Cisco
25.05.2009, 07:45 Uhr
"Wir wollen das iPhone im Rechenzentrum sein"
Mit dem "Unified Computing System" (UCS) steigt Cisco in den Server-Markt ein. Anlässlich der Präsentation von UCS in der Zürcher Sihlcity sprach Computerworld mit dem Schweizer Cisco-Chef Eric Waltert und Christian Martin, Manager Datacenter Technologies bei Cisco.
Basierend auf Intels Nehalem-Chips bietet Cisco eigene Blade-Server an. Kombiniert mit VMware-Virtualisierung und Management-Werkzeugen von BMC heisst das Ganze "Unified Computing System" (UCS) - eine Konkurrenz für Anbieter wie Hewlett-Packard. Computerworld unterhielt sich über UCS mit den beiden Cisco-Verantwortlichen Eric Waltert und Christian Martin.
Computerworld: Cisco hatte UCS zunächst in einigen Testinstallationen und auch in der hauseigenen IT in Betrieb. Wie waren die Erfahrungen damit bzw. wie waren die Resonanzen der Anwender?
Christian Martin: Grundsätzlich haben wir in der Schweiz keinen direkten Response von den Beta-Kunden, da die vorwiegend in den USA beheimatet sind - einer stammt aus Europa. Wir wissen aber, dass wir in der Cisco-IT mittlerweile vier produktive Applikationen haben, die bereits auf UCS laufen. Das Produkt ist über die Testphase hinaus und das Ziel ist, bis Ende August alle unsere x86-Plattformen auf dieses System zu migrieren. Von dem her können Sie also darauf schliessen, dass die Tests sehr gut gelaufen sind. Das System ist jetzt auch offiziell für Kunden bestellbar. Man hat die Beta-Phase also verlassen.
Computerworld: In Anbetracht der schwierigen Marktlage: Was hat Cisco dazu bewogen, in das Server-Geschäft einzusteigen?
Eric Waltert: Die Entscheidung wurde gefällt, lange bevor die Wirtschaftskrise sichtbar war. Hier einen Zusammenhang zu sehen, wäre falsch. Wir haben jetzt trotz der Krise unbeachtet das Tempo durchgezogen und die Pläne umgesetzt. Für uns ist das Thema Datacenter eine weitere klassische Anwendung, wo unsere Kernstrategie, nämlich die Integration von isolierten, separaten Systemen auf eine IP-Plattform eine sehr gute Ausprägung findet. Das ist genau unser Kerngeschäft und da haben wir sehr grosse Möglichkeiten gesehen. Das Zweite ist, dass in grossen Unternehmen bis zu 50 Prozent der IT-Ausgaben im Rechenzentrum gemacht werden. Wenn wir da entsprechende Lösungen anbieten, können wir den Mehrwert für unsere Kunden erhöhen und für uns ein sehr attraktives Marktsegment erschliessen. Die wirkliche Entscheidung in den Server-Markt einzusteigen, war im Endeffekt die Notwendigkeit, da die auf dem Markt bestehenden Systeme die Vision und die Architektur wie wir sie umsetzen möchten, nicht zulassen.
Martin: Mit dem UCS möchte Cisco ein Kundenbedürfniss adressieren, dass bis jetzt noch nicht abgedeckt werden konnte. Viele Kunden möchten den Virtualisierunsgrad im Rechenzentrum massiv erhöhen, um höhere Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen und Flexibilität zu erreichen. Im Server-Geschäft war die Entwicklung der letzten Jahre: Immer schnellere Performance auf weniger Platz. Aber der ganze Betrieb rund herum ist nie richtig adressiert worden. Dies wollen wir mit dem System nun adressieren, zumal es das bisher auf dem Markt so noch nicht gegeben hat.
Computerworld: Mit UCS dringt Cisco in das Stammgeschäft bisheriger Partner wie IBM oder Hewlett-Packard (HP) vor. Vergraulen Sie damit nicht Ihre Partner?
