09.10.2013, 12:23 Uhr

Mistra - das nächste IT-Flop-Projekt des Bundes

Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) ist daran, eine zentrale Datenbank aufzubauen. Das Projekt entwickelt sich zum Flop: es kostet deutlich mehr wie geplant und dauert einiges länger. Der Prüfungsbericht lässt einen teilweise kopfschüttelnd zurück.
Im IT-Strassenprojekt vom ASTRA ist es schwer, die Übersicht zu behalten
Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) ist seit zehn Jahren daran, alle Informationen über Schweizer Strassen in einem Management-Informationssystem zu sammeln. Das IT-Grossprojekt trägt den Namen Mistra, wurde mit 43 Millionen Franken veranschlagt und hätte bereits fertig gestellt werden sollen. Ein Prüfungsberichts der eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), lässt keinen anderen Schluss zu, als dass es sich bei Mistra um das nächste Flop-IT-Projekt des Bundes handelt (siehe Anhang). 95 Millionen Franken seien bereits ausgegeben worden, schreibt die EFK. Darüber hinaus sei zu erwarten, dass noch «über einige Jahre zweistellige Millionenbeträge in Mistra investiert werden.» Von Budgeteinhaltung keine Spur. Und auch in Sachen Terminplanung scheint das Projekt aus den Fugen geraten zu sein. Nach wie vor sind Kernmodule nicht in Betrieb. Liest man den Prüfungsbericht, wird schnell klar, warum das so ist. Im ursprünglichen Projektauftrag waren sieben Teilprojekte vorgesehen, daraus sind mittlerweile 18 Teilprojekte geworden. Im Mistra-Faktenblatt (PDF) ist ersichtlich, dass zudem 3 weitere Projekte in Planung sind. Im Jahrestakt seien Wünsche nach neuen Funktionen aufgenommen worden, ohne diese zu gewichten, schreibt die EFK. Eine offizielle Bemächtigung ? entweder von Amtsdirektor Rudolf Dieterle oder vom Projektausschuss ? fehlte meistens. Diese fehlende Priorisierung führe dazu, «dass die Kosten oft in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen». Das Budget sei zum Teil innert Monatsfrist um mehrere Millionen aufgestockt, die Mittel «weder sparsam noch wirtschaftlich eingesetzt» worden. Der ursprüngliche Projektauftrag sei nicht nur überholt, sondern habe sich vielmehr verselbstständigt, schreibt die EFK. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Teilprojekte laufen aus dem Ruder

Teilprojekte laufen aus dem Ruder

Bei der Umsetzung der Projekte ging das ASTRA teilweise dilettantisch vor. Produktiv waren acht Jahre nach Projektstart lediglich 7 Module, für diverse ist noch kein Launch-Datum bekannt (siehe Grafik). Obwohl es einige erfolgreiche Beriche gebe, muss die EFK darum feststellen, «dass ein ursprünglich einigermassen übersichtliches IT-Vorhaben zu einem unübersichtlichen Portfolio angewachsen ist». Für Aussenstehende sei nicht nachvollziehbar:
  • warum und aufgrund welcher Sachlage laufend neue Teilprojekte ohne entsprechende Projektaufträge generiert werden können
  • weshalb das für eine effiziente Planung des Unterhalts zentralste Teilprojekte EMNS über lange Zeit  gestoppt wurde
  • dafür einige Sonderlösungen priorisiert und eingeführt wurden
  • und weshalb die Kernapplikationen von MISTRA auch heute noch nicht fertig erstellt sind
Die meisten Module würden zudem Bereiche betreffen, «die sich auf den ersten Blick als nicht prioritär aufdrängen». So sieht die Roadmap 2012-2014 beispielsweise zwei Teilprojekte vor, für die es nach Ansicht der EFK keine direkten gesetzlichen Grundlagen gibt: Naturgefahren und Langsamverkehr. Für beides (Langsamverkehr ist auf Wanderwege bezogen) sind eigentlich die Kantone verantwortlich. Zudem sei für Themen, die die Umwelt betreffen, ohnehin nicht das ASTRA, sondern das BAFU (Bundesamt für Umwelt) zuständig. Eingekaufte Produkte und angepasste Lösungen von Kantonen gehören überdies nur loose zu Mistra, wodurch diese mittelfristig durch Eigenentwicklungen abgelöst werden könnten. Für die EFK entsteht der Eindruck, dass sich die Prioritäten und die zugehörige Ressourcenplanung an den kurzfristigen Bedürfnissen der Fachbereiche orientieren und «sich entsprechend fliessend an passen»

