Forensik
14.01.2024, 19:23 Uhr
Schweizer Fingerabdruck-Experten kritisieren US-Studie
Nicht jeder Fingerabdruck ist einzigartig. Das zeigt eine neue Studie im Fachblatt "Science Advances". Laut Schweizer Experten war das aber schon zuvor vollkommen bekannt.
Mit Künstlicher Intelligenz zeigten Forschende der Columbia University (USA) in der am Freitag veröffentlichten Studie, dass Fingerabdrücke von verschiedenen Fingern einer einzelnen Person zugeordnet werden können. "Die Authentifizierung durch Fingerabdrücke basiert auf der unbewiesenen Annahme, dass keine zwei Fingerabdrücke, auch nicht von verschiedenen Fingern derselben Person, gleich sind", schrieben die US-Ingenieure, von denen keiner einen forensischen Hintergrund hat, in der Studie.
"Diese Behauptung stimmt nicht", stellte Forensikprofessor Christophe Champod von der Universität Lausanne auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA klar. Das möge in Krimiserien behauptet werden, nicht aber in der forensischen Wissenschaft.
"Jeder Fingerabdruckexperte der häufig oder über Jahre mit daktyloskopischem Vergleichsmaterial arbeitet, kennt diese Ähnlichkeit der Grundmuster", bestätigte auch Peter Broder, Teamchef Daktyloskopie - wie die Fingerabdruck-Identifikation in der Fachsprache genannt wird - des Forensischen Instituts Zürich.
Das kann die KI
Die Ingenieure der Columbia University fütterten für ihre Studie Fingerabdrücke aus einer öffentliche US-Datenbank jeweils in Paaren in ein auf Künstlicher Intelligenz basierendes System. Teilweise gehörten beide Fingerabdrücke des Paares zur gleichen Person (aber zu unterschiedlichen Fingern), teilweise stammten sie von unterschiedlichen Menschen.
Die so trainierte KI konnte laut der Studie mit einer Treffsicherheit von 77 Prozent sagen, ob beide Fingerabdrücke von derselben Person stammten oder nicht. In einem zweiten Schritt analysierten die Ingenieure, welche Informationen die KI nutzt, um herauszufinden, ob die Fingerabdrücke jeweils zur gleichen Person gehören. Dabei zeigte sich, dass sich die KI dabei auf die Ausrichtung der Rillen im Zentrum des Fingerabdrucks konzentrierte
Verschiedene Ebenen
Daktyloskopische Vergleiche werden in der forensischen Arbeit auf drei verschieden Levels durchgeführt, wie das Forensische Institut erklärte. Die Ausrichtung der Rillen, die die KI anschaut, also das Grundmuster des Fingerabdrucks, bildet die erste Ebene. "Auf dieser Ebene kann es zu Übereinstimmungen kommen, was jedoch nicht heisst oder auch nicht ausschliesst, dass es sich um die gleiche Person handelt", so Broder.
Der Vergleich dieser Ebene ist laut dem Experten für jeden Daktyloskopen einer der ersten Schritte bei einer vergleichenden Untersuchung. Für ein aussagekräftiges Resultat muss laut Broder aber zwingend die zweite Ebene hinzugezogen werden. Auf dieser Ebene sind die Unterschiede in Form von anatomischen Merkmalen - sogenannte Minutien - vorhanden, die für den eigentlichen Vergleich hinzugezogen und Punkt für Punkt miteinander verglichen werden. "Auf dieser Ebene werden die Unterschiede der Fingerabdrücke erst ersichtlich", erklärte Broder. Als dritten Schritt können weitere Merkmale wie die Poren oder die Linienränder für den Vergleich hinzugezogen werden.
Fingerabdrücke noch immer wichtig
Die Studie sei damit als Beispiel für einen möglichen Einsatz der KI interessant, so Broder. Die Resultate seien aber nicht als Durchbruch für die Forensische Arbeit mit Fingerabdrücken zu sehen und leisteten in dieser Form keinen Mehrwert. Champod wiederum gab sich auch von einem möglichen Einsatz der KI in diesem Gebiet nicht überzeugt. Denn anders als die für die Studie verwendeten Fingerabdrücke, seien die Fingerabdrücke, die an Tatorten gefunden werden, selten ganz vorhanden. "Oft ist nur ein Teil eines Abdrucks vorhanden, oder nur ein schwacher Abdruck", sagte Champod.
Seit über 100 Jahren werden Fingerabdrücke als Beweismittel zur Personenidentifikation in Justizverfahren angewendet. Und auch heute spielen sie laut den Experten noch eine grosse Rolle. "Die daktyloskopische Spur ist nach wie vor die einzige Spur, die eine Identifizierung des Spurenverursachers ermöglicht. Selbst eineiige Zwillinge haben zwar ähnliche, jedoch unterschiedliche Fingerabdrücke", betonte Broder. Denn DNA kann laut Champod auch über Drittpersonen an einen Tatort gelangen. An rund 20 Prozent aller Tatorte werden laut Champod Fingerabdrücke gefunden.
Siehe auch: Fingerabdrücke laut KI doch nicht einzigartig