Swiss made
02.10.2008, 13:35 Uhr
Vom Start weg vorne
Noch nie gab es in der Schweiz so viele Start-ups wie in den letzten zwei, drei Jahren. Die Unternehmensideen sind im internationalen Vergleich spitze.
Das gabs noch nie: Ganze neun Schweizer Start-ups aus dem Hightech-Bereich haben dieses Jahr einen der renommierten Plätze im Ranking der «Red Herring 100 Europe» erobert. Vor einem Jahr waren es «nur» sieben helvetische Firmen, die einen der begehrten Awards der US-Wirtschaftszeitung (www.redherring.com) für die innovativsten Neugründungen ergattern konnten. Und vor den Nachbarn verstecken brauchen sich die Schweizer Jungunternehmer erst recht nicht: So wurden lediglich zwölf Firmengründungen aus dem zehnmal bevölkerungsreicheren Deutschland von den Red-Herring-Redaktoren mit einem Preis bedacht.
Der Red Herring Award ist nur ein Gradmesser von vielen für die Hightech-Gründerzeit, die in der Schweiz angebrochen ist. So berichtet auch die Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet, die regelmässig das Schweizer Handelsregister durchforstet und auswertet, von einer regelrechten Welle von Neugründungen mit jährlich über 2000 Start-ups allein im Informatikdienstleistungsbereich. Auch 2008 scheint wieder zu einem rekordverdächtigen Gründerjahr zu werden: Allein zwischen Januar und August zählte Dun & Bradstreet 1167 Jungfirmen im IT-Umfeld.
Das Start-up-Klima in der Schweiz kann darüber hinaus international mithalten. So gründen hierzulande gut sieben Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung eine eigene Firma. Diese Quote ist nur in den USA, in Irland und den nordischen Ländern höher, wie aus dem jüngsten «Global Enterpreneurship Monitor» (GEM) für die Schweiz zu entnehmen ist (www.gemconsortium.org).
Einer der Gründe für die Vielzahl und die Qualität der Neugründungen liegt zweifelsohne im Technologiestandort Schweiz. Dies sieht auch einer der Gewinner des Red Herring Awards, Franco Dal Molin, so. Für den Gründer und CTO (Chief Technology Officer) von Collanos Software ist die Schweiz einer der besten Standorte, um mit Innovationen auch globale Erfolge zu feiern. «Ein erhöhtes unternehmerisches Selbstbewusstsein und die vermehrte Kommunikation von Firmengründern gibt Schweizer Start-ups nun auch den Stellenwert in Europa, den sie verdienen», argumentiert Dal Molin. Dies ist umso wichtiger, als gerade eines der Probleme der helvetischen Start-ups der kleine Schweizer Heimmarkt ist. Um erfolgreich zu sein, müssen hiesige Jungunternehmer ins Ausland expandieren, was die Wichtigkeit eines Preises, wie ihn Red Herring vergibt, noch unterstreicht.
Traumjob Jungunternehmer?
Einen regelrechten Imagewandel nimmt Simon May vom St. Galler Institut für Jungunternehmen (IFJ) wahr. «Die Einstellung den Firmengründern gegenüber hat sich grundlegend geändert», meint May. Heute käme niemand mehr auf die Idee, zu behaupten, diese Leute hätten sich nur selbstständig gemacht, weil sie auf dem «regulären» Arbeitsmarkt nichts finden. Ganz im Gegenteil: «Heute berichten Jungunternehmer mit Stolz von ihrer Geschäftsidee, ihren Plänen, diese umzusetzen, und der Tatsache, dass sie jetzt ihr eigener Chef seien, kurzum: Selbstverwirklichung im Jungunternehmertum liegt im Trend», sagt er.
Und obwohl Jungunternehmer mit langen Arbeitszeiten, wenig Verdienst und geringer Arbeitsplatzsicherheit nüchtern betrachtet nicht gerade der Traumjob ist. «Es sind viel eher die Argumente auf der persönlichen Ebene, in denen die Faszination der Selbstständigkeit liegt und die auch das Start-up als Arbeitsplatz attraktiv machen: Verwirklichung der eigenen Ideen, Zusammenarbeiten mit Gleichgesinnten, hoher Grad an Selbstständigkeit», erklärt May. Geld spielt meist eine geringe Rolle, schliesslich müssen die Start-up-Gründer oft grosse Opfer bringen. Die hohen Übernahmesummen, die bei einem erfolgreichen Verkauf winken könnten, spielen da zumindest am Anfang beim einen oder anderen höchstens als vage Hoffnung mit.
Kaum Nachwuchssorgen
Auch Mitarbeiter finden Start-ups genügend, obwohl die Gründer laut May oft «sehr heikel» sind und nicht jeden anstellen. Sie würden aber über ein ausgezeichnetes Netzwerk verfügen. «Meist werden Studienkollegen und Leute aus dem Bekanntenkreis angestellt, von deren Können man überzeugt ist und die man sehr gut kennt», berichtet er. Stellenausschreibungen sehe man dagegen so gut wie nicht. Hier leisten die monatlichen «venture apéros», die das IFJ an zehn Standorten der Schweiz organisiert, einen wichtigen Beitrag. Auch die Tatsache, dass es in den letzten Jahren nur wenig Studienanfänger im Fach Informatik gab, bringt den Nachschub an Jungunternehmern nicht zum Versiegen. Laut May wird diese Lücke durch Firmengründer aus dem Ausland geschlossen.
Letzte Bremsklötze
Obwohl sich also das Klima für Jungunternehmen in der Schweiz gewandelt hat - dafür sorgen auch die zahlreichen staatlichen und privaten Förderprogramme wie die Förderagentur für Innovation KTI oder venturelab -, existieren noch einige Stolpersteine, wie vor Kurzem am «venture summit» 2008 zu erfahren war. Besonders in der Frühphase der Projekte, also bevor an eine Firmengründung gedacht wird, ist zu wenig Geld vorhanden. «Oft finden die Jungunternehmen erst Geldgeber, wenn sie etwas vorzuweisen oder erste Umsätze haben», meint auch May. Umso wichtiger ist die Ini-tiative «venture kick» (www.venturekick.ch). Sie stellt allein im laufenden Jahr zwei Millionen Franken für potenzielle Start-ups, die an einer Schweizer Hochschule angesiedelt sind, zur Verfügung.