Zu wenig Führung, intransparente Ausschreibungen

Auch bei der Führungsstruktur gibt es Verbesserungspotential, schreibt die EFK. Zahlreiche wichtige zentrale Funktionen würden fehlen. So gibt es kein zentrales IT-Finanzcontrolling, kein IT-Qualitätscontrolling und auch kein Change-Board ASTRA. Es würden auch keine institutionalisierten Prozesse bestehen, welche es ermöglichen würden, eine korrekte Finanzplanung durchzuführen. In Sachen WTO-Ausschreibung herrsche zudem teilweise wenig Transparenz, schreibt die EFK. Ein Beispiel: Kuba (Kunstbauten und Tunnels) soll dazu dienen, den Aufbau und Zustand der Tunnels und Kunstbauten (beispielsweise Brücken) zu erfassen und aufgrund dessen allfällige Unterhaltsmassnahmen auszulösen. Die Anwendung gibt es schon lange, muss jetzt aber in Mistra integriert werden. Für die Weiterentwicklung ist seit Jahren das Familenunternehmen CAD beauftragt. Vor Realisierung der neusten Version wurde eine offene Ausschreibung gemacht, weil die Offerte von CAD nach Ansicht des Direktors zu hoch war. Eine einzige Anbieterin meldete sich. CAD. Das Resultat: Der Preis in der Offerte war nun noch höher als zuvor. Lesen Sie auf der nächsten Seite: ASTRA gelobt Besserung

ASTRA gelobt Besserung

In einer Mitteilung gelobt das ASTRA Besserung. Die EFK-Kritik nehme man zum Anlass, Mistra zu verbessern. Bereits per Ende 2013 seien erste konkrete Ergebnisse zu erwarten. Die Optimierungen betreffen die Funktionstüchtigkeit der Projektorganisation, die Stärkung des Prozesses «Projektmanagement» mit IT- und Qualitätscontrolling sowie eine Priorisierung der noch ausstehenden Module. Konkret soll das Projektcontrolling für alle IT-Projekte ausgebaut und stärker formalisiert werden. Ein zentrales Projektportfoliomanagement und Finanzcontrolling für das gesamte ASTRA soll zusätzlich aufgebaut werden.

Kein Einzelfall

Das ASTRA gewinnt dem Bericht aber auch einige positiven Seiten ab, so habe die EFK dem Projekt insgesamt eine gute Führung bescheinigt und auch den Nutzen und die Notwendigkeit des Projekts anerkannt. ASTRA denkt, dass Mistra «mit den zusätzlichen Werkzeugen für Projekt und Betrieb» Ende 2014 fertig gestellt sein wird und rund 100 Millionen Franken kostet. Den Hauptteil der Mehrkosten verursache dabei das Basissystem, das anstatt der veranschlagten 4,5 Millionen nun mit mehr als drei Mal so viel, 14,5 Millionen Franken, budgetiert wird. Es ist aber nicht das erste IT-Projekt, welches bei ASTRA schief läuft. Für die Ablösung von drei veralteten IT-Systemen und der Zusammenführung der Datenbesäntde und Funktionen im «Informationssystem Verkehrszulassung» müssen 15 Millionen Franken mehr als geplant ausgegeben werden. Das ASTRA ist der grsste Beschaffungsposten des Bundes. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das ist Mistra

