Interview mit Samir Aliyev 10.07.2024, 12:30 Uhr

Cybersicherheit hat höchste Priorität

Als Gründer des Swiss Cyber Institute und Organisator der Global Cyber Conference hat sich Samir Aliyev weltweit einen Namen gemacht. Seine Events sind ein Stelldichein führender Organisationen, Cybersecurity-Spezialisten und Persönlichkeiten.
Samir Aliyev hat es in kürzester Zeit geschafft, mit der Global Cyber Conference und den Swiss CISO Awards eine weltweit aktive Community zu begeistern.
(Quelle: Swiss Cyber Institute)
Sicherheit und Compliance von Daten haben in vielen Unternehmen und Organisationen derzeit höchste Priorität. Jemand, der sich diesen Themen mit Herzblut widmet, ist Samir Aliyev. Er ist Visionär, Macher und Netzwerker. Und er hat in der Schweiz etwas geschaffen, was internationale Anerkennung geniesst.
Computerworld (CW): Samir Aliyev, Sie sind Gründer und CEO des Swiss Cyber Institute (SCI). Bitte erzählen Sie uns kurz, wie es zur Gründung gekommen ist und welche Ziele das SCI verfolgt.
Samir Aliyev: Nachdem ich meinen zweiten Master in internationalem Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich abgeschlossen hatte, begann ich als Studienleiter an der Universität St. Gallen zu arbeiten und gründete Ende 2019 das Swiss Cyber Institute. Die Mission des Swiss Cyber Instituts ist es, die gesellschaftliche Sicherheit zu verbessern und die Lücke zwischen der Nachfrage nach Sicherheitsexperten und dem bestehenden Defizit zu schliessen. Das Institut veranstaltet regelmässig hochkarätige Veranstaltungen, Webinare und Seminare in Zürich und hat offizielle Anerkennung vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) erhalten, um Vorbereitungskurse für eidgenössische Prüfungen in der Cybersicherheit anzubieten. Unsere Hauptmotivation war es, durch effektiven Kapazitätsaufbau von Cyberspezialisten in der Schweiz und international zu einer sichereren Welt beizutragen.
CW: Das Thema Cyber Security ist sehr vielschichtig und dynamisch. Wo sehen Sie aktuell die wichtigsten Schwerpunkte?
Aliyev: Cybersicherheit umfasst weit mehr als nur technische Werkzeuge; es geht auch um Menschen, Prozesse, Standards, rechtliche Rahmenbedingungen und ethische Überlegungen. Der Schwerpunkt sollte vor allem auf dem Aufbau von menschlichem Potenzial liegen, damit Einzelpersonen die Technologie, die Bedrohungslage im Cyberraum und die notwendigen Standards, Prozesse und rechtlichen Anforderungen verstehen. Dieses umfassende Verständnis ist entscheidend für die Sicherung von Systemen, mission-kritischen Vermögenswerten, Netzwerken, Daten und letztendlich unseres Lebens. Ich betone, dass Humankapital das wichtigste und oft fehlende Element in der Cybersicherheit ist. Daher ist es unser Hauptziel, die Kapazitäten zu erweitern, indem wir mehr Menschen ausbilden, neue Talente in das Feld bringen und ihnen helfen, ihre Karrieren zu entwickeln und voranzubringen, wodurch wir ihr Leben positiv beeinflussen.
CW: Wo stellen Sie dringenden Handlungsbedarf fest? Und warum?
Aliyev: Der dringendste Handlungsbedarf in der Cybersicherheit liegt in der Verbesserung der Zusammenarbeit generell. Da der Cyberspace keine physischen Grenzen kennt, können Schwachstellen international ausgenutzt werden. Es ist daher unerlässlich, gemeinsame Unternehmungen und Partnerschaften über verschiedene Sektoren hinweg zu fördern. Eine effektive Zusammenarbeit sollte international, regional und lokal stattfinden und sowohl den privaten als auch den öffentlichen Sektor sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie einbeziehen. Das Ziel ist es, alle Interessengruppen und Vordenker zusammenzubringen, um die aktuellen Herausforderungen der Cybersicherheit zu bewältigen und vernünftige Lösungen zu entwickeln. Dieser kollaborative Ansatz ist entscheidend für eine umfassende und effektive Reaktion auf Cyberbedrohungen.
