Annalise Eggimann, Direktorin, Innosuisse
16.01.2019, 06:17 Uhr
«Man kann auch von der Schweiz aus die Welt erobern»
Im Ranking der innovativsten Länder der Welt rangiert die Schweiz ganz vorne. Hierzu trägt auch Innosuisse bei, die Agentur des Bundes für die Innovationsförderung. Direktorin Annalise Eggimann spricht im Interview über die Bedeutung von Forschung und Entwicklung, weshalb Innovation auch soziale Aspekte verfolgen sollte und wieso der Einsatz von IT aus dem Innovationsprozess nicht mehr wegzudenken ist.
Direktorin Annalise Eggimann will den Bekanntheitsgrad der Innovationsagentur des Bundes, Innosuisse, erhöhen.
(Quelle: Werner Rolli)
Wie definieren Sie Innovation?
Innovation bedeutet für mich, etwas Neues schaffen und damit einen Effekt erzeugen. In unserem Fall ist das eine ökonomische Wirkung. Das muss keinen höheren Umsatz bedeuten. Es ist auch eine Art von Gewinn, wenn soziale Kosten reduziert werden. Das Massgebende für uns ist der Neuheitscharakter eines Projekts und dieser kann sehr breit gefächert sein. Das können Produkte, Services oder Herstellungsprozesse sein.
Wie neuartig müssen die Projektgesuche sein, wie fein wird gesiebt?
Innosuisse fördert nur Projekte von sehr guter Qualität. Ein Indikator hierfür ist die Bewilligungsquote für die eingereichten Gesuche. Im Bereich ICT betrug diese vergangenes Jahr 47 Prozent, lag also genau im Durchschnitt über alle Projekte hinweggesehen. Ein Beispiel für ein Innovationsprojekt ist das auf der Blockchain-Technik basierende Car Dossier – eine Zusammenarbeit der Hochschule Luzern und der Universität Zürich mit dem Software-Haus AdNovum, dem Autohändler AMAG, der Autovermietung Mobility, der Versicherung AXA und dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau.
Wie viele Projekte fördern Sie derzeit im ICT-Sektor?
Letztes Jahr wurden insgesamt 823 Gesuche für ein Innovationsprojekt eingereicht. Im Bereich ICT waren es 164, von denen 77 bewilligt wurden. Das sind mehr als in den Segmenten Biotech und Mechanical Engineering. IT ist heute aber auch aus anderen Segmenten nicht mehr wegzudenken. Als Querschnittstechnologie enthalten zahlreiche Innovationsprojekte eine IT-Komponente. Das können IT-unterstützte Projekte in den Life Sciences sein oder IT-Lösungen für Produktionsprozesse. Rein IT-getriebene Projekte machen aktuell einen Fünftel aus, Tendenz steigend. Der Anteil Start-ups mit einem ICT-Hintergrund beträgt inzwischen über 40 Prozent. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei rund 30 Prozent.
Wie steht es allgemein um die Forschung und Entwicklung bei Schweizer Unternehmen?
Der grösste Teil der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in der Schweiz stammt zu rund 70 Prozent aus dem privaten Sektor, der Rest von der öffentlichen Hand. Derzeit befassen sich viele Firmen mit dem Thema Industrie 4.0. Wir beobachten allerdings, dass aufgrund verschiedener Faktoren wie etwa dem steigenden Kostendruck oder dem starken Franken, die Forschungsleistungen in den KMU insgesamt zurückgehen. Hier müssen wir uns fragen, was diese Entwicklung für die Innovationskraft und -fähigkeit der Schweiz in Zukunft bedeutet.
Wie schaffen Sie Abhilfe?
Unsere Innovationsmentoren beraten KMU beim Erstellen eines Innovationsprojekts oder bei der Suche nach Forschungspartnern. Ein niederschwelliges Angebot sind auch die Innovationsschecks, bei denen Firmen Gutscheine für Forschungsleistungen beantragen können. Mit den Schecks kann man zum Beispiel für eine Machbarkeitsstudie an ein Forschungsinstitut herantreten. Für dieses Angebot registrieren wir im Moment eine sehr grosse Nachfrage.
