08.11.2013, 16:11 Uhr

ICT-Berufsbildung vor Herausforderungen

Die 3. Nationale ICT-Berufsbildungskonferenz stand dieses Jahr unter dem Evergreen «Fachkräftemangel». Die Diskussionen an der Konferenz zeigte wenig überraschend, dass die Branche keine Patentlösungen hat
Für Ruedi Noser hat die IT-Branche in der Schweiz ein Image-Problem.
Auch dieses Jahr kamen über 100 Vertreter von Ausbildungsstätten und Lehrbetrieben an die dritte Ausgabe der eidgenössischen ICT-Berufsbildungskonferenz in das für Grösse des Anlasses deutlich zu eng bemessene Kongresszentrum Allestro in Bern. Ist die Wahl der Lokalität ein Sinnbild für die Nachwuchsprobleme in der Branche? Anscheinend bringt der junge Verband - gegründet 2010 - auch heute noch zu wenige Sponsoren zusammen, um der Konferenz einen würdigeren Rahmen zu geben. Immerhin trat die Swisscom - einer der bedeutendsten ICT-Lehrlingsaubdildner der Schweiz als Hauptsponsor auf. Weitere grosse Namen aus der Branche fehlten jedoch als Sponsor - nicht unbegründet wie man später sehen wird.

ICT-Branche mit Kommunikationsproblemen

Andreas Kälin, Präsident ICT-Berufsbildung Schweiz, erinnerte die Teilnehmer an seiner Eröffnungsrede nochmals daran, was der junge Verband seit seiner Gründung 2010 schon erreicht hat: 1000 neue Lehrlingsstellen, neue Ausbildungsmöglichkeiten und das neu geschaffene Diplom ICT-Manager. Doch er zeigte auch der Fachkräftebedarf für das Jahr 2020 auf. Computerworld berichtete schon mehrere Male ausfhrlich darber. Erhellend waren da schon eher die Thesen von Kaelin, welche seiner Meinung zu diesem Manko an Arbeitskräften führen:
  1. Der Wert von ICT ist in der Bevölkerung zu wenig bekannt
  2. ICT-Berufe sind unsicher
  3. ICT-Berufe sind langweilig
Punkt 1 erstaunt doch immer wieder - steht die ICT-Branche in der Schweiz doch an 5. Stelle der Wertschöpfung und ist mit 176'000 Beschäftigten ein Schwergewicht. Davon sind jeoch 12% Zugewanderte Arbeitnehmer und über 2/3 der aktuell Beschäftigten IT-Worker haben keine formale IT-Ausbildung. Um den Bedarf an weiteren qualifizierten IT-Personal zu stillen müsse die ICT-Branche besser kommunizieren. Das sieht auch Ruedi Noser so.

Ruedi Noser rüttelt wach

Der FDP-Nationalrat und IT-Unernehmer Ruedi Noser nannte das Kind beim Namen: «Niemand transportiert die Botschaft, dass die Branche massgeblich am Wirtschaftswachstum in der Schweiz beiträgt». Im Gegenteil - wenn die nationale IT-Branche in der Presse ein Thema ist, dann geht es meist um missglückte Projekte in der Bundesverwaltung. Noser nahm die Branche gleich selbst ins Gebet. «Wir dürfen nicht basteln», das Volk verstehe das nicht. In den letzten 5 Jahren seien in der Bundesverwaltung 1 Milliarde Franken in IT-Projekten «verlocht» worden. «Wir brauchen mehr Qualität - wir können nicht einfach einen 0815-Job machen» rief Noser in die Runde. Auch am Lehrplan 21 liess er kein gutes Haar, dieser lerne nur Konsum. «Wenn man den Schülern nur erklärt, wie man ein iPad benutzt, werden sie nie eines bauen» schloss Noser seinen Vortrag. Auf der nächsten Seite - RUAG mit Rekrutierungsproblemen und Fazit.

