Smartphone-Markt
05.10.2010, 15:03 Uhr
die Ruhe vor dem Sturm
Im stark wachsenden Smartphone-Markt geben sich Wackelkandidaten und Aufsteiger die Klinke in die Hand.
Das Wachstum im Smartphone-Markt ist ungebrochen. Während die Verkäufe der intelligenten Handys sogar im Krisenjahr 2009 um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind, scheinen sie in diesem Jahr erst richtig anzuziehen. Die Analysten von Strategy Analytics rechnen etwa damit, dass der Smartphone-Markt um 47 Prozent zulegen wird. Die Marktforscher von Canalys sehen es ähnlich: Nach ihren Berechungen stiegen die Absätze im zweiten Quartal 2010 um 64 Prozent auf rund 64 Millionen Stück.
Das Geschäft treibe allerdings nicht mehr allein Apple mit dem trendigen iPhone. Dieses erreichte zwar einen weltweiten Marktanteil von 13 Prozent, das Wachstum lag mit 61 Prozent jedoch knapp unter dem Durchschnitt. Das iPhone 4 hatte auf diese Zahl noch so gut wie keinen Einfluss, da es erst zum Ende des Quartals auf den Markt kam. Dennoch dürfte es die Verkäufe des Apple-Smartphones anschliessend deutlich angeheizt haben.
Wenngleich der iPhone-Boom anhält, gehen Mobilfunkexperten davon aus, dass Apple bald seinen Wachstums-Peak erreicht haben wird. Abgesehen vom iPad gibt es keine verschiedenen Formfaktoren mit dem Betriebssystem iOS, während für Plattformen wie Google Android, Symbian, Blackberry OS 6 oder Windows Mobile zahlreiche unterschiedliche Geräte verfügbar sind.
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Insbesondere die Strategie von Google, Herstellern sein mobiles Betriebssystem Google kostenlos zur Verfügung zu stellen, um so den Smartphone-Markt (und damit auch den mobilen Werbemarkt) zu erobern, scheint allmählich aufzugehen. So nutzen inzwischen mit HTC, Motorola, Samsung, Sony Ericsson oder LG zahlreiche führende Hersteller Android. Newcomern wie Huawei, Dell oder Acer ermöglicht das System einen günstigen Einstieg ins Smartphone-Geschäft. Angesichts dieser Faktoren ist es kaum überraschend, dass Android im zweiten Quartal 2010 ein beeindruckendes Wachstum um fast 900 Prozent gegenüber dem Vorjahr hinlegte - damals bestand das Angebot allerdings lediglich aus dem T-Mobile G1 (HTC Dream) und dem G2 (HTC Magic). Immerhin: In den USA war Android zwischen April und Juni mit 34 Prozent Marktanteil laut Canalys bereits die absatzstärkste Plattform. Aber auch in Schwellenländern wie China, wo Nokias Symbian-Geräte klar dominieren, ist das Google-Betriebssystem im Kommen. Google-CEO Eric Schmidt erklärte unlängst, dass sein Unternehmen mittlerweile täglich 200'000 Geräte freischalte, doppelt so viele wie noch im Mai.
Branchenexperten sehen gleich eine ganze Reihe von Faktoren, die Googles Android für Hersteller und Anwender so attraktiv macht: Das mobile OS ist kostenlos, offen, flexibel, einfach zu benutzen und wird von Google gepflegt und laufend auf dem aktuellsten Stand gehalten. Grösster Schwachpunkt - zumindest für Business-Nutzer - ist derzeit noch die Security. Es gibt jedoch bereits erste Bemühungen, das Open-Source-System zu zähmen. So bietet etwa Sybase bereits ein Device-Management-System für Google Android an, Certgate arbeitet an einer Smartcard-basierten Verschlüsselungslösung.
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Konkurrenz im Business-Umfeld
Googles Erfolg könnte nicht nur Apple, sondern auch den BlackBerry-Hersteller Research in Motion (RIM) empfindlich treffen. Zwar lag das kanadische Unternehmen im zweiten Quartal 2010 noch mit einem Marktanteil von 18 Prozent weltweit hinter Nokia auf dem zweiten Platz und erreichte in Nord- und Südamerika sogar die Topposition. Das im Vergleich zum Gesamtmarkt relativ schwache Wachstum um 41 Prozent deutet jedoch an, dass Features wie eine sichere E-Mail- und PIM-Daten-Synchronisation künftig nicht mehr als zentrales Argument ausreichen. Gefragt ist ein angenehmes Nutzererlebnis.
Googles Erfolg könnte nicht nur Apple, sondern auch den BlackBerry-Hersteller Research in Motion (RIM) empfindlich treffen. Zwar lag das kanadische Unternehmen im zweiten Quartal 2010 noch mit einem Marktanteil von 18 Prozent weltweit hinter Nokia auf dem zweiten Platz und erreichte in Nord- und Südamerika sogar die Topposition. Das im Vergleich zum Gesamtmarkt relativ schwache Wachstum um 41 Prozent deutet jedoch an, dass Features wie eine sichere E-Mail- und PIM-Daten-Synchronisation künftig nicht mehr als zentrales Argument ausreichen. Gefragt ist ein angenehmes Nutzererlebnis.
