10.04.2014, 17:29 Uhr

Wohin entwickelt sich die Schweizer IT?

Rund 100 Schweizer IT-Entscheider sprachen im Zürcher Dolder Grand über ihre Branche. Kurzfazit: Trends wie Big Data und Internet der Dinge sind noch nicht relevant. Das IT-Budget wird sich künftig stark am Marketing orientieren. Und überhaupt wird alles schneller, flexibler, agiler.
Gut gefüller Ballsaal an der Swiss IT Conference im The Dolder Grand
(Foto: CW/Susann Klossek)
Wenn es um IT geht, geht es immer um einige wenige Schlagwörter. An der 6. Ausgabe der Swiss IT Conference hiessen diese Schnelligkeit, Flexibilität und Agilität. Oder anders ausgedrückt: Cloud, Big Data, Social Business und Sicherheit. Im Vorfeld der Veranstaltung wurden über 1000 Managementmitglieder aus IT und Business anlässlich der «Swiss IT Studie 2014» von Computerworld und IDC befragt. Matthias Zacher, Senior Consultant von IDC, erklärte in seinem Einführungsreferat den anwesenden Gästen, wo den IT-Entscheidern der Schuh drückt und in welche Richtung sich der Markt in der Schweiz bewegt. So hat die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation die IT-Initiativen wieder vermehrt angetrieben. Allerdings fehle es vieler Orten noch an Innovation. Zacher empfiehlt daher, den Innovationsanteil im Unternehmen zu erhöhen und den Aufwand für den reinen Betrieb der IT weiter zu reduzieren. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die neue Rolle des CIO

«IT-Agilität wandelt sich langsam zur Business-Agilität», so Zacher. Damit verändere sich aber auch die Rolle des CIOs. Generell werde der Druck auf die IT-Verantwortlichen in Zukunft noch mehr zunehmen und sich das Betätigungsfeld jedes CIOs massiv erweitern. Die grösste Herausforderung werde es demnach sein, wie die IT-Leiter - gemeinsam mit dem Management - mit diesem Druck umgehen werden, so Zacher. Künftig werde der CIO eine dreigeteilte Rolle wahrnehmen, nämlich als Chief of Infrastructure and Integration, Chief of Intelligence and Innovation sowie als Chief of Influence and Inspiration. Kurz: er wird sich sowohl auf technischer als auch auf Business- und Leadership-Ebene beweisen müssen.

Buzz-Worte

Ein weiteres Ergebnis unserer Studie: Die viel bemühten Schlagworte Big Data/Advanced Analysis, Cloud, Human Interface Touch, Social Business und Internet der Dinge, sind für viele Schweizer IT-Entscheider wirklich noch nicht mehr als Buzz-Worte: Für rund die Hälfte der 528 Antwortenden auf diese Frage sind diese Technologien und Trends noch nicht relevant. «Big Data heisst im Grunde nur, wie schaffe ich es, aus meinen Daten Informationen zu machen», sagt Nicolai Moresco, General Manager, Dell Switzerland. «Das müssen die Kunden erst noch begreifen.» Big Data bedeute auch Big Problems, ergänzt Thomas Benz, Country Lead Systems, Oracle Switzerland. Einer weltweiten Oracle-Umfrage zufolge meinen nur 12 Prozent der befragten Führungskräfte, dass sie die Auswirkungen ihrer Daten aufs Unternehmen verstehen. Einzig das Thema Mobile Enterprise scheint bei unseren Umfrageteilnehmern auf grösseres Interesse zu stossen. Hier dürfte noch einiges Wasser die Aare oder die Limmat runterfliessen, bis diese Themen tatsächlich in den helvetischen IT-Alltag eingezogen sind.

Auch das Verhältnis IT und Fachabteilungen ist noch ausbaufähig: «Hier wird noch nicht dieselbe Sprache gesprochen», resümiert der IDC-Mann. Und auch wenn es viele der Anwesenden nicht hören wollten - das IT-Budget wird sich künftig stark am Chief Marketing Officer orientieren. Alle Zahlen und Fakten der Studie sowie Stimmen aus der Schweizer IT-Branche präsentieren wir Ihnen in unserer aktuellen Sondernummer «Swiss IT 2014», die ab sofort erhältlich ist. Für detailliertere, tiefergehende Analysen legen wir Ihnen unser Tool IDG Analytics (www.idg-analytics.ch) ans Herz. Lesen Sie auf der nächsten Seite wie das Internet der Dinge alles verändern wird

