27.07.2016, 16:51 Uhr

Schweizer Forschende drohen bei «Horizon 2020» leer auszugehen

Wird das Kroatien-Protokoll nicht ratifiziert, könnten Schweizer Forscher Unterstützungsgelder der EU in Millionenhöhe entgehen. Der Bund müsste einspringen.
Forschende aus der Schweiz können sich auch 2016 mit ihren Projekten im Rahmen des EU-Forschungsprogramms "Horizon 2020" beim prestigeträchtigen Europäischen Forschungsrat (ERC) um finanzielle Unterstützung  bewerben. Doch wird das Kroatien-Protokoll nicht bis Februar 2017 ratifiziert, gehen sie leer aus - selbst wenn ihre Forschungsprojekte vom ERC ausgewählt wurden. Gross war die Erleichterung bei den Forschenden, als die EU-Kommission im Herbst 2014 eine Teilassoziierung der Schweiz an \"Horizon 2020\" akzeptierte. Zuvor hatte Brüssel die Unterzeichnung des Abkommens auf Eis gelegt, nachdem Bern wegen der Annahme der Zuwanderungsinitiative das Zusatzprotokoll zur Ausdehnung der Freizügigkeit auf Kroatien nicht unterzeichnen wollte. Mit der Teilassoziierung konnten sich die Forschenden wenigstens wieder an den Ausschreibungen des ERC - der "Champions League" in Forscherkreisen - bewerben. Am prestigeträchtigsten sind die "Advanced Grants" des ERC. Wer sich hier erfolgreich bewirbt, erhält finanzielle Zuschüsse von bis zu 2,5 Mio. Euro - in Ausnahmefällen gar bis zu 3,5 Mio. Euro pro Projekt. Und für Nachwuchsforschende gibt es die so genannten "Starting Grants" (bis 1,5 Mio. Euro) und "Consolidator Grants" (bis 2 Mio. Euro). "Als assoziierte Partner werden Forschende in der Schweiz wieder direkt über Beiträge der EU finanziert", schrieb damals das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in einem Merkblatt. Dies stimmte für das restliche Jahr 2014 und für das ganze 2015 - nicht aber für das aktuelle Jahr, wie sich nun zeigt.

EU-Finanzierung nicht garantiert

Denn wird das Kroatien-Protokoll bis 9. Februar 2017 nicht ratifiziert, wird die Schweiz rückwirkend ab 1. Januar 2017 nur noch als Drittstaat bei "Horizon 2020" dabei sein. Bis dann aber sind die meisten der heissbegehrten ERC-Grants des Jahres 2016 noch gar nicht vergeben. Die Schweizer Forschenden gingen dann bei den "Advanced Grants" leer aus. Zwar läuft die Bewerbungsfrist für diese "Grants" bis zum 1. September 2016. Doch die Evaluation durch den ERC dauert bis voraussichtlich 16. März 2017. Wird ein Projekt positiv bewertet, muss anschliessend ein im Fachjargon genanntes "Grant Agreement" mit der EU-Kommission unterzeichnet werden - quasi ein EU-Standardvertrag, der die grundlegenden Bedingungen für die Projektfinanzierung festlegt. Diese Unterzeichnungen sollen laut ERC im Juli 2017 stattfinden - viel zu spät für die Schweiz. Und Ausnahmen sind keine vorgesehen. Vielmehr stelle sich die EU-Kommission auf den Standpunkt, schreibt das SBFI in einem Mitte Juli publizierten Info-Blatt, dass nur wenn die Verträge "vor dem 31. Dezember 2016 unterzeichnet" werden, auf "jeden Fall eine Finanzierung" durch die EU gesichert seiUnd das geht zeitlich auch nicht für die "Consolidator Grants" auf, bei denen die Unterzeichnung der Verträge im April 2017 startet. Einzig könnte es für die "Starting Grants" noch knapp reichen - falls schneller gearbeitet wird als angenommen. Denn hier sollen die Vertragsunterzeichnungen ab 1. Januar 2017 beginnen.

Bund will finanziell einspringen

"Die Forschenden sollen trotz der unsicheren Lage an ihren Bewerbungen im 2016 nicht verzichten", schreibt Mauro Dell'Ambrogio, Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. "Grundsätzlich wird vom Bund direkt bezahlt, was die EU nicht mehr zahlen wird." Es werde dazu aktuell eine "Grundlage per Verordnung vorbereitet". Schon einmal ist Bern eingesprungen - 2014, als die Schweiz noch nicht an "Horizon 2020" teilassoziiert war und in dieser Zeit Schweizer Forschende sich nicht für einen Teil der "Grants" bewerben konnten. Damals hatte der Bund einen Teil des Geldes, das ursprünglich für das EU-Forschungsabkommen gedacht war, für die Unterstützung von Schweizer Forschungsprojekten verwendet. Das gleiche würde er erneut tun. Doch noch hofft die Schweiz, dass es gar nicht so weit kommt: Laut Dell'Ambrogio werden technische Gespräche mit der EU geführt. Eine Lösung könne es jedoch nur "auf höchstpolitischer Ebenen im Rahmen der Gesamtverhandlungen Schweiz-EU" geben, schreibt der Staatssekretär weiter. Angestrebt werde weiterhin eine Vollassoziierung der Schweiz an "Horizon 2020". Die Chancen darauf dürften jedoch weiter gesunken sein. Zwar hiessen die Räte in der Sommersession das Kroatien-Protokoll gut - aber nur unter der Bedingung, dass der Bundesrat mit der EU eine Regelung zur Steuerung der Zuwanderung gefunden hat, die mit der Schweizer Rechtsordnung vereinbar ist. Diese für den Sommer angestrebte Lösung mit der EU kam jedoch nicht zustande. So ist die Gefahr gestiegen, dass die Forschenden in der Schweiz beim ERC leer ausgehen werden.



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