31.12.2015, 08:55 Uhr
Die 19 grössten Flops der IT-Geschichte
Manche Ereignisse und Entwicklungen möchte man schnell vergessen. Wir streuen Salz in die Wunden der Microsofts, Apples, IBMs, Palms und Netscapes dieser Welt.
Es waren immer nur Nuancen, die einer technischen Entwicklung die Richtung gaben - manchmal Zufälle und verpasste Chancen, allzu häufig aber auch verheerende Entscheidungen in den Chefetagen grosser Unternehmen. Tops und Flops lagen in einer bewegten IT-Geschichte immer nah beieinander. Hier sind die Top 19 der grössten Katastrophen.
Platz 19: IBM PS/2
1981 kam der erste IBM-PC auf den Markt. Im Gegensatz zu früheren Computern des Herstellers war er aus Komponenten von der Stange gefertigt, was zu günstigen Preisen führte. Im Laufe der 80er Jahre wurde IBM jedoch zunehmend von Wettbewerbern wie Compaq aus dem Markt gedrängt. Big Blues Strategie: weg von der Massenfertigung und zurück zu proprietären Bauteilen. So kam 1987 die Personal System/2-Serie1 auf den Markt, mit der zwar die meiste Software lief, die hardwareseitig aber mit der Mikrokanal-Bus-Architektur ausgestattet war. Das machte sie inkompatibel zu Dritt-Hardware und beförderte IBM noch weiter ins Abseits. Neue Kunden gewann Big Blue nicht mehr - der zuvor bereits grandios gescheiterte PCjr2 und die der PS/2 nachfolgenden PS/1-Serie3 taten ihr Übriges. Und dennoch lebt ein Stück PS/2-Technologie bis heute fort: in den seriellen Schnittstellen der klassischen Eingabegeräte Tastatur und Maus.
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Platz 18: Virtuelle Realität
Der Film «Tron» läutete 1982 das Zeitalter der virtuellen Realität ein. 15 Jahre später sollte die Technologie den Markt dann endlich erobern. Sie tat es nicht. Die Programmiersprache VRML (Virtual Reality Modeling Language) war zu komplex, um eine breite Anhängerschaft zu finden. Einige wenige begeisterte Entwickler reichten nicht aus. Das «VR»-Konzept lebt auch heute immer wieder kurz auf (siehe «Second Life»), derzeit versuchen Hersteller, VR-Brillen zu verkaufen. Ob der Durchbruch aber jemals kommen wird, ist nach wie vor unsicher.
Platz 17: SEA ARC
Die 80er Jahre waren auch komprimierungstechnisch eine bewegte Zeit. Phil Katz nahm den Code des Packerformats ARC der Firma System Enhancement Associates (SEA) und baute daraus einen leistungsverbesserten Klon. Da Katz diesen Erfolg nach SEAs Ansicht aber auf illegale Weise erreicht hatte, klagte der Hersteller erfolgreich. Katz musste die Entwicklung des Klons einstellen. Den Anwendern, viele von ihnen schon Katz-Fans, schmeckte das nicht und sie zeigten SEA fortan die kalte Schulter - das Unternehmen konnte einpacken. Katz entwickelte ein komplett neues Komprimierungsformat, was er 1989 veröffentlichte: ZIP.
Platz 16: Apple OpenDoc
Die APIs Cocoa und Carbon waren noch lange nicht geboren, als sich Apple einer innovativen Programmiersprache mit Namen OpenDoc zuwendete. Entwickler konnte ihre Software damit aus modularen Komponenten zusammenbauen. Eine komplexe Textverarbeitung ist schliesslich auch nichts anderes als die Kombination aus Text-Editor, Rechtschreibprüfung, Dateimanager und einigen kleinen Tools. So dachte Apple zumindest. Leider erwiesen sich die meisten Applikationen unter der Haube als weitaus komplizierter als an der Oberfläche. Der OpenDoc-Spuk dauerte lediglich fünf Jahre.
Platz 15: Push-Technologie
1992 hatte PointCast eine clevere Idee: Warum sollten Nachrichten, Börsenkurse und andere aktuelle Informationen den Anwendern nicht automatisch zugestellt werden, anstatt sie ins Web zu stellen und darauf zu warten, dass sie abgefragt würden. Die Idee eines «Push-Dienstes», der News direkt bis auf den Desktop befördert, war geboren. Schnell gab es eine Menge Nachahmer - das Datenaufkommen explodierte und sprengte alle Verbindungskapazitäten. Netzwerk-Administratoren sperrten die Push-Clients in den Unternehmen und die heimischen Modem-Nutzer ärgerten sich über die viele Werbung, die gleich automatisch mitgeliefert wurde. Rupert Murdochs Medienimperium News Corp. bot für PointCast im Jahr 1997 noch 450 Millionen Dollar - zwei Jahre später war der Hype vorbei und die Firma wurde für lächerliche zehn Millionen verkauft.
