30.07.2014, 15:09 Uhr
Die besten Zürcher IT-Lehrlinge im Gespräch
Was denken die aktuell besten ICT-Lehrlinge des Kantons Zürich über ihre Zukunft, ihre Ausbildung und ihren Lehrbetrieb? Computerworld hat nachgefragt
Andrin Bertschi, Emanuele Mazzotta, Lucky Bassi (von links): die besten Informatikerlehrlinge im Kanton Zürich 2014
In der Schweiz gibt es nicht genügend Fachkräfte für Informatik geben. Hauptsächlich, weil sich zu wenige junge Leute für die ICT interessieren. Dabei wären die Zukunftsaussichten hervorragend, Mangel an Arbeit wird es nicht gebe. Woran das liegt und wie die Situation geändert werden kann, darüber diskutieren Experten seit Jahren. Computerworld hat sich zur Abwechslung mit angehenden Informatikern unterhalten, um deren Ansichten einzuholen. Zur Verfügung gestellt haben sich die derzeit talentiertesten Nachwuchsinformatiker des Kantons Zrich: Andrin Bertschi, Emanuele Mazzotta und Lucky Bassi haben die besten ICT-Lehrabschlussprüfungen im Kanton geschrieben. Ob wir sie in den Ferien in Thailand oder der Rekrutenschule gestört haben, eins haben sie gemeinsam: sie wissen, mit dem Entscheid zur IT-Lehre die richtige Wahl getroffen zu haben.
Lucky Bassi
- Lehrbetrieb Credit Suisse
- Fachrichtung: Systemtechnik
- Abschlussnote: 5.7
Computerworld: Hallo Lucky. Warum hast du dich für eine IT-Lehre entschieden?
Lucky Bassi: Von klein auf habe ich gewusst, dass die Informatik mein Beruf sein wird. Mich hat es immer fasziniert, was sich hinter den Kulissen abspielt, wie zum Beispiel was passiert, wenn man auf einen Button klickt oder warum sich die Bilder im Computer bewegen, wie sie es tun. Dazu hat die Informatik eine enorme Zukunft. In fast keinem Arbeitsgebiet ist sie mehr wegzudenken.
Warum hast du dich für den Schwerpunkt Systemtechnik entschieden?
Da die allgemeine Richtung so festgelegt war, gab es für mich 2 Varianten. Entweder die Systemtechnik oder die Applikationsentwicklung. Ich habe mir mehrmals beide Lehrpläne beider Fachrichtungen angeschaut und bin zum Schluss gekommen, dass ich gerne mehr sehen möchte als reine Programmierung. Die Systemtechnik würde mir ein breiteres Spektrum anbieten, wie Netzwerke, Server, Services/Dienste, Scripting und dennoch auch Applikationsentwicklung.
War die Entscheidung für die Credit Suisse als Ausbildungsplatz bewusst oder musstest du nehmen, was du kriegen konntest?
Ich habe bewusst eine Lehre bei einem grossen Finanzunternnehmen gewählt, da die Wirtschaft mich ebenfalls interessiert. Ich dachte mir, dass ich neben der Informatik so auch einiges von der Wirtschaftswelt lernen konnte. Dies hat sich genau bestätigt. In der Credit Suisse konnte ich enorm viel über die IT lernen, aber auch diverse Grundlagen in der Wirtschaft. Da ich ja nicht ins Gymnasium ging, habe ich mir viele praktische Übungen/Gelegenheiten gewünscht, welche auch vorhanden waren oder geschaffen wurden.
Was hat dir während der Ausbildung besonders gefallen?
Durch die Grösse der Credit Suisse hatte ich die Möglichkeit, in viele verschiedene Abteilungen zu blicken, um mir so mein Know-How anzueignen. So konnte ich mir ein breites, aber auch tiefes Wissen in Security, Netzwerken, der Unix & Windows Administration und Projekten erlernen. Dazu hat mich die Credit Suisse in allen Angelegenheiten enorm unterstützt. Das prägendste war bei meiner Abschlussarbeit (IPA), bei der ich eine Lerninfrastruktur für die zukünftigen Lernenden erschaffen sollte. Die CS hat mich finanziell, sowie auch Know-How technisch hervorragend unterstützt, um das Projekt zu realisieren.
Und was hat dir weniger gefallen?
Was mir nicht so gefallen hat, aber trotzdem notwendig ist, war der hohe Grad an Prozessen für Berechtigungen. Für einige Berechtigungen auf Systemen hat es schon mal mehrere Wochen gebraucht. Dies ist aber auch verständlich, da ich zuerst geprüft werden musste. Man hatte mir aber in der Zwischenzeit viele abwechslungsreiche Aufgaben gegeben.
Was könnte man verbessern?
Dies ist immer eine schwierige Frage. Ehrlich gesagt fällt mir nichts ein, was man verbessern sollte. Ich wurde sehr gut von meinem Team, meinem Berufsbildner und dem Human Resources unterstützt.
Würdest du deinen potenziellen Nachfolgern diese Lehre empfehlen?