Was könnten die Folgen sein?
Wenn wir uns die Herausforderungen durch digitale Transformation anschauen, wird die Bedeutung unserer Förderangebote deutlich, die kundengerecht und möglichst niederschwellig sind, um Firmen einen einfachen Zugang zur Forschung zu ermöglichen. Auch ist es wichtig, dass wir Unternehmen sensibilisieren und auf die Bedeutung von Forschung und Entwicklung aufmerksam machen. Ergänzend hierzu müssen wir realistische Wege für die Innovationsentwicklung aufzeigen. Als Querschnittsdisziplin nimmt die ICT auch bei der Innovationsförderung eine Schlüsselposition ein. Die Digitalisierung hat diese Schlüsselposition noch verstärkt. Es braucht mehr Forschung, um Lösungen zu Themen wie etwa der Energiewende zu finden.
Zur Person
Annalise Eggimann ist Direktorin der zum Jahresbeginn 2018 gestarteten Innosuisse. Seit 2015 leitete Eggimann die Geschäfte der Vorgängerorganisation, der Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Weitere Stationen ihrer Karriere sind der Schweizerische Nationalfonds und das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM). Die Juristin mit Anwaltspatent hält einen MBA der Universität Zürich.
Wie Start-ups von Innosuisse gefördert werden
Auf der anderen Seite erfährt die Schweiz einen Start-up-Boom. Hochschulen und Initiativen der Privatwirtschaft eröffnen Inkubatoren und veranstalten Gründerwochenenden mit dem Ziel, Innovationen zu fördern und zu vermarkten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Allein im vergangenen Jahr wurden gut 43'000 Unternehmen ins Handelsregister eingetragen. Das sind über fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Mittlerweile existiert ein ganzes Start-up-Ökosystem mit Institutionen, die sich dafür engagieren, das Interesse am Unternehmertum zu wecken, und die nötige Unterstützung hierfür bieten. Wenn man sich das Crypto Valley im Raum Zug ansieht, zeigt sich, wie viel momentan passiert. Gemäss der Plattform startups.ch kletterte die Zahl der Gründungen im Crypto Valley letztes Jahr um fast ein Fünftel.
Damit kommen gut fünf Prozent aller neu gegründeten Firmen in der Schweiz aus dem Raum Zug. An einer Veranstaltung hiess es jüngst, dass es in der Schweiz rund 600 Start-ups gibt, die auf Basis der Blockchain-Technik neuartige Lösungen entwickeln. Da geht richtig was! So etwas gab es früher nicht. Für Innosuisse sind natürlich nur jene Start-ups interessant, die auch im Bereich wissenschaftsbasierte Innovationen tätig sind. Aber auch hier läuft einiges. In der ersten Hälfte dieses Jahres befanden sich gut 200 Start-ups in einem Innosuisse Coaching, rund 140 bewarben sich um eines. Wenn wir die Nachfrage nach Coachings und den entsprechenden Dealflow betrachten, sehen wir, dass unsere Anstrengungen Früchte tragen. Es sind überdies auch häufig Beispiele für Studierende, die das Abenteuer Unternehmertum wagen und ausprobieren.
Es gibt Fachleute, die sagen, wir bräuchten noch viel mehr Start-ups hierzulande, um international mithalten zu können.
Es gibt sicher in einigen Bereichen Optimierungspotenzial bei den Rahmenbedingungen für Jungunternehmen. Zum Beispiel sind Steuerfragen für Jungunternehmen von zentraler Bedeutung. Die Politik hat sich aber mittlerweile diesen hochkomplexen Fragen angenommen.
In welchen Bereichen sehen Sie sonst noch Nachholbedarf?
Firmengründungen sind in der Schweiz noch sehr aufwendig und zeitintensiv. Und obwohl Investitionen stetig zunehmen, ist die Aufnahme von Wachstumskapital für Schweizer Unternehmen immer noch relativ schwierig.