Bis vor kurzem konnten die Kanadier noch stark davon profitieren, dass es im Business-Umfeld kaum Alternativen zu ihren Geräten gab: Microsoft steckte mit dem veralteten Windows Mobile in einer Sackgasse, bis dieses durch die Ankündigung von Windows Phone 7 zum Auslaufmodell wurde. Plattformen wie Android, Symbian und iOS kamen insbesondere wegen Lücken bei den Sicherheits-Features für einen Einsatz im Unternehmen lange Zeit kaum in Frage. Inzwischen haben jedoch gerade die neuen Konkurrenten bei den Business-Funktionen nachgebessert und scheinen nun in den Unternehmen anzukommen. So erklärte Apple bei der Bekanntgabe seiner jüngsten Quartalszahlen, fast 80 Prozent der Fortune-100-Unternehmen in den USA würden das iPhone testen oder bereits einsetzen. Forrester berichtet, 29 Prozent der Unternehmen in Nordamerika und Europa unterstützen bereits iPhone und iPad.
Für den BlackBerry könnten schwere Zeiten anbrechen, meint auch die «New York Times» und bezieht sich dabei auf das Ergebnis einer Umfrage von Crowd Science in den USA. Darin gaben fast 40 Prozent der BlackBerry-Nutzer an, ihr Gerät lieber gegen ein iPhone oder Android-Handy eintauschen zu wollen, lediglich 42 Prozent wollen ihr Gerät behalten. Bleibt abzuwarten, ob RIMs Gegenmassnahmen Wirkung zeigen. So bewegt sich etwa die neue Version 6 von Blackberry-OS klar in Richtung Usability, ohne dass die bewährten Business-Tugenden aufgegeben werden.
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Die Trends verschlafen
Auch der finnische Handy-Riese Nokia steht vor Schwierigkeiten. Lange Zeit war der Konzern technisch wegweisend. Jedoch hat der Marktführer wegen seiner Service-Strategie um das mobile Portal Ovi das Kerngeschäft vernachlässigt und es verabsäumt, sein Symbian-Betriebssystem Fett ansetzen lassen. Den Trend zu Touchscreen und einfacher Benutzerführung hat Nokia fast komplett verschlafen. Die versprochenen Topmodelle mit Symbian 3 oder Meego liessen lange auf sich warten. Als Konsequenz büssen die Finnen kontinuierlich Marktanteile ein, auch wenn der Absatz im zweiten Quartal um 41 Prozent auf 23,8 Millionen Smartphones stieg. Im Detail betrachtet befindet sich Nokia laut Canalys-Studie vor allem in den Industrieländern und im Hochpreissegment auf dem Rückzug, während der Konzern bei billigen Mittelklassegeräten und insbesondere in Schwellenländern noch gut im Geschäft ist.
Auch der finnische Handy-Riese Nokia steht vor Schwierigkeiten. Lange Zeit war der Konzern technisch wegweisend. Jedoch hat der Marktführer wegen seiner Service-Strategie um das mobile Portal Ovi das Kerngeschäft vernachlässigt und es verabsäumt, sein Symbian-Betriebssystem Fett ansetzen lassen. Den Trend zu Touchscreen und einfacher Benutzerführung hat Nokia fast komplett verschlafen. Die versprochenen Topmodelle mit Symbian 3 oder Meego liessen lange auf sich warten. Als Konsequenz büssen die Finnen kontinuierlich Marktanteile ein, auch wenn der Absatz im zweiten Quartal um 41 Prozent auf 23,8 Millionen Smartphones stieg. Im Detail betrachtet befindet sich Nokia laut Canalys-Studie vor allem in den Industrieländern und im Hochpreissegment auf dem Rückzug, während der Konzern bei billigen Mittelklassegeräten und insbesondere in Schwellenländern noch gut im Geschäft ist.
Bei seinem Marktanteil von 38 Prozent profitiert der Hersteller klar von einer grosszügigen Definition des Begriffs Smartphone, die zahlreiche günstige Mobiltelefone der Nokia-Produktpalette dank Symbian-Betriebssystem mit einschliesst.
Ausgehend von aktuellen Trends wie dem mobilen Internet, Apps und Social Media sowie dem allgemeinen Preisverfall bei Komponenten könnte diese mehr oder weniger künstliche Trennung zwischen Handy und Smartphone ohnehin bald Geschichte sein. So prognostiziert etwa Canalys, dass bereits 2013 über 27 Prozent aller weltweit verkauften Mobiltelefone Smartphones sein werden. In Westeuropa soll der Anteil über 60 Prozent, in Nordamerika bei rund 48 Prozent liegen.
Dieser Artikel stammt im Original von unserem Computerwoche-Kollegen Manfred Bremmer.