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Platz 14: Copland
Copland sollte der moderne Nachfolger von Apples Mac OS werden - der geplanten Veröffentlichung im Jahr 1995 standen jedoch interne Querelen der Entwicklungsabteilung im Weg. So erfuhr niemand, wie weit das Unternehmen gekommen wäre, wenn es das eigene Betriebssystem auf den Weg gebracht und nicht stattdessen Steve Jobs' NeXT OS gekauft hätte, das die Basis für das 1999 veröffentlichte Mac OS X bildete. Ironie des Schicksals: Jobs hatte die Firma zehn Jahre zuvor wegen interner Streitereien verlassen.
Platz 13: GNU Hurd
Richard Stallman startete das GNU-Projekt im Jahr 1983, um das erste freie Betriebssystem zu entwickeln: Kernel, Tools, Applikationen, Dokumentation - alles sollte gemeinschaftlich entwickelt werden und allgemein kostenlos zugänglich sein. 25 Jahre später gibt es immer noch keinen GNU-Kernel. «Hurd», der Codename der geplanten Entwicklung, sollte die Krönungszeremonie der Open-Source-Bewegung werden - stattdessen steht es nun stellvertretend für eine ganze Generation missratener Softwareentwicklungen. Erst Linus Torvalds startete Anfang der 90er einen neuen viel versprechenden Versuch - diesmal erfolgreich.
Platz 12: Oracle Raw Iron
Was ist das beste Betriebssystem für einen Datenbankserver? Windows? Linux? AIX? Oracles Antwort im Jahr 1998: nichts von den dreien, sondern eine Oracle 8i-Appliance-Variante mit Namen «Raw Iron», die auf einer angepassten Version von Sun Solaris lief. Keine zusätzlichen Support-Verträge mit anderen Herstellern - Ellisons Imperium wollte alles aus einer Hand anbieten. Die Kundschaft interessierte es wenig - Raw Iron starb einen leisen Tod. Der Markt für Serveranwendungen startete erst wenige Jahre später durch.
Platz 11: B-to-B-E-Commerce
B-to-B-E-Commerce war Anfang des Jahrzehnts als Idee der Venture Capitalists angesagt: Vielversprechende Start-ups sollten mithilfe von Investoren ihre Ideen an etablierte Unternehmen verkaufen, anstatt selbst mit ihnen Geld zu verdienen. Das Problem waren jedoch die aufstrebenden Entwickler selbst: Sie gingen lieber gleich zu den grossen Firmen, um ohne Umweg über die Mittelsmänner den bestmöglichen Gewinn einzustreichen. Der Zwischenhandel im Start-up-Geschäft wurde schnell wieder beerdigt.
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Platz 10: Apple Newton
Apples Newton war der erste PDA (Personal Digital Assistant) überhaupt, schaffte aber nie den Sprung in den Massenmarkt. 1993 veröffentlicht, bald wieder eingestellt - die Gründe reichten vom klobigen Design bis zur geringen Akkulaufzeit. Microsoft und Palm arbeiteten zeitgleich an wesentlich kompakteren, leistungsfähigeren Geräten und liessen Apple keine Chance. Dennoch war es auf der Macworld Expo Jahr für Jahr üblich, hoffnungsvoll auf einen Newton-Nachfolger zu warten, bis Apple im Jahr 2006 dann endlich das iPhone präsentierte.
Platz 9: Palm OS Cobalt
Palms mobile Business-Geräte waren immer Revolutionen, Konkurrent Microsoft konnte nie dagegen anstinken. Softwareseitig war es jedoch genau andersherum: Palm OS war einigermassen erfolgreich, sein Nachfolger Palm OS Cobalt, im Jahr 2004 veröffentlicht, jedoch ein Witz. Niemand wollte es haben. Anfang 2010 wurde Palm schliesslich von HP übernommen.
Platz 8: Netscape 6
Als der Internet Explorer 4 im Jahr 1997 herauskam, war das der Wendepunkt der Browserkriege: Zum ersten Mal überhaupt war Microsofts Produkt besser als der Netscape Communicator - schneller, umfangreicher und kompatibler zu den geltenden Webstandards. Netscape reagierte nicht umgehend, sondern ruhte sich auf den früheren Erfolgen aus. Microsoft legte mit dem IE5 nach und Netscape startete das Open-Source-Projekt Mozilla, bei dem zunächst nichts ausser fehlerhaften Beta-Releases herauskam. Als Netscape 6 dann endlich erschien, war der Kampf bereits zu Gunsten Microsofts entschieden. Der Netscape Communicator lebt dennoch in Mozillas Web-Suite SeaMonkey weiter - diese ist jedoch kaum bekannt und noch seltener im produktiven Einsatz.