Was halten Sie von der von Bundesrat Johann Schneider-Ammann ins Leben gerufenen Swiss Entrepreneurs Foundation?
Das Kapital für den Anfang kann man noch leicht auftreiben. Aber ab der zweiten Finanzierungsrunde wird es für Jungunternehmer schon schwieriger. Deshalb sind solche Angebote wichtig und ich hoffe, dass der Fonds bald operativ wird und erste Unterstützung leistet. Das Kapital ist hierzulande eigentlich vorhanden. Was fehlt, ist eine Kultur, dieses auch in Form von Venture Capital zu investieren. Hier benötigen wir auch einen Kulturwandel. Es braucht einen grundsätzlichen Willen von Investoren, Risikokapital bereitzustellen.
Eine weitere «Herausforderung» sind attraktive Jobangebote etablierter Firmen. Wie kann man da das Interesse an der Unternehmensgründung fördern?
Wir sind eine wohlhabende Gesellschaft. Es geht uns sehr gut und es gibt viele valable Job-Angebote. Daher ist es nicht selbstverständlich, dass sich junge Leute ins Abenteuer Start-up stürzen wollen. Hier müssen wir ansetzen und versuchen, die Lust auf das Unternehmertum zu stärken. Einen Beitrag, den wir dazu leisten, ist unser Sensibilisierungsprogramm. Hierzu zählen etwa Trainings mit Partnern an Hochschulen, an denen wir Studierende auf die Gründung eines eigenen Unternehmens ansprechen. Vielleicht muss man das Thema aber bereits auf der Gymnasialstufe ansprechen und bereits Schüler dafür begeistern. Hier gibt es noch viel Potenzial. Denn Start-ups sind im Kontext der digitalen Transformation von strategischer Bedeutung. Ich glaube, dass auch aufgrund der Digitalisierung und der dadurch einfachen Verfügbarkeit digitaler Technik mehr disruptive Produkte von Start-ups kommen als von etablierten Unternehmen. Das hilft etwa im Life-Sciences-Sektor, wo grosse Unternehmen durch Übernahmen von Start-ups die Produkte-Pipelines mit innovativen Produkten stärken können.
Hemmt das nicht die Entwicklung von Innovation, wenn die Grossen einfach die Kleinen schlucken?
Nicht in jedem Fall. Das kann durchaus eine Win-win-Situation sein. Insbesondere in den Life Sciences, wo es schwierig ist, ein Produkt bis zur Marktreife zu führen und den Vertrieb zu stemmen. Hier ist es für beide Seiten von Nutzen, wenn ein Start-up mit einem starken Partner Hand in Hand vorangehen kann. Es wäre aber falsch, wenn der Eindruck entstünde, dass wir als Förderer von Start-ups einfach das Futter für die Grossindustrie produzieren. Gerade in Fällen, in denen ein Unternehmen aus sich heraus wachsen kann, ist es schade, wenn ein Exit zu früh passiert und die Firma an einen Grossen verkauft wird.
Reichen die momentanen Gründungen, um die Schweiz im Ranking der innovativsten Länder an der Spitze zu halten?
Es ist sicher ein Effort nötig. Durch die digitale Transformation schreitet die Entwicklung rasant voran. Hinzu kommen die bereits erwähnten rückläufigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den Unternehmen. Wir stellen überdies immer wieder fest, dass Neuheiten zwar für die entwickelnde Firma selbst einen Mehrwert schafft, aber noch keine Innovationen sind, die den Gesamtmarkt oder gar die Gesellschaft verändern und voranbringen. Hier müssen wir unser Potenzial noch viel stärker nutzen, in Anbetracht der hohen Qualität der Forschung an unseren Hochschulen. So dass wir als Schweiz sicherstellen können, dass wir hochinnovativ bleiben.
Es ist in diesem Zusammenhang auffallend, dass beim Thema Innovation an Hochschulen meist von der ETHZ und der EPFL gesprochen wird, während von den zahlreichen Fachhochschulen, die eine hohe Praxisaffinität aufweisen und die mit der Wirtschaft kooperieren, weniger zu hören ist. Wie erklären Sie sich das?
