegen IT-Outsourcing sprechen?
Max Peter: Aus unserer Sicht gibt es wenig allgemein gültige Gründe für die eine oder andere Richtung. Die Frage ist grundsätzlich aus der Unternehmensstrategie heraus zu beantworten, wobei die Entwicklung über einen Horizont von etwa fünf bis sieben Jahren zu berücksichtigen ist. Dazu kommen Faktoren wie Grösse und Usanzen der Branche bzw. des Marktes. Wesentlicher Treiber der einen oder anderen Strategie sind in unserer Branche die beiden Faktoren Service - Umfang sowie Verfügbarkeit für das operative Geschäft - und Kosten. Als Benchmark dienen uns die Mitbewerber.
Computerworld: Welche Rolle spielt die IT bei Ihrer Unternehmensstrategie?
Max Peter: Ohne IT könnten wir unser Geschäft gar nicht betreiben. Mit konzernweit mehr als einer halben Million Bestellzeilen pro Monat ist eine Geschäftsabwicklung ohne IT undenkbar. Dazu kommt, dass unsere Kunden ihrerseits die Prozesse soweit mit IT unterstützen, dass eine Abwicklung des Waren- und Zahlungsverkehrs ohne Informatik schlicht unmöglich ist. Auch wenn dies nicht in allen Teilen der Wertschöpfungskette der Fall ist, da noch eine Vielzahl kleinster Unternehmen daran teilnehmen, so ist eine funktionierende IT für ein Unternehmen unserer Grösse ein absolutes Must. In diesem Sinne spielt die IT natürlich eine wichtige Rolle in der Unternehmensstrategie und entsprechend sind die IT-Verantwortlichen in die Strategieentwicklung eingebunden.
Auf der nächsten Seite lesen Sie: «Es ist schwierig, sich durch IT einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten»
Computerworld: Wie wichtig ist IT um sich von Mitbewerbern abzuheben?
Max Peter: Eigentlich müsste man anders herum fragen: Welche Nachteile ergeben sich, wenn wir bei der IT nicht branchengemäss «State of the Art» sind. Und diese sind eindeutig, das sehen wir im Ausland. Es ist zwecklos Offerten einzureichen, ohne dass im Tagesgeschäft Palettenlabels nach GS1-128 (Anm. des Autors: GS1-128 ist ein Standard für geschützte Barcode-Symbologie) gekennzeichnet sind oder der gesamte Verkehr mit EDI (Electronic Data Interchange) gemacht werden kann. Solche Fähigkeiten werden einfach vorausgesetzt. Haben Sie diese nicht, dann haben Sie nur Nachteile.
Computerworld: Welchen Beitrag kann IT leisten, um die eigene Wettbewerbsposition zu stärken?
Max Peter: Es ist schwierig, sich durch IT einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. In unserer schnelllebigen Branche müssen die Mitbewerber sofort nachziehen. Wobei die Entwicklungen meistens zuerst von den ganz grossen der Branche geleistet werden und die kleinen sowie mittleren Unternehmen innerhalb von ein bis zwei Jahren nachziehen müssen, wollen sie keine Marktanteile verlieren.
Computerworld: Welche Bedeutung wird die interne IT-Abteilung in naher Zukunft haben?
Max Peter: Wie die Energie wird auch die IT immer wichtig sein. Man kann sich streiten, ob die Bedeutung zu- oder abnimmt. Sicher ist, dass je nach Themen in der Branche der Fokus das eine Mal grösser und ein anderes Mal kleiner ist. Aber daraus abzuleiten, dass die Bedeutung zu- oder abnimmt, ist nicht wesentlich. Viel wichtiger ist, dass die IT denjenigen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leistet, welcher von ihr erwartet wird. Und das zu möglichst tiefen Kosten.
Computerworld: Wie würden Sie das Verhältnis zwischen IT und Business in Ihrem Unternehmen beschreiben? Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Max Peter: IT und Business wachsen immer mehr zusammen. IT ist genauso selbstverständlich wie Luft und Energie. Die IT-Spezialisten müssen deshalb vermehrt lernen, dass sie Teil der Unternehmung und nicht Teil der IT-Branche sind. Dementsprechend sind auch die Erwartungen innerhalb der Unternehmung selbst durch diese Spezialisten zu erfüllen. Technik ist nur ein Hilfsmittel für das Funktionieren der Unternehmung und kein Selbstzweck. Eine kompromisslose Serviceorientierung der IT-Abteilung ist deshalb eine wichtige Voraussetzung. Und unter Service verstehe ich die Leistung, welche eine Unternehmung den Kunden bzw. Konsumenten abliefert. Denn letztlich erhalten wir den Lohn von den Konsumenten. Daran müssen sich alle orientieren.
Hintergrund
Emmi-Konzernleitungsmitglied Max Peter verantwortet auf Gruppenebene unter anderem Informatik und Projekte, zusammengefasst im Bereich Business Services. In Europa betreibt der Konzern ein Rechenzentrum (RZ) in Ostermundigen. In Übersee hat der Milchverarbeiter sein RZ in Kalifornien ausgelagert. Der Molkereikonzern setzt im Wesentlichen auf zwei ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning): Oracle Enterprise One für die grossen Unternehmen und die Verwaltungs-Software Ergo von Replica für die kleineren und mittleren Unternehmen - vorwiegend für den Handel Schweiz und ausländischen Tochtergesellschaften. Aktuell sind zwar noch weitere ERP-Systeme im Einsatz, diese werden laut Peter aber kurz bis mittelfristig durch Oracle- und Replica-Produkte abgelöst. Beim Server-Betrieb vertrauen die Zentralschweizer auf Unix oder Windows. Die Datenbanken sind von Oracle und Microsoft. Ausserdem hat Emmi diverse Logistik-Software, Hyperion Finance Management, Microstrategy BI-Tools und Microsoft Office im Einsatz.
Harald Schodl



Das könnte Sie auch interessieren