Interview mit Simon Lüdi 08.08.2024, 10:05 Uhr

ERP made in Solothurn

Die Schweizer Softwareschmiede Dynasoft lässt seit vierzig Jahren Kundenwünsche wahr werden. Fast ebenso lange dabei ist CEO Simon Lüdi, ein ERP-Profi aus echtem Schrot und Korn.
Dynasoft ist ein Fixpunkt in der Schweizer ERP-Landschaft. «Unser Antrieb ist die Freude und das Interesse an der Weiterentwicklung von Kundenlösungen. Das verbinden wir mit Kreativität und der Wertschätzung unserer Kunden», erklärt CEO Simon Lüdi.
(Quelle: Dynasoft)
In Solothurn, mit Blick auf Weissenstein und Kathedrale, befindet sich der Hauptsitz der Schweizer Softwarefirma Dynasoft. Seit 40 Jahren ein Fixpunkt in der ERP-Landschaft. Die Geschäfte laufen gut, obwohl das Unternehmen sich gerade neu erfindet. Mehr über die Erfolgsgeschichte im Gespräch mit CEO Simon Lüdi.
Computerworld (CW): Simon Lüdi, Sie sind CEO und – bitte entschuldigen Sie den saloppen Ausdruck – ein Urgestein des Schweizer Softwareunternehmens Dynasoft, welches vor genau 40 Jahren gegründet wurde. Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Wie schafft man es, in der bekanntlich sehr dynamischen IT-Branche so lange durchzuhalten?
Simon Lüdi (lacht): Ja, Urgestein bin ich schon ein bisschen. Seit dreissig Jahren bin ich bei Dynasoft, davon seit 15 Jahren in der Funktion als CEO. Das Unternehmen hat klein angefangen. Als ich eingestiegen bin, waren wir noch etwa 9 Leute. Heute sind es über 50 Mitarbeitende. Dass wir uns vier Jahrzehnte erfolgreich behauptet haben, sehe ich vor allem darin, dass wir – der Name ist Programm – sehr dynamisch unterwegs sind. Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder neu erfunden und uns der Zeit und den jeweiligen Umständen angepasst. Ich würde sagen: Wir waren zwar immer beweglich, aber nie opportunistisch. Ausserdem war unser primärer Antrieb nicht kommerziell motiviert. Bei uns standen Kundenzentriertheit, Kollegialität, Fleiss und Talent im Vordergrund. Zufriedene Kunden prägen unsere DNA. Dafür gaben und geben wir alles. Daran hat sich eigentlich nichts geändert. Schlussendlich können wir heute ein langjähriges Jubiläum feiern, weil auch unsere Kunden über so viele Jahre den Weg mit uns gegangen sind. Unser Geschäft heute erfordert ein ungleich breiteres Skill-Set, als jenes welches zur Gründungszeit gefragt war. Was nicht heissen soll, dass es damals einfacher war. Die Herausforderungen waren jedoch ganz anders.
CW: Gab es in der Geschichte der Dynasoft auch Momente, wo Sie dachten, dieser Berg ist zu hoch für uns, das schaffen wir nicht? Wie haben Sie es trotzdem geschafft?
Lüdi: Klar, in vierzig Jahren gibt es viele Hochs und Tiefs. Manchmal war es der eigene Anspruch, technologisch mit den entstandenen Big-Players mitzuhalten. Eine Steilwand, die Eindruck machte. Das haben wir geschafft, weil wir Leute hatten und immer noch haben, die sich engagieren. Aber auch das Miteinander war herausfordernd. Viele von uns teilen sich seit dreissig, sogar vierzig Jahren das Büro. Da gibt es gute und auch weniger gute Zeiten. Wir hatten nicht immer die gleichen Ideen oder Strategien, aber wir haben immer an uns geglaubt und uns nie gescheut, uns selbst zu hinterfragen, Auseinandersetzungen zu führen und dann daraus gestärkt, den nächsten Schritt zu machen. Wir haben uns aber auch immer ganz eng mit den Kunden verbunden gefühlt. Wir waren schon allein der Verantwortung unserer Kunden gegenüber, immer voll motiviert gewesen. Wir haben, ja das darf man sagen, immer enorm Freude an dem gehabt, was wir tun. Und wir kommen alle immer noch sehr gut miteinander aus.