RUAG mit Rekrutierungsproblemen

Diesen Ball nahm RUAG Group CIO Andreas Fitze dankbar auf. Er zeigte anhand der RUAG, die nur Top-Leute anstellen will, wie schwierig es für ihn ist, qualifizierte Leute auf dem hiesigen Arbeitsmarkt zu finden. Interessant war auch seine Aussage, dass man nur in grösseren Ballungszentren wie Zürich überhaupt Personal findet. «An gewissen ländlichen Standorten der RUAG haben wir die IT-Rekrutierung aufgegeben - dort finden wir niemanden». Ein weiteres Dilemma, mit dem Fitze konfrontiert ist, illustrierte er an einem eindrücklichen Beispiel: Aktuell gibt es ca. 25 IT-Ausbildungen, gefordert sind in seinem Betrieb jedoch 42 Fachrichtungen und über 100 Rollen in den IT-Prozessen. «Wir brauchen mehr spezialisierte Hochschulabgänger», am liebsten hätte er SAP-Spezialisten von der Stange. Auch monierte er, dass Hochschul-Abgänger keine grosse Ahnung von internationalen Software-Projekten haben. Für Fitze wäre wichtig, wenn die Schulen vermehrt auf die Bedürfnisse der Industrie Rücksicht nehmen würden.

Roundtable mit IT-Giganten hinterlässt zwiespältiges Bild

Der anschliessenden Roundtable, moderiert vom Bildungsökonom Stefan Wolter, mit Vertretern von IBM, Microsoft und SAP zeigte exemplarisch, wie unterschiedlich die einzelnen Firmen mit dem Thema umgehen. Microsoft bildet überhaupt keine IT-Lehrlinge aus, verweist jedoch auf ihr Partnernetzwerk. Für Barbara Josef, Microsoft-Sprecherin, ist das zielführender. «Unsere Partner integrieren den Grossteil unserer Lösungen, so ist es folgerichtig dass dort auch Lehrlinge ausgebildet werden.» Für Josef ist es wichtiger, Microsoft als modernen Arbeitgeber zu positionieren, mit Aktionen wie beispielsweise den Home-Office-Day. Sie ist überzeugt, dass der Konzern so dazu beiträgt, ein besseres Bild der IT-Branche zu transportieren. SAP-HR-Managerin Bettina Lindner musste ebenfalls zugeben, dass ihr Konzern keine IT-Lehrlinge in der Schweiz ausbildet. Sie verwies aber auf die Corporate University innerhalb der Walldorfer Software-Schmiede und Zertifikatslehrgänge, die an den Hochschulen angeboten werden. IBM hingegen beschäftigt 50 IT-Lehrlinge, wie Adriano Bruno HR Leader IBM Schweiz nicht ganz ohne Stolz sagt. Auf die jährlich rund 15 neuen Stellen würden über 600 Dossiers eingereicht. Bruno gibt jedoch zu bedenken, dass die IT-Ausbildung kein Zuckerschlecken sei. Auch ist es nicht einfach, die Lehrlinge nach der erfolgreichen Ausbildung im Konzern zu halten. «Ich beobachte viele Queraussteiger, also junge Menschen die mit einer IT-Lehre in einem anderen Beruf Fuss fassen wollen» sagt Bruno.

Fazit

Die Diskussion um den Fachkräftemangel an der ICT-Berufsbildungskonferenz war wenig erhellend. Das hat wohl auch mit den unterschiedlichen Ansprüchen der Stakeholder zu tun. Einig war man sich, dass der Wert der IT für die Volkswirtschaft und generell das Image des Berufs aufgewertet werden muss. Ein grosses Anliegen ist es auch, mehr Mädchen und Frauen für die Berufsgattung zu begeistern. Die von ICT-Berufsbildung lancierte Kampagne ist sicher ein erster Schritt in die Richtung. Doch irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es an finanziellen Mitteln und bekannten Persönlichkeiten fehlt, um die Botschaften richtig transportieren zu können.



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