E-Voting
03.08.2015, 15:49 Uhr
Was welcher Kanton plant. Die Übersicht.
«Kantönligeist» beim E-Voting: Drei verschiedene Wahl-Systeme, Sonderregeln und Obergrenzen: Wo Stimmberechtigte bereits elektronisch wählen und was die einzelnen Kantone planen, zeigt die Computerworld-Übersicht.
Vier Urnengänge mit zwölf eidgenössischen Volksabstimmungen, daneben unzählige kantonale und noch mehr kommunale Abstimmungen. Dieses Pensum bewältigte das Schweizer Stimmvolk 2014 - oder zumindest 52,4 Prozent der Stimmbeteiligten. Das ist seit der Einfhrung des Stimmrechts fr Frauen 1971 ein absoluter Höchstwert. Markus Freitag - Politologe an der Universität Bern - hält gegenüber der «NZZ» fest, dass lediglich 16 Prozent der Nichtwähler zur Gruppe der «Politikverdrossenen» zählt, die gar nie abstimmen. Andere Studien kommen zum Schluss, dass tatsächlich nur gut jeder Fünfte Schweizer Stimmbürger nie wählen geht. Die elektronische Stimmabgabe könnte dazu beitragen, dass die grosse Mehrheit der Stimmberechtigten regelmässiger wählt. Das ist aber bisher reine Spekulation. Für 2015 prognostiziert das Bundesamt für Statistik (BFS) zwar wieder eine rückläufige Wahlbeteiligung von 41,6 Prozent, doch kommt auch das E-Voting bisher nicht über die Testphase hinaus. Erst seit Januar 2014 ist es den Kantonen gemäss bundesrätlicher Verordnung erlaubt, «nach mindestens fünf aufeinanderfolgenden pannenfreien Einzelversuchen eines Kantons» den Bundesrat zu bitten, die elektronische Stimmabgabe einzusetzen. Doch davon sind die Kantone weit entfernt. Der Bundesrat definierte als aktuelle Obergrenze 30 Prozent der Stimmberechtigten, die per E-Voting abstimmen dürfen. Drei Systeme braucht das Land? Die kantonale Verwaltung in Zürich gründete vor 15 Jahren das «Consortium Vote électronique». Die angeschlossenen Kantone - neben dem Entwickler-Kanton Zürich sind Aargau, Freiburg, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, Solothurn, St.Gallen und Thurgau dabei - entschieden sich damit für das elektronische Wahlsystem des Kantons Zürich. Sie hatten die Wahl zwischen drei «VSystemen»: Das Genfer System soll sich besonders gemäss Bundesrat für jene Kantone mit zentralem Stimmregister eignen, die Zürcher Lösung ist dezentral und die Neuenburger Software kommt mit einem Online-Schalter. Es herrscht der «Kantönligeist», geprbelt wird seit 15 Jahren. Dazu kommen noch Besonderheiten wie im Kanton Neuenburg: Wer hier via E-Voting abstimmen möchte, muss vorgänig einen Vertrag unterzeichnen. Warum der Bund die Entwicklung dreier verschiedener Wahlsysteme zuliess, bleibt unklar. Argumentiert wird mit verschiedenen politischen Gepflogenheiten in den Kantonen. Denkbar wäre gewesen, diese in einer einzigen Software unterzubringen. Auch die Beauftragung von Privatfirmen zur Erstellung der Software kam schlecht an: «Die Demokratie kann nicht Privaten überlassen werden, erst recht nicht, wenn die Firmen aus Ländern stammen, in denen Datenschutz und Stimmgeheimnis nicht den gleichen Stellenwert haben wie in der Schweiz», sagte Cédric Jeanneret von der Piratenpartei gegenüber der Nachrichtenagentur «SDA». Das Neuenburger System wurde von der spanischen «Scytl Secure Electronic Voting» entwickelt, das Zürcher System kommt vom US-Informatik-Dienstleister Unisys. Lediglich das Genfer System wurde von den kantonalen Informatikern entwickelt. Sicherheit um jeden Preis Nachdem 2013 noch Sicherheitslcken imGenferE-Voting aufgedeckt wurden und politischer Widerstand aufkam, wurde in Genf und Neuenburg bereits im Folgejahr wieder versuchsweise via Computer abgestimmt, auch von Inlandschweizern. Auch Auslandschweizer mit letztem Wohnsitz im Kanton Zürich können mittlerweile per E-Voting der zweiten Generation abstimmen. Mit dieser verifizierbaren Stimmabgabe soll E-Voting sogar sicherer werden als dies die briefliche Wahl oder die Stimmabgabe an der Urne, wo die Stimmen noch manuell ausgezählt werden. Sicherer wird es, weil jeder Stimmberechtigte individuelle Verifizierungscodes erhält. Bei Wahlen heisst das je einen Code pro Kandidaten. Nach dem Abstimmen sendet das System einen so genannten Verifikations-Code zum Abstimmenden zurück. Diesen kann er mit dem Code auf seinen Unterlagen vergleichen und kontrollieren, ob seine Entscheidung richtig übertragen wurde. Die zustzlich gewonneneSicherheit nahm der Bundesrat zum Anlass, die Obergrenze für elektronisch Abstimmende von 10 auf 30 Prozent der Gesamtbevlkerung anzuheben. Bis 2020 sollen dann alle Stimmberechtigten den neuesten Kanal nutzen können. Der bisherige elektronische Sorgenkanton Zrich istmittlerweile wieder dabei in einem insgesamt gemächlichem Rennen um Stimmbeteiligung. Vielen scheint der Status Quo zu passen, der politische Willen zu mehr Tempo fehlt auch dank skeptischer Stimmen von links bis rechts. Ein Blick zum vergleichbaren E-Banking zeigt, dass hier schon vor Jahren funktionierende Sicherheitsstandards implementiert wurden - Kartenlesegeräte oder doppelte Verifizierung durch zusätzliche Codes sind längst Standard. Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Die Übersicht» Die Übersicht Ob Rentner oder Neuwähler - der Umgang mit einem Smartphone oder Computer ist für viele wesentlich bequemer als ein Gang zur Urne oder gar die Präsenzpflicht an einer Gemeindeversammlung. Nach der landesweiten Einführung der brieflichen Stimmabgabe erwartet die Wähler hierzulande wohl noch eine Testphase von mehreren Jahren, beim E-Voting herrscht weiterhin «Kantönligeist». Uwe Serdült, Vizedirektor des Zentrums frDemokratie Aarau (ZDA) vergleicht es gegenüber «Swissinfo» mit der brieflichen Stimmabgabe, die schliesslich auch über 30 Jahre in Anspruch nahm, bis 2005 überall eingeführt war. Der Bundesrat hält an seinem kantonsübergreifenden Ziel fest, bis 2020 allen Stimmberechtigten das Wählen und Abstimmen per E-Voting zu ermöglichen. Die Tabelle zeigt, wie die Kantone in diesem Zeitraum planen. ! TABELLE !