CW: Wäre das auch Ihr Tipp für junge Softwareunternehmen? Oder gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede, wie man eine Firma damals oder heute auf die Beine stellt?
Lüdi: Betrachtet man dies aus einer eher allgemeinen Sicht, gilt das sicher auch noch heute. Eine gewisse Risikobereitschaft und eine hohe Motivation sind unabdingbar. Ausserdem sind die Pflege einer heterogene Charakterlandschaft, ein gemeinsames Ziel und eine konstruktive Gesprächskultur sicher Pfeiler, auf denen man aufbauen kann. Das Geschäft heute ist mit demjenigen vor vierzig Jahren allerdings kaum mehr zu vergleichen. Es ist heute ungleich komplexer geworden. Ich denke, es sind nicht mehr dieselben Fähigkeiten, die es heute braucht, um Erfolg zu haben. Was ich aber nach wie vor für unabdingbar halte, sind Fleiss und Talent.
CW: Zurück zu Ihrem Unternehmen bzw. zu Ihrer Software. Die heisst nämlich nicht Dynasoft, was naheliegend wäre, sondern tosca. Warum heisst die ERP-Suite tosca?
Mit tosca.web erlebt tosca zum fünften Mal eine Techno­logie-Erneuerung. Diesmal ist es sogar der grösste Sprung überhaupt. Ein Kapitel mehr in der Geschichte von Dynasoft.
Quelle: Dynasoft
Lüdi:
Als das Unternehmen Dynasoft gegründet wurde, gab es noch kein tosca. Das kam erst im Laufe der Jahre hinzu. Der Name soll aus der Abkürzung «Trade Oriented Standard Computer Application» entstanden sein. Seit 2010 konzentrieren wir uns nur noch auf tosca. Dem Namen entsprechend konzentrieren wir uns seither auf den Handel, genauer auf den produzierenden Handel. Daraus haben wir eine Standardsoftware entwickelt. Der Vorteil ist, dass seither alle Kunden jederzeit auf die aktuelle Version des Standards updaten können. Was übrigens auch regelmässig gemacht wird. Trotz Standard kann tosca aussergewöhnlich stark angepasst werden. Das sieht man auch an so unterschiedlichen Kunden wie Kuhn-Rikon, Läckerli-Huus oder Office World.
CW: Mit tosca haben Sie eine Schweizer IT-Erfolgsgeschichte geschrieben und zahlreiche renommierte Kunden hier, aber auch in Deutschland begeistert. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis im Gespräch mit potenziellen Kunden?
Lüdi: Ausschlaggebend ist, dass wir zuhören. Uns interessiert es wirklich, was der Kunde macht, wie er es macht und wo dass er es mit uns zusammen noch besser machen kann. Das ist es ja, was die Kunden bei uns finden. Menschen, die verstehen, was unsere Kunden brauchen und eine Software, die das alles mitmacht. Und dann hängt das ERP-Geschäft stark von Referenzen ab. Hier können wir mit Kunden auftrumpfen, welche von Anfang an dabei sind. Wir suchen stets das Gespräch und sprechen offen mit den Interessenten. Das bedeutet manchmal auch, dass wir ein mögliches Projekt ablehnen, weil es nicht passt.
CW: Apropos, wie läuft eigentlich das Geschäft in Deutschland? Wie organisieren Sie da Projekte und Kundenbetreuung?
Lüdi: Das Geschäft in Deutschland läuft ähnlich wie in der Schweiz gut und ist für uns inzwischen sehr wichtig. Wir dürfen grosse und anspruchsvolle Kunden betreuen. Dabei versuchen wir, möglichst viel der Projektarbeit und der Kundenbetreuung mit unseren deutschen Mitarbeitenden abzudecken. Trotz unserer deutschen Gesellschaft wird derzeit noch ein grosser Teil von der Schweiz aus gemacht. Das funktioniert tadellos. Als Schweizer Unternehmen geniessen wir einen sehr guten Ruf. Offenbar mögen uns die Deutschen – und wir sie natürlich auch (lacht).
