Patrick Naef über CIOs 12.10.2022, 06:10 Uhr

«Anwender entscheiden über die IT, nicht der CIO»

Während der Pandemie arbeiteten Millionen Angestellte im Home Office – teils mit ihrer eigenen IT. Dies wird auch in den Büros zur Realität werden, sagt Ex-CIO Patrick Naef im Interview.
Heute ist Patrick Naef unter anderem als Personalberater bei Boyden Switzerland tät
(Quelle: Emirates)
Die Konsumerisierung der IT hat sich durch die Pandemie noch beschleunigt. Je länger, je mehr verschiebt sich die Kontrolle über die IT-Beschaffung weg vom CIO und hin zu den Benutzern. Der Trend ist unumkehrbar, meint Digitalisierungsberater Patrick Naef. Im Interview erklärt er, wie CIOs sich auf die neue Realität in der Business-Informatik einstellen können.
Computerworld: Die Pandemie und die Home-Office-Pflicht haben vieles verändert in der Unternehmens-IT. Ist die Informatik noch wichtiger geworden?
Patrick Naef: Aus meiner Perspektive hat die Informatik nicht erst seit der Pandemie an Bedeutung gewonnen. Schon zuvor gab es gravierende Veränderungen in der Unternehmens-IT.
Noch vor einem Jahrzehnt war die Technologie, die wir bei der Arbeit im Unternehmen verwendeten, weitaus fortschrittlicher als das, was wir uns zu Hause leisten konnten. Vernünftige Rechenleistung, Speicherplatz und Konnektivität waren so teuer, dass es sich nur Unternehmen leisten konnten, sie ausgiebig zu nutzen. Heute ist die Situation umgekehrt, und wir alle nutzen zu Hause wahrscheinlich Technologien und Werkzeuge, die viel ausgefeilter sind als das, was Unternehmen am Arbeitsplatz anbieten.
Darüber hinaus ist die Technologie für die Endbenutzer leicht zu bedienen, dank eines einfachen «Plug and Play»-Ansatzes und der schnellen Adaption der sich ständig weiterentwickelnden Technologien, welche die Möglichkeiten vieler Unternehmen bei weitem übersteigt. Unternehmen hinken der technologischen Entwicklung hinterher, oft gelähmt durch veraltete Legacy-Systeme, die nicht so einfach ersetzen werden können. Dieser Umstand hemmt eine höhere Kadenz bei der Einführung der neuesten Technologien und Tools und somit auch der Innovation.
CW: Dann muss der CIO aktiv werden.
Naef: Korrekt. Am Arbeitsplatz erwarten die Endanwender heute die gleiche Einfachheit und neueste Technologie, die sie von zu Hause gewohnt sind. Zudem bringen sie vermehrt ihre eigenen Technologien mit ins Büro. Dies einzuschränken und vorzuschreiben, welche Technologien, Geräte, Tools etc. am Arbeitsplatz verwendet werden dürfen, wird für CIOs zu einer zunehmend unmöglichen Aufgabe.
Die jüngere Generation möchte die Technologie und die Werkzeuge nutzen, die es ihnen ermöglichen effizient zu arbeiten. Und sie schert sich wenig um Unternehmensstandards und Regeln. Sie wollen ihre eigene Technologie mit zur Arbeit bringen, ihre Geräte verbinden, mit diesen Endgeräten gleichzeitig auf Unternehmenssysteme und -informationen sowie das öffentliche Internet zugreifen. Sie wollen zudem die Apps und Software-Pakete nutzen, mit denen sie vertraut sind und sich mit den Netzwerken verbinden, wo ihre Communities aktiv sind.
Zur Person
Patrick Naef
war von 2006 bis 2018 der Konzern-CIO der Fluggesellschaft Emirates in Dubai. 2011 wurde er von den Lesern des deutschen Magazins «CIO» zum «CIO der Dekade» gewählt. Heute begleitet Naef Organisationen bei der Digitalisierung, unterstützt Geschäftsleitungen bei IT- und Digitalisierung-Themen und coacht IT-Führungskräfte und Start-ups. Er ist Managing Partner bei der Executive-Search-Firma Boyden in Zürich sowie Partner bei Acent in Deutschland und sitzt im Verwaltungsrat der Firmen Franke und Upgreat.



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