Ein Grund ist, dass Fachhochschulen oft ein Mittelbau fehlt. Die Studierenden treten nach ihrem Studium meist in Unternehmen ein. Es fehlen Strukturen für Absolventen, die zunächst an den Fachhochschulen weiter forschen und Produkte entwickeln, die man dann zur Marktreife führen könnte. Es wäre schön, wenn dort vermehrt Spin-offs entstünden. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Auch an den Fachhochschulen passiert viel. 44 Prozent der Forschungspartner in den aktuellen Projekten sind Fachhochschulen. Sie weisen einen höheren Anteil auf als die eidgenössisch technischen Hochschulen und Universitäten.
Über Innosuisse
Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse) ist das Kompetenzzentrum des Bundes zur Förderung wissenschaftsbasierter Innovation in der Schweiz. Sie ist die Nachfolgeorganisation der vormaligen «Kommission für Technologie und Innovation» (KTI) und besteht aus dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und dem Innovationsrat, der von einem rund 120-köpfigen Expertengremium unterstützt wird.
Für dieses Jahr verfügt die Agentur über Bundesmittel in Höhe von knapp 230 Millionen Franken. Aktuell fördert Innosuisse rund 1200 Innovationsprojekte und berät rund 200 Start-ups. Diese können aus den unterschiedlichsten Bereichen stammen.
Es werden neben technischen Projekten auch soziale Projekte gefördert. Massgebend ist ihr Innovationscharakter. Rund drei Viertel der an Förderprojekten beteiligten Unternehmen sind KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden. Die Reihe der Forschungspartner aus dem Hochschulumfeld wird angeführt von Fachhochschulen, gefolgt von den eidgenössisch-technischen Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitutionen wie CSEM.
Die Innovationsstärke der Schweizer ICT-Branche
Wie bewerten Sie die aktuelle Innovationsstärke der Schweizer ICT-Branche im internationalen Vergleich?
Dass die Schweiz in internationalen Vergleichen auch dank der ICT vorne mitspielt, hat verschiedene Gründe. Wir verfügen über Top-Hochschulen, die als globale Talentschmieden bestens ausgebildete Fachkräfte hervorbringen. Im internationalen Shanghai-Ranking der besten Hochschulen im Bereich Engineering, Technologie und Computer Sciences von 2016 belegt die EPFL Platz 11 und die ETH Platz 27. Im Times Ranking auf universityrankings.ch schneiden beide sogar noch besser ab. Dank den Computer-Science-Departementen der beiden Hochschulen mit fast 2000 eingeschriebenen Informatikstudenten verfügt die Schweiz über einen beträchtlichen Talentpool. Weshalb sich auch internationale Top-Player wie Google, Microsoft, Nvidia oder die Walt Disney Company in der Schweiz ansiedeln. Sie profitieren von der Innovationskraft und zusätzlich von der hohen Lebensqualität. Es gibt zudem Schweizer Start-ups und etablierte ICT-Unternehmen mit internationalem Erfolg. Das zeigt: Man kann auch von der Schweiz aus die Welt erobern.
In welchen Bereichen könnten Sie sich mehr Forschungsaktivitäten vorstellen?
In diesem Zusammenhang ist mir wichtig zu erwähnen, dass Innosuisse grundsätzlich Bottom-up agiert und keine Themen vorgibt. Insgesamt sind wir breit aufgestellt und es wird viel geforscht. Für kommendes Jahr ist als Vorgabe des Bundes ein Impulsprogramm für Fertigungstechnologien geplant, von dem wir uns viele sehr gute interdisziplinäre Projekte erhoffen, die sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinandersetzen. In der ICT sehe ich Potenzial etwa in der Cybersecurity. Es wird künftig wichtiger, genug in eigene Lösungen zu investieren, selber Produkte und Services anzubieten und sich unabhängiger von Akteuren sowie Anbietern anderer Länder zu machen. Andere wichtige Felder sind der Klimawandel und die Energiewende. Auch im sozialen Bereich gibt es Herausforderungen, etwa die demografische Entwicklung oder die Migration. Diese stehen nicht unmittelbar im Fokus, wenn man an Innovationen denkt. Doch auch diese Themen bieten Marktchancen.