“Der dringendste Handlungsbedarf in der Cybersicherheit liegt in der Verbesserung der Zusammenarbeit generell.„
Samir Aliyev
CW: Sie bwz. das SCI sind international sehr gut vernetzt. Gibt es Unterschiede bei der Herangehensweise an die Security-Thematik, wenn Sie die verschiedenen Länder und Organisationen vergleichen?
Aliyev: Das globale Cybersicherheitsumfeld ist vielfältig aufgrund unterschiedlicher Entwicklungsniveaus und Zugänge zu Technologie und Ressourcen. Entwickelte Regionen wie Nordamerika und der asiatisch-pazifische Raum, insbesondere China, haben robuste Cybersicherheitsmassnahmen, während der Nahe Osten aufgrund erheblicher Investitionen in sein digitales Ökosystem in diesem Bereich schnell voranschreitet. Europa zeigt jedoch weniger Innovation in der Cybersicherheit, obwohl neue EU-Regelungen Hoffnung auf mehr Investitionen und Start-ups wecken. Die Schweiz sticht als hochinnovatives Land hervor, mit starken Universitäten, Forschungsinstituten und Start-ups, die zu ihrem Ruf als potenzielles globales Zentrum für Cybersicherheit beitragen. Unser Ansatz betont Inklusivität und Unterstützung für ressourcenarme Regionen, indem wir manchmal Schulungen kostenlos oder zu niedrigen Kosten anbieten, um sicherzustellen, dass niemand im Bereich der Cybersicherheit zurückgelassen wird.
CW: Welche Methodik bzw. Taktik hat sich aus Ihrer Erfahrung bisher am sinnvollsten erwiesen? Was würden Sie Unternehmen und Organisationen raten?
Aliyev: Die wirkungsvollste Methodik in meiner Erfahrung ist die Kollaboration innerhalb von Organisationen. Cybersicherheit betrifft alle Teile einer Organisation und sollte wie eine Fabrik betrachtet werden, in der jeder zum Endprodukt beiträgt. Es ist entscheidend, dass jeder Mitarbeitende, unabhängig von seiner Rolle, ein tiefes Verständnis für Cybersicherheit hat. Dies umfasst das Bewusstsein für eine Sicherheitskultur, den Schutz von Daten und die Bedeutung des Schutzes von geistigem Eigentum und vertraulichen Unternehmensdaten. Die Förderung eines Top-down-Ansatzes zur Kultivierung einer Kultur der Sicherheit und Privatsphäre ist von entscheidender Bedeutung. Umfassende Schulungen und Wissensvermittlung an Mitarbeitende gewährleisten, dass sie die Cybersicherheitsbemühungen der Organisation verstehen und effektiv dazu beitragen können.
Das von Samir Aliyev gegündete Swiss Cyber Institute ver­anstaltet regel­mässig Veran­stal­tungen, Webinare und Seminare und hat offizielle Anerkennung vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
Quelle: Swiss Cyber Institute
CW: KI und IoT versprechen auf der einen Seite grossen Nutzen, sind aber auch potenzielle Sicherheitsrisiken. Wie beurteilen Sie die Thematik? Worauf sollte man achten?
Aliyev: KI und IoT sind aufkommende Technologien, die wie das Internet und Software in ihren frühen Tagen sowohl erhebliche potenzielle Vorteile als auch Sicherheitsrisiken mit sich bringen. Zwar könnten Cyberkriminelle diese Technologien ausnutzen, aber die Chancen, die sie für die Verbesserung von Systemprozessen, Technologien und allgemeinen Sicherheitsansätzen bieten, sind immens. Es ist entscheidend, sich an diese Technologien anzupassen und mit ihnen zu entwickeln, indem wir KI als nächste Generationstechnologie erkennen, die bleibt und zunehmend unser Leben beeinflussen wird. Der Ansatz sollte darin bestehen, unsere Systeme zu aktualisieren und zu verbessern, um die positiven Aspekte von KI und IoT zu nutzen und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken zu mindern.