Das ist Mistra

Mistra ist eine Programmbezeichnung für verschiedene eigenständige Informatik-Werkzeuge beziehungsweise Applikationen des Erhaltungsmanagements der Strasse. Die Datenbank soll Bund, Kantonen und Gemeindem beim Unterhalt und Betrieb der Strasseninfrastruktur helfen.  Eingabe- und Abfragemasken zu den verschiedensten Bereichen sollen die riesigen Datenbanken leicht zugänglich machen. Untenstehend im Detail die verschiedenen Teilprojekte von Mistra
  • Das Basissystem (M - BS) enthält alle Inventarobjekte der Nationalstrasse und stellt den gesamtschweizerischen Strassendatensatz bereit. Es ist die Datendrehscheibe und stellt and e- ren Applikationen die Fachinformationen aus and e ren Anwendungen zur Verfügung.
  • Trassee (M - TRA) dient den Unterhaltsplanern dazu, den Aufbau und Zustand der Fahrbahn zu erfassen und aufgrund dessen allfällige Unterhaltsm assnahmen auszulösen.
  • Kunstbauten und Tunnels (M - KUBA) dient dazu den Aufbau und Zustand der Tunnels und Kunstbauten (Brücken, Unterführungen, Galerien, Stützmauern) zu erfassen und aufgrund dessen allfällige Unterhaltsmassnahmen auszulösen.
  • Verkehrsmonitoring (M - VMON und DWH - VMON) ist ein Instrument zur Erfassung und Validierung von Art und Menge des Verkehrs auf dem übergeordneten Strassennetz. Daraus werden unter anderem die jährliche Verkehrsstatistik erstellt als Grundlage für den Verkehrsflussbericht. Mit dem zugehörigen Datawarehouse können die grossen Datenmengen einfach und flexibel ausgewertet werden.
  • Verkehrsunfälle (M - VU und DWH - VU) dient der Polizei dazu, die Verkehrsunfälle auf dem ganzen Strassennetz zu erfassen. Daraus wird die jährliche Verkehrsunfallstatistik erstellt. Diese Daten ermöglichen dem Gesetzgeber unfallvermindernde Massnahmen bei Zulassungen von Fahrzeugen und Fahrzeugführern sowie im Strassenverkehrsgesetz zu empfehlen. Mit dem zugehörigen Datawarehouse können die grossen Datenmengen einfach und flexibel ausgewertet werden. 
  • Verkehrsunfälle Auswertung mit GIS (M - VUGIS) erlaubt die infrastrukturseitige Unfallanalyse. Diese Analysen ermöglichen den Strasseneigentümern (Bund, Kantonen und Gemeinden), allfällige Unfallschwerpunkte und Gefahrenstellen zu entschärfen.
  • Sonderbewilligungen (M - SB) ermöglicht bei Ausnahmetransporten (Übergewicht, Übergrösse, Sonntags - und Nachtfahrten) die Gesuchseinreichung für Transportfirmen und die Gesuchsabwicklung.
  • Das Liegenschafts - und Vertragsmanagements -System (M - LVS) ermöglicht die zentrale Verwaltung aller Liegenschaften, die zum Perimeter der Strassen gehören. Der Bund (ASTRA) ist mit den Nationalstrassen einer der grössten Grundeigentümer des Landes.
  • Betrieblicher Unterhalt (M - BUS) ermöglicht die Erstellung und Leistungskontrolle der Leistungsvereinbarungen mit den Gebietseinheiten der Nationalstrasse (Werkhöfe).
  • Das Lärmbelastungskataster (M - LBK) zeigt auf, wie hoch die Lärmbelastung entlang der Nationalstrassen ist. Aufgrund dessen können Lärms anierungen vorgenommen werden. 
  • Im Inventar historischer Verkehrswege (M - IVS) sind die historischen Verkehrswege der Schweiz abgebildet.
  • Infrastrukturbauten Betrieb (M - IBBS) dient den Unterhaltsplanern dazu, den Aufbau und Zustand der Gebäude (Werkhöfe) zu erfassen und aufgrund dessen allfällige Unterhaltsmass-nahmen auszulösen.
  • Das Baukosten - und Bauprojektmanagement (DWH - TDcost) im Data Warehouse stellt die revisionsfähige Nachvollziehbarkeit dieser Daten sicher. Zudem wird deren einfache und freie Datenanalyse im Rahmen des Investitionscontrolling ermöglicht.
  • Das DataWareHouse ETC (DWH - ETC) dient zur Erstellung der Jahresstatistik Schwerverkehrskontrollen der Polizei.
  • Mit den Fahrzeug - und Fahrzeugführerinformationen (DWH - FFR) im Data Warehouse werden die e ntsprechenden Statistiken erstellt. Sie unterstützen zudem die Unfallursachenanalyse. 
Folgende neue Fachapplikationen sind in Entwicklung
  • Langsamverkehr (M - LV)
  • Strassenabwasserbehandlungsanlagen (M - SABA)
  • Erhaltungsmanagement von Strassen im Siedlungsgebiet (M - EMSG)



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