Basel Economic Forum 2019
22.11.2019, 19:45 Uhr
Wer Daten will, muss Anreize schaffen
Laut Experten wird der Staat beim Datensammeln oft kritischer hinterfragt als private Unternehmen. Am Basel Economic Forum 2019 diskutierten sie deshalb darüber, was unternommen werden muss, damit Bürgerinnen und Bürger ihre Daten auch an den Staat weitergeben.
Nicole Hostettler, die Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt, eröffnete das Basel Economic Forum 2019
(Quelle: Alex Uehlinger)
In Basel ist das diesjährige Basel Economic Forum (BEF) über die Bühne gegangen. Daten waren das grosse Thema des Anlasses im Hotel an der Basler Messe. Expertinnen und Experten zeigten an der Veranstaltung Potenziale, Rahmenbedingungen und Risiken für die Wirtschaft auf. Eröffnet wurde das BEF 2019 von Nicole Hostettler, der Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit.
Zum Thema Open Government Data – öffentlich zugängliche Behördendaten – sagte Hostettler zum Einstieg: «Sie eröffnen die Chance auf mehr Teilhabe und Transparenz. Zudem liefern sie Impulse für neue Geschäftsmodelle und Innovationen, womit sie einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts leisten.»
Die Wichtigkeit von Daten erschöpft sich ihr zufolge aber nicht nur in deren Aufbereitung für Dritte, sondern erleichtert auch die Erfüllung staatlicher Aufgaben: So sei eine ganzheitliche Interpretation von Datenmaterial die Basis einer evidenzbasierten Politik – also die Grundlage für effizienteres, kundenfreundliches und bedarfsgerechtes Verwaltungshandeln.
Regula Ruetz, die Direktorin des Think Tanks Metrobasel, sagte im Anschluss an die Eröffnungsrede von Hostettler, dass die Kunst darin bestünde, die Datennutzung so zu regulieren, dass sie dem Einzelnen und der Gesellschaft einen Mehrwert bringe und möglichst wenig Schaden verursache.
In Anbetracht der Risiken durch Manipulationen und gezielten Angriffen, mit denen eine Informationsgesellschaft konfrontiert ist, sei es von «ausserordentlicher Wichtigkeit, dass sich Politik, Wirtschaft aber auch die Gesellschaft mit den Potenzialen, Risiken und Rahmenbedingungen der Datennutzung auseinandersetzen», sagte Ruetz.
Erfolgreiche Digitalisierung ist Vertrauenssache
Über kritische Aspekte bei der Nutzung von Daten sprach unter anderem Phillipe Borloz, Vice President Sales und General Manager EMEA bei der Kudelski Gruppe. Seiner Meinung nach ist eine erfolgreiche Digitalisierung auch Vertrauenssache. «Wir sind im Begriff, eine ‹Always On›-Gesellschaft zu werden: Smart TVs, Smart Cars, digitale Assistenten von Siri bis Alexa – beinahe jeder Lebensbereich wird mittlerweile aufgezeichnet. Damit stellt sich die drängende Frage, wer unter welchen Umständen auf diese Daten zugreifen darf», sagte Borloz.
Man müsse sich in diesem Zusammenhang etwa fragen, wieviel Überwachung man für die eigene Sicherheit in Kauf nehmen will und an wen die Verantwortung für die Freiheit in der digitalen Welt delegiert werden soll – an Firmen, Staaten oder gar private Akteure?
Laut Borloz müsse auch ein Bewusstein für Cyber-Risiken geschaffen werden. Bei den globalen Risiken stehen Cyberattacken und Data Fraud mittlerweile auf den Plätzen vier und fünf. Damit gehören sie zu den fünf Toprisiken, mit denen vor allem Unternehmen aktuell konfrontiert sind.
Der Kudelski-Manager ist sich jedoch auch bewusst, dass dies nicht von heute auf morgen geschieht: «Bis Autos den Sicherheitsstandards von heute entsprachen, dauerte es 100 Jahre. Bis wir einen vergleichbaren Standard im Cyberbereich erreicht haben, sind ebenfalls noch ein paar Jahre Entwicklungsarbeit notwendig.»
Vertrauen fördern und Anreize schaffen
Der Smart-City-Experte Stefan Metzger wies in seiner Präsentation darauf hin, dass das vorherrschende Bild von Daten, welche nur für individualisierte Werbung genutzt würden, schon lange überholt sei. Aus Daten könne bedeutend mehr nützliches Wissen extrahiert werden, wenn man verschiedene Datensätze richtig kombiniere.