Wie könnten IT-Innovationen helfen?
In der Bildung etwa gibt es viele Möglichkeiten, IT sinnvoll einzusetzen. Hier haben wir noch nicht die beste Lösung gefunden, wie man zum Beispiel verschiedene Lehrmethoden kombiniert, um Migranten rasch fit für unseren Arbeitsmarkt zu machen. Oder wie man eher bildungsferne Kreise mithilfe digitaler Technologien dazu bringt, sich Wissen anzueignen. Wenn man hier bei jungen Menschen ansetzt, ist es wahrscheinlich gar nicht so kompliziert.
Aus KTI wurde Innosuisse: Was hat sich geändert?
Ihre Organisation entstand aus der ehemaligen Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Seit Anfang 2018 fördern Sie Neuentwicklungen unter dem treffenden Namen Innosuisse. Was hat sich an Ihrem Auftrag geändert?
Nichts. Die Grundaufgabe und die dazugehörigen Förderinstrumente sind die gleichen geblieben: Wir fördern wissenschaftsbasierte Innovation in der Schweiz im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit unseren Angeboten unterstützen wir Start-ups und KMU durch intensives Coaching und die Vernetzung mit Forschungspartnern darin, neue Ideen zum Durchbruch zu bringen und ihre Innovationen am Markt zu lancieren. Als Innosuisse setzen wir alles daran, dass Schweizer KMU im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig sind.
Wie sieht es mit der Organisation aus? Hat es da Änderungen gegeben?
Unsere Organisationsstruktur hat sich stark verändert. Als KTI waren wir eine ausserparlamentarische Kommission, heute sind wir eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Das bedeutet beispielsweise, dass wir rechtsgültige Verträge unterschreiben können, durch die sich Innosuisse bindet. Früher als Teil der Bundesverwaltung haben wir mit unserer Unterschrift quasi die gesamte Eidgenossenschaft vertraglich gebunden. In der KTI waren zudem strategische und operative Aufgaben vermischt. Jetzt haben wir eine klare Aufgabenteilung: Der Verwaltungsrat fällt strategische Entscheide, der Innovationsrat ist das Fachorgan und die Geschäftsstelle kümmert sich um das operative Geschäft. Durch die Reorganisation ist Innosuisse auch flexibler bei der Budgetverwaltung. Wir können etwa Rücklagen bilden und Drittmittel einwerben, um unsere Aufgaben zu erfüllen. Das war zuvor nicht möglich. Ein weiterer Grund ist, dass wir Innosuisse als Agentur stärker in die institutionelle Schweizer Förderlandschaft einbetten wollen. Bekannt ist etwa der Schweizerische Nationalfonds, der als privatrechtliche Stiftung agiert oder die Akademien, die Vereinsstrukturen haben und eigenständige Rechtspersönlichkeiten sind. Mit diesen Organisationen befinden wir uns jetzt auf Augenhöhe.
Inwieweit stehen Sie im Wettbewerb mit den anderen Förderinstitutionen?
Wir haben alle gesetzlich klar geregelte Aufgabenbereiche. Während der Nationalfonds für die Förderung von wissenschaftlicher Forschung zuständig ist, fokussieren wir auf die Innovationsförderung. Die Projekte des Nationalfonds sollen von Neugierde getriebene Forschung sein, bei denen noch nicht klar ersichtlich ist, was am Ende daraus entstehen kann. Wir sind dort tätig, wo Forschungsergebnisse vorliegen und ein Anwendungspotenzial ersichtlich ist, das sich zu einem konkreten Produkt, Service oder Produktionsprozess weiterentwickeln lässt. Insofern sind unsere Aufgaben klar getrennt. Wir haben sogar festgestellt, dass es eine Lücke gibt zwischen den Angeboten des Nationalfonds und denjenigen von Innosuisse: Bei Forschungsprojekten, die ein Anwendungspotenzial aufweisen, aber deren Entwicklungsstadium noch zu früh ist, um Akteure aus der Wirtschaft dafür zu begeistern und für Investitionen zu motivieren. Deshalb lancierten wir gemeinsam mit dem Nationalfonds das Bridge-Programm.