Ich würde den potenziellen Nachfolgern diese Lehre ohne Zögern empfehlen. Ich konnte in diesen vier Jahren enorm viel lernen und habe tolle neue Freunde gewonnen. Das Wichtigste ist aber, dass ich während der Lehre viele wichtige Erfahrungen sammeln konnte, welche man nicht in Lehrbüchern finden kann, sondern nur draussen auf dem Feld.
Traurig, dass die Lehre vorbei ist, wirst du aber trotdem kaum sein, oder?
Ich bin sowohl froh, als auch traurig. Die Lehre hat mir sehr gut gefallen, jedoch freue ich mich nun auf einen richtigen Lohn.
Und wie wirst du dir diesen erarbeiten?
Zuerst werde ich mich in meiner neuen Abteilung (Service Management) einarbeiten. Ich habe mir vorgenommen, ein Studium zu beginnen. Sehr gerne möchte ich Wirtschaftsinformatik studieren, da dies mein Umfeld sehr gut wiederspiegelt. . Die Technologie entwickelt sich heutzutage so enorm schnell und ohne weiteres Lernen bleibt man stehen. Ich möchte in neue Bereiche in der Bank vorstossen, in welchen ein Studium sehr gerne gesehen ist. Ausserdem lerne ich sehr gerne.
Das waren alle Fragen. Vielen Dank für das Interview Lucky.
Darf ich noch etwas anfügen?
Klar.
Ich möchte mich am Schluss bei allen Personen bedanken, welche mich in meiner Lehre unterstützt haben. Im Speziellen bei Hans Salzmann, meinem letzten Berufsbildner. Er ist ein essentieller Bestandteil dieses Erfolges und ich danke Ihm herzlich.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Das Motto lautete. 'Wissen, heisst wo.'»
Andrin Bertschi
- Lehrbetrieb: AXA Winterthur
- Fachrichtung: Applikationsentwicklung
- Abschlussnote: 5.7
Hallo Andrin. Glückwunsch zu diesem beeindruckenden Abschluss. Wie viel musstest du dafür lernen?
Ich vergleiche die Aufwände von Berufsfachschule und Berufsmaturitätschule etwa im Verhältnis von 1:6. Aufwände, die aktiv gelernt (vergleichbar mit Memorieren von Vokabeln) werden mussten, hatten wir in der Berufsfachschule nicht sehr viel. Nach dem Mott, «Wissen, heisst wissen wo». Wichtig war, das Big Picture, das Problem abstrahiert einen Schritt zurück anzugehen und im Ganzen zu verstehen.
Warum hast du dich ursprünglich für eine IT-Lehre entschieden?
Ich knoble gerne an Problemstellungen. Mir wurde relativ schnell klar, dass Informatik niemals ausgelernt werden kann; Diese Herausforderung, sich ständig zu entwickeln, neu begeistern zu lassen und ständig Neues zu lernen, faszinierte mich. Ich hatte mir auch eine gymnasiale Ausbildung überlegt, das Praxisnahe und der direkte Einstieg in die Informatik haben mich jedoch für eine IT-Lehre überzeugt.
Du hast dich für die Schwerpunktrichtung Applikationsentwicklung entschieden. Warum?
An der prozeduralen Softwareentwickung auf dem Grossrechner faszinierte mich das Technische und Maschinennahe, im objektorientierten die Breite und lebende Entwicklung der Plattform und der Webtechnologien.
Was hast du in den letzten vier Jahren genau gemacht?
Die gesamte Lehre bei der AXA hat mich sehr fasziniert. Ich wurde während den ersten zwei Jahren in der klassischen Grossrechner Programmentwicklung in PL/I mit DB2 auf Basis von zOS TSO/ISPF ausgebildet. Im zweiten Teil dann der Wechsel ins Objektorientierte, Fullstack Applikationen auf Basis der Java EE. In Java EE absolvierte ich dann auch meine IPA (Individuelle praxisbezogene Abschlussarbeit).
Was hast du bei deiner IPA gemacht?
Ich hatte die Möglichkeit, ein neues Projekt für meine Abschlussarbeit lancieren zu können. Während den zehn Tagen IPA schrieb ich die wichtigsten Konstrukte einer Statistikapplikationen zum Sammeln von Informationen über die Verwendung von relevanten Funktionalitäten von Backendservices der AXA. Die Applikation habe ich nach der IPA weiterentwickelt und schon bald steht der erste Release in die Produktion an.
Gratulation dazu, Man kann nach deinen bisherigen Worten davon ausgehen, dass du diese Ausbildung weiterempfehlen wirst, oder?
Ich kann jedem, der gerne neues lernt und technisch interessiert ist, diese Lehre bei der AXA empfehlen. Mit der absolvierten Berufsmaturität (BM1) erhalte ich nun prüfungsfreien Zutritt an eine Fachhochschule oder mit zusätzlichen Ergänzungsprüfungen (Passarelle) Zutritt an eine Universität. Das ist toll am Bildungswesen der Schweiz. Auch ohne Königsweg über das Gymnasium kann mit der Berufsmaturität jeder Weg eingeschlagen werden.