CW: Dass tosca nicht in die Jahre gekommen ist, verdanken die Kunden… Bitte ergänzen Sie doch für uns diesen Satz.
Lüdi: Ich würde sagen: «… einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, sowohl funktional wie technologisch». Ausserdem verjüngt sich unsere Firma kontinuierlich. Nicht nur tosca, sondern auch die dynasoft kommt nicht in die Jahre, sondern gewinnt jedes Jahr an Erfahrung, Wissen und Potenzial dazu. Wir halten uns strikt an den Releaseplan und veröffentlichen zweimal pro Jahr einen Minor-Release. Und wir machen regelmässig einen Mayor-Release, bei welchem die Technologie modernisiert wird. Mit tosca.web erlebt tosca nun zum fünften Mal eine Technologie-Erneuerung. Diesmal ist es sogar der grösste Sprung überhaupt.
Simon Lüdi schaut positiv in die Zukunft: «Wir uns vor vielen Jahren zu einer Strategie bekannt, nach welcher wir uns aus eigenen Reihen verjüngen. Die Verjüngung ist in der Geschäftsleitung bereits sichtbar.»
Quelle: Dynasoft
CW: Kann man das so sagen: tosca.classic war gestern, die Zukunft gehört tosca.web?
Lüdi: Im Neukundengeschäft ja, nicht aber im Bestandeskundengeschäft. Wir zwingen unsere Kunden nicht mit einem Supportende auf tosca.web. Man wird tosca.classic nach wie vor zweimal im Jahr aktualisieren können und von den neuen Funktionalitäten profitieren. Wir lassen den bestehenden Kunden alle Zeit der Welt, weil wir ihre Investitionen schützen wollen. Es ist aber denkbar, dass mittelfristig Vorzüge der Web-Technologie, der mobilen Nutzung oder des neuen UI’s in gewissen Bereichen zum Vorteil der Anwender genutzt werden, was dann für den Wechsel auf tosca.web sprechen könnte. Aber: die Produkte bleiben weiterhin und noch lange koexistent im Einsatz.
CW: Wo liegen da die Herausforderungen? Was passiert mit bestehenden Kunden? Gibt es einen Migrationsplan?
Lüdi: Dass es eine sanfte Migration werden muss, war eine Grundanforderung und die haben wir vollumfänglich erfüllt. Der Wechsel auf tosca.web mag etwas grösser sein, als ein gewöhnlicher Minorrelease-Update, aber es bleibt ein gut überschaubares, risikoarmes Projekt. Alle Einstellungen, Parametrierungen, Prozesse, etc. werden automatisch oder teilautomatisch migriert. Der grosse Anteil der Investitionen in der Vergangenheit können mitgenommen werden.
CW: Mit einer geschickten Personalpolitik haben Sie Dynasoft erweitert, umgebaut und erneuert. Heute findet man nebst den langjährigen Wegbegleiter neu Fabian Baumgartner in der GL sowie Andreas Ammann und Markus Brändli im VR. Steht der Generationenwechsel an?
Der hat bereits begonnen. Wir haben uns vor einigen Jahren zu einer Strategie bekannt, nach welcher wir uns aus eigenen Reihen verjüngen. Wir sind gewachsen, sogar leicht über das notwendige Mass, damit wir die altersbedingten Abgänge, die nun gerade in den nächsten fünf Jahren stattfinden werden, gut auffangen können. Und ja, diese Verjüngung ist in der Geschäftsleitung bereits sichtbar.
Zur Person
Simon Lüdi
hat als Chemielaborant in einem Forschungszentrum gestartet und eine eigene Software-Firma gegründet. 1996 trat er in die Dynasoft AG ein, war während 13 Jahren Entwicklungsleiter des Zweitproduktes Calwin und wurde 2009 zum CEO ernannt.



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