Für den Staat sei dies allerdings oft nicht ganz so einfach. Denn gemäss Metzger werden an diesen viel höhere Ansprüche gestellt, wenn es um das Sammeln von Daten geht. «Es ist ein wenig schizophren, wenn man einerseits dem Staat so wenig Daten wie möglich überlassen will, aber gegenüber privaten Unternehmen via Smartphone gleichzeitig alle möglichen Daten offenlegt – beispielsweise das Mobilitäts- und Einkaufsverhalten oder sensible Information bezüglich des eigenen Gesundheitszustands.»
Auch Jörg Lutz, der Oberbürgermeister der deutschen Nachbarstadt Lörrach, stellte in einer Diskussion am BEF fest, dass der Staat beim Datensammeln regelmässig kritischer hinterfragt wird als dies bei privaten Unternehmen der Fall ist. «In unserer westlichen Gesellschaft herrscht ein kritisches Denken gegenüber dem Staat und dessen Datenhunger, jedoch lassen wir private Unternehmen ohne diese gross zu hinterfragen gewähren», sagte er.
Die ungleich langen Spiesse seien deshalb hinderlich auf dem Weg zu einer Smart City, mit der sich laut Lutz viele Probleme in Umwelt- und Mobilitätsfragen lösen liessen. «Wäre eine dahingehende Datenerhebung sowie Aufbereitung möglich, würde ein grosser Mehrwert für die gesamte Bevölkerung resultieren», sagte er. Diesen Mehrwert gelte es überzeugend zu kommunizieren, damit die Bevölkerung Vertrauen fassen könne und eine solche Entwicklung mittrage.
Smart-City-Spezialist Metzger zeigte sich zudem überzeugt, dass es für Bürgerinnen und Bürger Anreize braucht, damit diese ihre Daten in irgendeiner Form auch an den Staat weitergeben. Die Teilnehmer einer Break-out Session schlugen beispielsweise vor, dass Personen Steuern sparen könnten, indem sie ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen.
Transparenz bei der Datenverarbeitung
In einer Podiumsdiskussion zum Abschluss des Basel Economic Forums 2019 betonte Dirk Lindemann, der frischgebackene Direktor des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation BIT, dass den Bürgerinnen und Bürgern möglichst viel Selbstbestimmung in Bezug auf die Verwendung der eigenen Daten zukommen müsse.
Es gelte dabei überzeugend zu kommunizieren, wie viel Sorgfalt der Staat bei der Datenverarbeitung walten lasse. Denn Daten sind laut Lindemann lediglich im falschen Kontext gefährlich. Mit dem entsprechenden Mass an Anonymisierung seien keinerlei Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich – gleichwohl könne das Potenzial der Daten beispielsweise für die intelligente Weiterentwicklung des Siedlungsraums ausgeschöpft werden.
Daher forderte der neue BIT-Direktor insgesamt mehr Mut zur Innovation. Ihm zufolge müsse auch auf Verwaltungsebene vermehrt in den Versuchsmodus gewechselt werden – selbst wenn dort das Prinzip «Trial & Error» nicht gerne gesehen werde.
Auch für Lörrachs Oberbürgermeister Lutz sind die Transparenz bei der Datenverarbeitung sowie der permanente gesellschaftliche Dialog entscheidend. «Wenn die Bürger immer genau wissen, wofür ihre Daten erhoben werden, und gleichzeitig ein direkter persönlicher Nutzen ersichtlich ist, würde die Schere zwischen privaten und staatlichen Akteuren nicht so weit auseinanderklaffen», zeigte er sich im Gespräch mit den anderen Podiumsteilnehmern überzeugt.
Wie Lutz anmerkte, macht es dabei einen grossen Unterschied, ob Daten wie derzeit vor allem zur Gewinnoptimierung eingesetzt werden oder für öffentliche Belange. «Wenn Daten erkennbar fürs Gemeinwohl und nicht ausschliesslich für ökonomische Interessen eingesetzt werden, bei denen sich Einzelne die Taschen füllen, dann reagiert die Bevölkerung positiv.» Und weiter: «Damit wird ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, der uns auf dem Weg zu einer gelungenen digitalen Transformation einen Schritt weiterbringt.»