Der Weg Lehre ist für dich abgeschlossen. Wie geht es nun weiter?
Im August reise ich für zwei Monaten in die USA für einen Englischsprachkurs. Anschliessend arbeite ich bei der AXA weiter als Softwareentwickler. Ein mittelfristiges Ziel ist ein Studium in Softwareengineering an der ETH via Passarelle.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: «Brauche ein Studium um konkurrenzfähig zu bleiben»
Emanuele Mazzotta
- Lehrbetrieb: UBS
- Fachrichtung: Applikationsentwicklung
- Abschlussnote: 5.7
Hallo Emanuele. Nun ist die IT-Lehre vorbei. Weisst du noch, warum du dich ursprünglich dafür entschieden hast?
Seit der 5. Klasse war mir klar, dass ich Informatiker werden wollte, da PCs schon seit früher Kindheit meine Leidenschaft waren und ich sehr neugierig in Bezug auf alles Mögliche am Computer war (sowohl Soft- wie auch Hardware).
Warum hast du dich schlussendlich für die Schwerpunktrichtung Applikationsentwicklung entschieden?
Zur Applikationsentwicklung kam ich, weil ich mich immer wieder die Frage stellte, wie man eine solche «.exe»-Dateien erstellt. Da ich nicht nur Konsument bleiben, sondern selber Applikationen entwickeln wollte, war es für mich mit 12 Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden, dass mein beruflicher Werdegang in diese Richtung gehen wird.
Du hast die Lehre bei der UBS absolviert. Hast du das Gefühl, gelernt zu haben, was du lernen wolltest?
Ich bin sehr zufrieden mit der UBS als Lehrgeschäft. Die ersten 1,5 Jahre haben wir von sehr kompetenten Dozenten programmieren gelernt und diverse Übungen gemacht. Besonders gefiel mir, dass nicht unnötig viele Aufträge erteilt wurden, sondern wir eher weniger zu tun hatten (zumindest wenn man schnell fertig wurde - so wie es bei mir der Fall war). Und damit viel Zeit hatte, um Programme kreativ erweitern zu können. Mir kam es definitiv so vor als lernte ich, was ich lernen wollte. Am Praxisplatz (die letzten 2,5 Jahre) hatte ich dann zwei sehr erfahrene Programmierer zur Seite, die mir auch sehr, sehr viel beigebracht haben. Beispielsweise refactoring, arbeiten mit Legacy Code, Test-Driven-Development, arbeiten mit Continuous Integration und einiges mehr.
Nur mit Spass am Arbeiten erhält man aber keinen derart guten Abschluss. Hand aufs Herz: wie viel hast du gelernt?
Für die BMS (Berufsmaturitätsschule, Anm. der Redaktion) habe ich etwas gelernt aber für die Informatik praktisch gar nicht. Informatik macht mir Spass und liegt mir einfach, weshalb ich auch gerne am Wochenende an dem einen oder anderen Projekt arbeite, unter anderem an Apps. Als anspruchsvoll empfand ich die Lehre nicht, da ich schon mit Programmierkentnisse in die Lehre gestartet war. Aber ganz so leicht war sie auch nicht. So habe ich mir bei meiner Individuellen Praktischen Arbeit Mühe gegeben und die eine oder andere Überstunde geschoben.
Was hat dir an deiner Ausbildung besonders gefallen, was weniger?
Die Kompetenz meiner Mentoren empfand ich als sehr positiv, da mir das definitiv zu Gute kam. Nicht gefallen hat mir die Berufsschule, da ich dort teilweise wenig gelernt habe und viel bereits vorhandenes Wissen rezykliert wurde.
Was könnte man verbessern?
Wenn die Kompetenz der Berufsschullehrer dem Niveau der Dozenten in der UBS entsprechen würde und der Unterricht etwas interessanter gestaltet wird, wüsste ich nicht, was man sonst noch verbessern könnte.
Würdest du deinen potenziellen Nachfolgern diese Lehre empfehlen?
Ein klares «ja». Wenn das Interesse im Informatikbereich vorhanden ist, ist das definitiv ein guter Weg, den es einzuschlagen gilt.
Ich gehe davon aus, dass du froh bist, dass die Lehre vorbei ist. Was wirst du nun tun?
Für mich heisst es erst einmal Rekrutenschule. Sobald ich das hinter mir habe, möchte ich bei der UBS weiterarbeiten und später studieren. Mein Ziel ist es, mich irgendwann selbstständig zu machen und finanziell unabhängig zu werden.
Trotz gutem Lehrabschluss willst du also noch einmal die Schulbank drücken. Warum?
Weil das heute fast schon dazugehört, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Fragen sind uns ausgegangen. Hast du noch etwas, das du anfügen möchtest?
Ich möchte mich bei meinen Dozenten und der UBS für die geniale Ausbildung die ich geniessen konnte bedanken. Allen voran möchte ich mich aber bei meinen Mentoren am Praxisplatz, namentlich Marcos Tarruella und Horia Popa, bedanken. Ohne Sie wäre ich nicht auf dem Niveau angelangt, an dem ich heute bin.