CW: Mit der Global Cyber Conference und den Swiss CISO Awards haben Sie es geschafft, quasi von null auf hundert zwei erfolgreiche Events zu organisieren. Wie einfach oder schwierig ist es, in der Schweiz ein solches Netzwerk auf die Beine zu stellen? Oder anders gefragt: Wie haben Sie das geschafft?
Aliyev: Durch die Inspiration meiner bisherigen Arbeit mit führenden globalen Eventorganisatoren und Führungskräften habe ich mich entschieden, die zentrale Rolle der Schweiz in den internationalen Beziehungen zu nutzen, um während der Pandemie eine globale Cyberkonferenz auszurichten. Die erste Global Cyber Conference wurde im September 2022 gestartet und erlangte bedeutende internationale Sichtbarkeit und Unterstützung. Sie ist schnell gewachsen, wobei in den folgenden Jahren Delegationen aus zahlreichen Ländern teilnahmen. Der Erfolg dieser Veranstaltungen baute Vertrauen auf und etablierte die Konferenz als kritische Plattform für die Diskussion über Cybersicherheit. Neben der Konferenz erkennen die Swiss CISO Awards, welche ich in 2023 ins Leben gerufen habe und im November zum zweiten Mal stattfinden, führende Persönlichkeiten im Bereich der Schweizer Cybersicherheit an und würdigen sie. Diese Veranstaltungen bieten ein einzigartiges Forum für globale Führungskräfte, um Herausforderungen, Lösungen und bewährte Praktiken zu teilen, die normalerweise nicht über soziale Medien oder Online-Plattformen verfügbar sind. Dieser Ansatz hat sich als grosser Erfolg erwiesen, indem er sowohl Schweizer als auch internationale Teilnehmende durch Lernen, Wissensaustausch, Networking und Engagement bereichert.
Im Rahmen der Global Cyber Conference werden am 26. November 2024 in Zürich die neuen Gewinner des CISO Awards gekürt.
Quelle: Swiss Cyber Institute
CW: Ich nehme an, die Vorbereitungen für die nächste Global Cyber Conference und Swiss CISO Awards im November laufen bereits. Worauf dürfen wir dieses Jahr besonders gespannt sein?
Aliyev: Die Vorbereitungen für die diesjährige Global Cyber Conference sind in vollem Gange. Diese hat dieses Jahr die Schwerpunkte Cloud & AI Security, Business Impact und Enterprise Strategy. Die Teilnehmenden dürfen einige aufregende Neuerungen erwarten. Wir freuen uns, über 70 weltbekannte Experten begrüssen zu dürfen. Diese bieten wertvolle Einblicke in die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen und Entwicklungen im Bereich der Cybersicherheit. Mit mehr als 60 Sessions können die Teilnehmenden aus einer breiten Palette von Themen wählen, die auf ihre individuellen Interessen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ein weiteres Highlight ist die internationale Reichweite der Konferenz. Mit über 350 Premium-Gästen aus mehr als 30 Ländern bietet die Veranstaltung eine hervorragende Gelegenheit zum globalen Networking und Wissensaustausch. Fachleute aus aller Welt können sich hier vernetzen und voneinander lernen. Besonders spannend ist in diesem Jahr die Einführung des Hacker’s Escape Rooms. The Dolder Grand wird in eine interaktive Erlebniswelt verwandelt, welche die Teilnehmenden in spannende Cybersicherheits-Szenarien eintauchen lässt. Diese Attraktion hebt die Interaktion und das Networking auf ein völlig neues Niveau und bietet den Teilnehmenden eine praxisnahe Erfahrung.
Zur Person
Samir Aliyev
ist Gründer und CEO des Swiss Cyber Institute in Zürich. Seit 2018 ist er Programm Direktor des CAS «Data Protection Officer» und des CAS «Cyber Security für Führungskräfte» an der Executive School der Universität St. Gallen. Zuvor war er als Cybersecurity-Trainingsexperte bei Expertengruppentreffen in den Regionen Afrika, Asien-Pazifik und Lateinamerika für das UN Office on Drugs and Crime (UNODC) tätig. Er ist Doktoratsforscher für KI im Bildungswesen an der Universität Jyväskylä in Finnland.




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