Wie funktioniert das Bridge-Programm?
Es gibt zwei Wege: Für den einen können sich bereits Bachelor-Absolventen bewerben, sofern sie erste Forschungsergebnisse vorweisen können, die ein Potenzial für neue Anwendungen bieten. Diese dürfen noch wenig konkret sein. Mit dem Unterstützungsbeitrag aus dem Bridge-Programm können die Absolventen an ihrem Projekt weiterarbeiten und vielleicht später daraus ein Start-up entwickeln. Über den zweiten Weg fördern wir sogenannte Discovery Projects. Hierfür kooperieren Forschungsgruppen, die Ergebnisse mit Nutzungspotenzial haben, was aber noch weiterentwickelt werden muss. Im Gegensatz dazu braucht es bei unseren Innovationsprojekten immer einen Partner aus der Wirtschaft mit dem Ziel, ein Projekt zur Marktreife zu führen.
Ist der Umbau von Innosuisse abgeschlossen oder wo gibt es noch Baustellen?
Wir sind komplett neu aufgestellt, mit neuen Förderorganen und vielen neuen Personen. Hierzu zählt der Innovationsrat mit seinen 21 Mitgliedern. Dieser wird verstärkt durch ausgesuchte Expertinnen und Experten. Das sind rund 120 Personen. Wir brauchen so viele, um die breite disziplinäre Palette abzudecken. Es ist wichtig, dass wir hierfür Fachleute haben mit einer ausgewiesenen Expertise auf ihrem Gebiet, die im Milizprinzip für uns arbeiten und ihre Aufgaben und Prozesse beherrschen. Im Moment befinden wir uns in einer Konsolidierungsphase, in der wir analysieren, wo wir effizienter werden, Prozesse verschlanken und wo wir unser IT-System für die Förderverwaltung anpassen können, sodass die Abläufe noch schneller werden.
Welchen Zeithorizont haben Sie sich dafür gesetzt?
Bis Ende des Jahres wollen wir soweit aufgestellt sein, dass der reguläre Förderprozess möglichst gut und ohne Verzögerungen funktioniert. Wir möchten insbesondere rasch entscheiden können. Es ist sehr wichtig für die Innovationsförderung, dass man nach Einreichung eines Projekts nicht vier bis fünf Monate auf einen Entscheid warten muss, sondern dass dieser rasch kommt. Bis Jahresende soll die Bearbeitungszeit auf dem Level der KTI sein. Derzeit liegen wir mit rund zwei Wochen mehr noch etwas darüber.
Gibt es etwas, das Sie sich noch wünschen würden?
Wir arbeiten mit Vierjahreszyklen, für die wir jeweils definieren müssen, was wir vorhaben. Aktuell arbeiten wir an den Fördermassnahmen für die Periode 2021 bis 2024. Was wir dafür vorschlagen, wird zu 80 bis 90 Prozent in die parlamentarische Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) aufgenommen. Auf Basis dieser BFI-Botschaft werden etwa Budgets für BFI-Themen für den entsprechenden Zeitraum gesprochen. Was wir hierbei sehen, ist, dass uns der gesetzliche Rahmen wenig Flexibilität gibt, unsere Förderinstrumente sind sehr genau definiert. Das erschwert uns die Arbeit, wenn wir zum Beispiel neue Bedürfnisse erkennen, auf die wir gerne reagieren würden. Uns sind die Hände gebunden, sobald etwas nicht im Gesetz steht. Es ist uns daher ein Anliegen, dass wir hier mehr Spielraum und flexiblere Instrumente für die Innovationsförderung erhalten, die ja im wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Interesse des Landes liegen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Für ein Innovationsprojekt muss sich ein Team aus Partnern von Hochschulen und aus der Wirtschaft zusammensetzen. Ist dagegen eine wissenschaftliche Projektgruppe bereits ein Start-up, dürfen wir sie nicht fördern. Ist ein Start-up noch an der Universität angesiedelt, dürfen wir zwar fördern, aber durch die Verflechtung mit der Universität ist es kaum möglich, dass wir das Start-up auch als wirtschaftlichen Partner fördern können. Hier müssten wir flexiblere Möglichkeiten haben.Sie haben die rasanten Veränderungen durch die digitale Transformation angesprochen.