Internet of Everything

Bereits einen Schritt weiter ging Marcel Walker, Head of Solution Center Banking, Swisscom Enterprise Customers. In naher Zukunft ginge es nicht mehr ohne die Vernetzung von Menschen, Prozessen, Daten und Dingen. «Das Internet der Dinge oder Internet of Everything wird alles noch einmal dramatisch verändern», so Walker. Dabei käme es auf die Anwesenden der Konferenz - alle bedeutend älter als Jahrgang 2000 - nur noch sekundär an. Die Millienium-Generation werde künftig den Takt angeben und das sei ein komplett anderer, als wir ihn momentan noch gewöhnt sind. Eben schneller, flexibler und agiler. Immer online zu sein, weltweit jederzeit arbeiten zu können, neue Interfaces und die totale Consumerization der IT werden dann zum Standard. «Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich jetzt auf diese Veränderungen einstellen muss, um später mithalten zu können», erklärt der Swisscom-Mann.

Weiteres Trends, denen Swisscom eine grosse Zukunft voraussagt, sind: M2M (Machine to Machine)-Anwendungen und Crowdfunding. M2M-Anwendungen schaffen heute schon bedeutende Vorteile im Wettbewerb, der Crowdfunding-Markt wächst jedes Jahr um 100 Prozent. «Crowdfunding schafft neue Möglichkeiten der Finanzierung für alle, Firmen, Vereine und Private», so Walker. Generell plädiert er dafür, disruptive Entwicklungen im Unternehmen zu fördern.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Selbstbetrug vom sicheren Unternehmen

Und immer wieder Sicherheit

Der Vortrag von Thierry Karsenti, Technical Director EMEA, Check Point Software Technologies, dürfte die Mehrheit der Konferenzteilnehmer frustriert bis erschreckt haben. Die Zahl an Malware, Viren, Trojanern, böswilligen Hacker-Angriffen, Datenverlust und dergleichen hat im Vergleich zu den Vorjahren signifikant zugenommen. Und wer meint, er habe sicherheitstechnisch in seinem Unternehmen alles im Griff, den belehrte Karsenti eines Besseren. Hier einige Fakten, auf ein durchschnittliches Unternehmen bezogen:
  • alle 49 Minuten dringen sensitive Daten von Unternehmen nach aussen
  • alle 10 Minuten wird eine bekannte Malware heruntergeladen
  • alle 27 Minuten wird unbekannte Malware heruntergeladen
  • alle 9 Minuten wird eine High-risk-Applikation genutzt
  • jede Minute erfolgt ein Host-Zugriff einer böswilligen Webseite
  • ein Bot kommuniziert mit einem C&C (Command & Control)-Server alle 3 Minuten

Unternehmen haben ihre Sicherheit nicht wirklich im Griff, unterschätzen die Bedrohungen und überschätzen die eigenen Sicherheitsmassnahmen. Karsentis mahnender Apell lautet daher: Take Action to protect your Organization! Lesen Sie auf der nächsten Seite: die Praxisseite

Beispiele aus der Praxis

Am Nachmittag folgten dann verschiedene Praxisreferate. Eines davon hielt Robert Bornträger, CEO Division IT & Logistics, SIX Group Services. Er erläuterte den Weg der SIX von fünf dezentralen IT-Divisionen hin zu einer zentralen IT. Die SIX wählte für das Grossprojekt den Core-Team-Ansatz. Dabei wurde ein handverlesenes Team, bestehend aus 20 Mitarbeitern aus allen Abteilungen (Sales, IT, Operations, Produktmanager, Architekten etc.), zusammengestellt, welches unter Laborbedingungen an dem komplett transparenten Projekt arbeiteten. Die Vorteile dieser Herangehensweise lägen in der Überwindung divisionsspezifischen Denkens, der Loslösung alter Praktiken oder der gleichzeitigen Möglichkeit der Talentförderung. Klar ist: «Man muss von vornherein eine Vision, ein Zielbild haben», so Bornträger, «das ist ein Grundgesetz, das nicht umgestossen werden darf. Hier ist das Management gefordert.»

Wichtig seien zudem das Timeboxing, um Zeitdruck während des Projektes zu erzeugen oder die 80/20-Regel, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Um Erfolg zu haben, müssen Projekt und Team Speed haben, alle Mitarbeitenden an einem Strang ziehen und alle Beteiligten offen sein für Veränderungen und neue Ideen. Zuletzt bedarf es natürlich klarer Definitionen und transparenter Kommunikation. Bornträgers Tipp: «Machen Sie keine halben Sachen und seien Sie vor allem konsequent!» Weitere Details zum Mammut-Projekt der SIX Group lesen Sie im grossen Interview mit Robert Bornträger im aktuellen Sonderheft Swiss IT.



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