Mit IoT Analytics Maschinendaten richtig auswerten
Im Gespräch mit Wolfgang Auer, CEO von Smartbow
Das Verhalten einer Kuh sagt viel darüber aus, wie es ihr geht. Wolfgang Auer, CEO des österreichischen Unternehmens Smartbow erklärt, wie sich diese Erkenntnis mit Hilfe moderner Analyseverfahren in eine IoT-Anwendung für Landwirte umsetzen lässt.
Computerworld: Herr Auer, was genau macht Ihre Lösung?
Wolfgang Auer: Wir haben eine Ohrmarke für Kühe entwickelt. Damit kann man die Tiere orten, ihren Gesundheitszustand überwachen und erkennen, wenn eine Kuh brünstig wird.
Computerworld: Wie funktioniert das?
Auer: Über die Marken wird ein Timing-Signal versendet, das es erlaubt, ein Tier auf einen Meter genau zu lokalisieren. Diese Information wird im Sekundentakt übermittelt. So lassen sich die Bewegungsprofile einer Kuh ermitteln und Verhaltensveränderungen sehr schnell erkennen. Ein Beschleunigungssensor in den Marken misst zudem die Ohrbewegungen, die ihrerseits ein guter Indikator für den Gesundheitszustand sind. Gesunde Kühe wackeln mit den Ohren.
Computerworld: Welche besonderen Herausforderungen stellen Kühe an die Erfassung, Übermittlung und Analyse von Daten?
Auer: Generell müssen die Sensoren für die Datenerfassung sehr robust sein, lange halten und sich natürlich drahtlos auslesen lassen. Die nächste Herausforderung ist die Datenmenge. Pro Kuh und Tag fällt circa 1 MByte an Daten an. Bei einem grossen Betrieb mit vielleicht 5.000 Tieren sind das 5 GByte. Das lässt sich nicht in Echtzeit in eine Cloud übertragen und dort verarbeiten, zumal die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nicht oder nur unzureichend mit Internetzugängen versorgt sind. Wichtig sind auch Datensicherheit und Datenschutz.
Computerworld: Wie haben Sie diese Probleme gelöst?
Auer: Für die Übermittlung verwenden wir ein Wireless-System im 2,4-GHz-Band. Im Aussenbereich können die Empfänger mit Solarpanels betrieben werden. Die Daten werden in Echtzeit an einen lokalen Server gestreamt und dort direkt analysiert. Sofern der Landwirt einverstanden ist, können wir die Daten dann in unsere Cloud übertragen, um unsere Algorithmen betriebsübergreifend trainieren zu können.
Computerworld: Welche technische Infrastruktur nutzen Sie für Ihre Plattform?
Auer: Red Hat OpenShift Container Platform, da diese Lösung weltweit, dezentral und Provider-unabhängig genutzt werden kann.
Computerworld: Wie funktioniert die Datenauswertung?
Auer: Mit Hilfe von Machine Learning haben wir über 20 Algorithmen entwickelt, die anhand der erfassten Daten eine Prognose ermöglichen. Dabei versuchen wir, so wenig Datenquellen wie möglich zu nutzen und so viele Informationen wie möglich daraus zu generieren.
Computerworld: Vernetzen Sie Ihre Daten mit anderen Informationsquellen?
Auer: Prinzipiell wäre das denkbar. Leider sind die Daten vieler Fütterungs- oder Melksysteme nicht offen zugänglich und nicht normalisiert. Dabei wäre es ausgesprochen hilfreich, wenn die Daten in offenen Formaten zur Verfügung stehen würden.
Computerworld: Sind alle Kühe gleich?
Auer: Ganz und gar nicht, es gibt sehr aktive und ruhigere Tiere. Das System lernt, solche individuellen Unterschiede zu erkennen, und generiert für jedes Tier sozusagen ein «Normalprofil».
Computerworld: Wie lange dauert das?
Auer: Unsere KI kann sich in zwei bis drei Tagen an jeden Stall anpassen.
Computerworld: Spielen auch Umweltparameter eine Rolle?
Auer: Gewiss. Eine Kuh in Kanada wird sich bei 40 Grad minus Aussentemperatur anders verhalten als eine in Dubai bei 40 Grad plus. Auch verändert sich das Verhalten etwa bei einer Futterumstellung oder wenn eine Klauenpflege ansteht. Solche Einflüsse können wir aber erkennen und entsprechend berücksichtigen.
Computerworld: Was hat der Landwirt von Ihren Ohrmarken?
Auer: Er kann Stress- und Krankheitssymptome, aber auch den Beginn einer Brunst frühzeitig bemerken und Massnahmen ergreifen. Dadurch vermeidet er einen Abfall in der Milchleistung, braucht weniger Medikamente und erhöht den Besamungserfolg. Durch die genaue Ortung der Kühe weiss er zudem immer, wo sich jedes Tier befindet, verschwendet keine Zeit bei der Suche und kann Optimierungsmöglichkeiten im Stall erkennen.