Inwieweit ergeben da vierjährige Planungszyklen einen Sinn?
Das ist eine gute Frage. Insbesondere, wenn man sich bereits im Jahr 2018 mit der Periode 2021 bis 2024 befassen muss. Wer weiss, was dann aktuell sein wird. Das bedeutet für unsere Planung, dass man nicht exakt die Gebiete definieren kann, in denen man Akzente setzen will. Wir müssen stattdessen versuchen, die Instrumente innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens so flexibel wie möglich einzusetzen und auf die aktuellen Bedürfnisse zu reagieren. Es ist ein politischer Prozess, der seine Zeit braucht. Es ist aber auch selbstverständlich, dass der Gesetzgeber, der mit Steuergeldern agiert, entsprechend Rechenschaft von uns einfordert.
Sie haben den Transformationsprozess begleitet und stehen als Direktorin der Organisation vor. Wie sieht Ihre persönliche Vision für Innosuisse aus?
Ich möchte, dass wir als Förderagentur in weiten Kreisen bekannt sind. Insbesondere KMU, die ja eine zentrale Zielgruppe bilden, kennen uns noch zu wenig. Im öffentlichen Bewusstsein soll Innosuisse eine Agentur sein, die für Qualität steht, Relevantes fördert und Angebote mit einem Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt. Mein Ziel ist, dass wir ein beispielhaftes Bild einer Förderorganisation abgeben, die als effizient und wirksam wahrgenommen wird. Diejenigen, die sich für Innosuisse engagieren, sollen dies mit Enthusiasmus und der vollen Überzeugung tun, dass sie einer Tätigkeit nachgehen, die sie mit Sinn erfüllt und einen Mehrwert schafft.
Was macht Innosuisse besser als vergleichbare Institutionen in anderen Ländern?
Unsere Vorgehensweise, die wirtschaftlichen Akteure in die Pflicht zu nehmen, dass diese selbst etwas zu Innovationsprojekten beitragen müssen ist ein Vorteil. Unternehmen können nicht nur die hohle Hand aufhalten und staatliche Gelder abholen. Sie müssen sich engagieren, um Forschungsleistung und finanzielle Förderung zu erhalten. Das ist sicher unser Erfolgsmodell. Auch dass wir keine Vorgaben machen, in welchen thematischen Bereichen wir fördern, trägt dazu bei. Das ist in anderen Staaten nicht immer der Fall. Wir sollten uns aber nicht so oft mit anderen Ländern vergleichen. Wir müssen als Schweiz unseren eigenen Weg gehen.
Innosuisse-Strategie bis 2020
Der Bundesrat gibt der Agentur Innosuisse ihre Ziele vor. Der Verwaltungsrat von Innosuisse wiederum leitet daraus weitere strategische Ziele ab. Innosuisse setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass Schweizer Innovationen auf internationaler Ebene den Ruf höchster Qualität haben. Den Herausforderungen der Digitalisierung will die Agentur besondere Beachtung schenken, speziell im Hinblick auf den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Entsprechend fördert Innosuisse insbesondere Projekte mit besonders hohem Innovationspotenzial und disruptive Geschäftsmodelle. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen innovationskräftiger und innovationsfreudiger werden. Man setze alles daran, dass Schweizer KMU im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähiger sind, heisst es vonseiten der Förderagentur, die überdies auch das Schweizer Start-up-System durch Kooperationsmassnahmen stärken möchte.