Martin
20.02.2013, 14:59 Uhr
«Die IT war schon immer Business-getrieben»
Im Interview mit Computerworld erklärt Cisco-Schweiz-Chef Christian Martin die Bedeutung der jüngsten Ankündigungen des Netzwerk-Giganten für die Schweiz und äussert sich zu den aktuellen Trends in der Branche.
Der Netzwerk-Riese Cisco Systems hat einerseits vor Kurzem diverse Produkte gezeigt, die drahtgebundene und dahtlose Netze verwaltungstechnisch vereinigen soll. Andererseits wurden die jngsten Geschftszahlen bekannt gegeben. Im Interview erklärt Christian Martin, Country Manager von Cisco in der Schweiz, was die Ankündigungen für den hiesigen Markt bedeuten und wie es dem Netzwerk-Spezialisten in der Schweiz geht. Computerworld: Wie läuft derzeit das Geschäft in der Schweiz für Cisco? Christian Martin: Wenn ich mir das Geschäft unserer Landesorganisation im Vergleich zu anderen europäischen Staaten anschaue, können wir eigentlich sehr zufrieden sein. Wir sehen in Europa derzeit vier sehr unterschiedliche Regionen: Nord-, Süd-, Ost- und Zentraleuropa, Südeuropa ist derzeit wirtschaftlich ein sehr schwieriges Terrain. Wir haben hierzulande hohe IT-Ausgaben, eine grosse Dichte an Hauptsitzen von internationalen Firmen, und die Finanzindustrie, die mehr in IT investiert als andere Branchen.Dadurch haben wir konstantere Invetsitionen in Netzwerke, Rechner und Storage.Wie wirkt sich die Euro- und Schuldenkrise auf Ihr Geschäft in der Schweiz aus? In Europa ist die wirtschaftliche Erholung noch zaghaft. Jedoch glaubt die Mehrheit unserer Kunden, dass der Trend in die richtige Richtung geht. Rückblickend haben unsere Kunden Anfang 2012 sich vorsichtiger verhalten. Projekte wurden verkleinert, Bestellungen in zwei Teile aufgeteilt. Die Unternehmen wussten nicht, wohin die Reise geht, deshalb haben sie verständlicherweise etwas zaghafter investiert. Die südeuropäischen Regierungen haben ihre Ausgaben praktisch auf Null reduziert. Wie sieht dieser Bereich in der Schweiz aus? Hierzulande sind die Projekte konstant. Was wir aber merken, ist, dass die Vergabepraxis viel genauer angeschaut wird. Das ist nach den Presseberichten über die IT-Beschaffungsskandale bei der Öffentlichen Hand ja auch nachvollziehbar.Und wie wird das laufende Jahr? Spüren Sie immer noch die Verunsicherung der Firmen von 2012? Grundsätzlich hat man sich an die neue Situation gewöhnt und Europa scheint sich zu stabilisieren. Dazu kommen Erneuerungszyklen, die fast Natur gegeben sind. Irgendwann haben Sie keinen Speicher mehr oder die Bandbreite Ihres Netzwerks ist am Anschlag. Fazit: Ich bin zwar optimistisch, aber es herrscht natürlich auch keine Goldgräberstimmung mehr wie 2000.Daneben sind wir als Cisco gut aufgestellt. Wir können mit unserer Angebotspalette genau die Bedürfnisse unserer Kunden befriedigen und den aktuellen IT-Trends begegnen. Nächste Seite: Unified Access und die Schweizer Nachfrage In London wurden an der Cisco Live gerade Switches, Controller und zugehörige Management-Software gezeigt, die es ermöglichen soll, WLAN und drahtgebundene Netze gemeinsam zu verwalten. Gibt es in der Schweiz schon Pilotprojekte, in denen die Technik erprobt wird? Die neuen Produkte sind Teil einer Architektur, Unified Access, und wir sind zufrieden über die Anzahl der Kunden in der Schweiz, die auf diese Architektur setzen und einen Mehrwert erkennen. Wir haben bereits 50 Kunden, die hier Pilotprojekte am Laufen haben. Hier spürt man einmal mehr den hohen Innovationsgrad und -willen der Schweizer ICT-Anwender. Im Mittelpunkt steht hauptsächlich ISE (Identity Service Engine) als Teil des ganzen Unified-Access-Angebots. In diesen Vorhaben geht es um mehr als die reine Verbindung von drahtgebundenen und drahtlosen Netzen. Es handelt sich um eine Drehscheibe für alle Zugriffsrechte. Dabei kann man sehr genau definieren, wer wann wie Zugriff auf welche Ressourcen im Unternehmen erhält. Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Laptop über einen öffentlichen Access Point aufs Internet zugreifen, können Sie nur ganz wenige Ressourcen anzapfen. Wenn Sie dagegen via VPN oder über das drahtgebundn LAN im Büro vernetzt sind, haben Sie mehr Zugriffsrechte. Das erstreckt sich aber auch auf die mobilen Geräte wie iPad und Android-Smartphone. Hier haben wir jetzt diverse MDM (Mobile Devise Management) integriert. Mit Themen wie Byod, Cloud-Computing und auch der Einbindung des Internet of Things kommen nicht nur neue Herausforderungen auf die IT zu, sondern auch auf jene, die diese Betreiben, sprich: die Netzwerkadministratoren. Inwiefern werden diese sich ändern müssen? Jede Firma hat heute den Bedarf, ihr Business zu digitalisieren. Nicht nur die Netzwerkadminstratoren müssen sich ändern, die Firmen als solche müssen einen integrativeren Zugang zu diesen Entwicklungen finden. Nehmen wir das Beispiel BYOD: Hier müssen in vielen Unternehmen neue Prozesse eingeführt werden, wie dies am besten gehandhabt wird. Wichtig dabei ist natürlich der Einbezug der IT-Abteilung, damit diese weiss, dass nun auch private Geräte der Mitarbeiter eingelassen werden wollen. Vermieden werden muss dabei, dass plötzlich Geräte im Netz auftauchen, die niemand oder zumindest die IT-Abteilung gar nicht kennt. Business und IT müssen also noch enger zusammenarbeiten. Eine verwandte Forderung ist, dass das Business künftig die IT vermehrt definieren und vorantreiben wird. Können Sie hier ein Beispiel nennen? Meiner Meinung nach passiert das schon lange, dass Business-Anforderungen die IT bewegen. Deshalb finde ich die derzeitige Diskussion etwas übertrieben. Praktisch jedes Videokonferenzprojekt ist Business-getrieben. Es ist in den wenigsten Fällen noch die IT-Abteilung, die meint, das ist eine interessante Technik und sie dem Management vorschlägt.Schon vor 20 Jahren haben Banker beispielsweise E-Banking gefordert. Der Impuls kam also auch dort vom Business und nicht von der IT.Auf der anderen Seite kann man das wachsen einer Schatten-IT bemerken, wenn die IT zu wenig auf die Bedürfnisse des Business eingeht. Das Phänomen «Dropbox» gehört in diesen Zusammenhang. Laut den unterschiedlichen IT-Policies der Firmen dürfte wohl niemand diesen externen Cloud-Speicherdienst benutzen, denn es ist nicht ganz sicher, wo die Daten genau gespeichert werden. Aber jeder braucht es. Oftmals werden Dienste von der IT gefordert, die diese nicht oder nicht in kurzer Zeit bereitstellen kann. In der Folge wird die Business-Seite selbst aktiv. Ich glaube, dies ist der Hauptgrund, warum das Business-IT-Alignment wieder vermehrt zum Thema wird. Nächste Seite: Was tut Cisco Schweiz eigentlich für den ICT-Standort Schweiz? In London hat die britische Länderorganisation von Cisco gezeigt, wie sie Start-ups unterstützen, wie sie die naturwissenschaftlich-technische Ausbildung unterstützen. Was tut Cisco Schweiz in diesem Bereich? Die Förderung von Jungunternehmen und Start-ups steht auch auf der Agenda von Cisco Schweiz. Darüber hinaus weisen wir unser HQ natürlich auf interessante und innovative Start ups hin. Des weiteren fördern wir Hochschulen in der Schweiz. So haben wir an der EPFL in Lausanne einen eigenen Campus eingerichtet. Dort haben wir mittlerweile ca. 60 Stellen geschaffen, indem wir die Doktoranden gleich auch einstellen. Wir helfen bei der Produkt- und Technikentwicklung. Daneben beraten wir die Start-ups aktiv und vermitteln auch Geldgeber. Gibt es diesbezüglich globale Vorgaben? Wir sind eine grosse Firma, und gerade in diesem Bereich ist die Initiative jeder lokalen Niederlassung gefragt. Es ist sogar ein bisschen mein persönliches Anliegen, dass Cisco Schweiz hier aktiv ist. Schliesslich habe ich selbst einmal von einem solchen Programm profitiert, indem ich direkt aus der Uni bei Cisco ins Graduate-Programm übernommen wurde.