Platz 7: Suchportale
Gibt es noch etwas anderes als Google? Als die Dotcom-Blase noch atmete, durchaus: AltaVista, Excite, Infoseek, Lycos und viele andere. Heute sind die meisten Suchmaschinen tot - einige leben im Verborgenen, andere wie ask.com versuchen sich vergeblich an der Wiederauferstehung. Das Problem der meisten damaligen Angebote war ihr Konzept, ausser der Websuche noch Nachrichten- und Börsendienste, Horoskop, Wetterbericht, Spiele, Werbeinhalte, Freemail und andere Services in einem All-in-One-Portal anzubieten. Wir können alles, aber nichts richtig, mag man meinen. Das einzige Portal, was den folgenden Kahlschlag überlebte, war Yahoo (im deutschsprachigen Raum vielleicht noch Web.de). Google nutzte die Unübersichtlichkeit und ging gestärkt aus der Krise hervor. Mitte 2009 präsentierte Microsoft dann Bing und konnte in den letzten Jahren etwas Marktdruchdringung schaffen. Google thront aber nach wie vor deutlich an der Spitze.
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Platz 6: Microsoft Passport
Mehrere Online-Identitäten über einen Service zu verwalten, erscheint von der Idee her sinnvoll. Single Sign-On im Web 2.0 konnte jedoch bisher keinem Unternehmen zu Gewinnen verhelfen. Microsoft Passport ist eines der schlechten Beispiele: Seine Implementierung kam nicht voran, nicht enden wollende Datenschutzdebatten und immer neue Sicherheitslücken verpassten dem Produkt den Todesstoss.
Platz 5: Intel Itanium
Chiphersteller Intel hatte schon immer mit Nachahmern zu kämpfen. Also versuchte man sich mit Itanium an einem 64-Bit-Chip für Server, der eine gänzlich andere Architektur aufwies als die x86-Klassiker. Eine Fehlplanung: Die Anwender liebten x86-Prozessoren, weil sie seit jeher leistungsfähig und bezahlbar waren. Itanium war keins von beiden.
Platz 4: Mac-Clone
In den späten 90ern kamen verschiedene Macintosh-Nachbauten auf den Markt, für die ein von Missmanagement gebeutelter Apple-Konzern 1995 aus Geldnot heraus seinen Segen gegeben hatte. An vorderster Herstellerfront mit dabei: Motorola und Umax. Zwei Jahre dauerte der Wettbewerb, bis Steve Jobs zurückkehrte, die Lizenzen wieder einstampfte und das Unternehmen zurück auf Kurs brachte.
Platz 3: Das papierlose Büro
Ein Büro ohne herumfliegende Notizzettel, Folien, Faxe und Ausdrucke - eine wunderbare Vorstellung zum Schutz der Umwelt, des Geldbeutels und der Putzkolonne. Leider gehören neben den technischen Möglichkeiten auch noch Menschen dazu, die diese Möglichkeit kennen (Information), theoretisch nutzen können (Implementierung, Schulung) und dann auch wirklich in den täglichen Gebrauch übernehmen (persönliche Verantwortung). Die Folge: Seit die Idee vom papierlosen Büro existiert, ist das Papieraufkommen in den Büros weiter gestiegen.
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Platz 2: Windows Vista
Mehrere Verspätungen später kam Microsofts gross angekündigter XP-Nachfolger in abgespeckter Version 2007 dann doch noch. Die geringe Zahl der Verbesserungen in Vista gegenüber XP rechtfertigten ein Upgrade für viele Anwender jedoch nicht. Selbst das Service Pack 1 konnte das Ruder nicht herumreissen, zumal der weitaus attraktivere Nachfolger Windows 7 fast vom Vista-Start weg schon über allen Köpfen schwebte.
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Platz 1: IT-Sicherheit
Ohne Computer geht nichts. Sie verwalten unsere geschäftlichen Dokumente, unsere Kalender, Kontakte und Freunde, Fotoalben, Urlaubsvideos, Einkaufszettel, Gehaltsabrechnungen, Steuererklärungen, Tagebücher, Lieblingswebseiten und Spiele - kurzum: unser Leben. Leider gilt aber auch: dreissig Jahre und kein bisschen sicherer. Das Konzept hinter Viren und Würmern, Spam und Trojanern ist fast so alt wie der PC selbst - man mag aber meinen, die Gefahrenabwehr sei irgendwo in den 80ern stehen geblieben. Jeder Zero-Day-Angriff schafft es auf die Titelseiten, jeder Wurmwinzling kapert zumindest mehrere Zehntausend Rechner - der Schaden geht in die Millionen. Social Engineering, Datenabflüsse und Phishing-Attacken wohin man schaut: Eine sichere IT scheint es nicht geben zu können. Der naive Glaube an Sicherheit ist der grösste Flop der IT-Geschichte - aber glücklicherweise auch der einzige, mit dem wir wohl oder übel dauerhaft werden leben müssen.