Waltert: Das ist eine gute und wichtige Frage. Gerade HP und IBM sind wichtige und starke Partner von uns. Andererseits sehen wir die Bestrebung, dass natürlich immer mehr der grossen IT-Anbieter ein umfassendes Lösungsportfolio anbieten möchten. Einerseits halten uns Kritiker vor, wir hätten HP jetzt etwas vergrault. Auf der anderen Seite ist ja HP auch in unsere Richtung gekommen. Man sieht, dass HP auch das selbe Bedürfnis hat, eine komplettere Lösung anzubieten. HP hat sich mit Pro Curve und anderen Angeboten in die gleiche Richtung bewegt.. Wenn wir das nüchtern betrachten, sind wir ja nicht in diesen Markt eingetreten um HP zu konkurrieren. Wir verfolgen lediglich die Strateigie, unser Portfolio zu erweitern Dabei ist ein Nebeneffekt, dass man sich ab und zu in überschneidende Bereiche bewegt. Hier gibt es am Anfang teilweise Emotionen. Wir haben das aber in der Schweiz extrem gut im Griff - das ist überhaupt kein Problem hier. Aber grundsätzlich sieht man das in verschiedenen Bereichen. Unternehmen die ihre Lösungsangebote ausweiten, kommen auf ganz natürliche Weise in überschneidende Bereiche mit herkömmlichen Partnern. Das liegt in der Natur der Sache, würde ich sagen.
Computerworld: Inwiefern unterscheidet sich Ciscos Angebot von jenem der Mitbewerber?
Martin: UCS ist eine ganze Architektur, die wir ins Data Center hineinbringen. Das heisst, UCS verfügt über Netzwerk-, Storage-, Computing-, Virtualisierungs- sowie Management-Komponenten und wird dem Kunden als ein System zur Verfügung gestellt. Dies revolutioniert den täglichen Betrieb und ermöglicht z.B. eine extreme Zeitersparnis beim Neuaufsetzen von Systemen. Heutzutage ist die Inbetriebnahme von Blade-Centern ein enormer Aufwand. UCS ist ein Architekturansatz und nicht nur ein einzelner Server. Das ist der grosse Unterschied.
Computerworld: Was hat Cisco dazu veranlasst, mit UCS die bisher getrennten Bereiche LAN (Local Area Network), SAN (Storage Area Network) und High-Performance-Netze in einer Lösung zu vereinen?
Martin: Man kann eine enorme Kosteneinsparung ermöglichen, indem man diese Bereiche zusammenlegt. Das gleiche wurde vor zehn Jahren in der Telefonie mit der Einführung von VoIP begonnen, wo es vorher getrennte Netze gab. Heute kann man das Telefon von A nach B mitnehmen und dort einstecken, ohne dass man es neu verkabeln muss. Die gleiche Philosophie steht eigentlich hinter unserem Ansatz: Wir wollen ein BUS-System in einem Rechenzentrum schaffen, wo sich nachher jede Applikation frei im Data Center bewegen kann - unabhängig von der Art der Applikation. Nur so, kann man eigentlich den Cloud-Computing-Ansatz realisieren.
Computerworld: Viele Firmen wie beispielsweise Schweizer Banken haben eine strikte Two-vendor-Strategie. Sie wollen also aus Sicherheitsgründen Produkte mehrerer Hersteller im Rechenzentrum (RZ) haben. Wie wollen Sie mit UCS der Konkurrenz dennoch Marktanteile abluchsen?
Waltert: Die Two-Vendor-Strategie erleben wir sehr oft. Das ist durchaus eine brauchbare Strategie. Unser Ziel ist und war immer, mit unseren Lösungen auch standardkonform auf den Markt zu kommen. Wenn man nicht einmal ausserhalb eines Standards agiert, kann keine Innovation stattfinden. Wenn man sich immer nur innerhalb des Standards bewegt, ist Innovation eigentlich sehr stark beschränkt. Falls man einen Innovationsschub auslösen möchte, ist man teilweise fast gezwungen, mit einer proprietären Lösung einmal den ersten Schritt zu machen. Wir sind und waren immer bestrebt, alle unsere Lösungen in ein Standardgremium einzubringen. Wir sind momentan sicher etwas proprietär - aufgrund des Mangels, dass es keinen Standard für diese Technologie gibt. Für die Zukunft sind wir überzeugt, dass sich in diesem Bereich in irgendeiner Form Standards etablieren werden und wir die dann einhalten werden. In der Zwischenzeit werden Kunden vielleicht gewisse Applikationen bzw. eine gewisse Server-Anzahl auf dieser Plattform laufen lassen, sich parallel aber eine zweite Welt gönnen oder leisten, um eine Dual-Vendor-Strategie zu fahren. Diese Strategie ist also trotzdem umsetzbar.
Computerworld: UCS und Two-Vendor-Strategie schliessen sich also nicht aus?
Waltert: Korrekt.
Computerworld: Aus der Branche hört man, dass Kunden beim neuen Cisco-Angebot zunächst einmal in ihr Netzwerk investieren müssen, da die Netzwerkumgebung ein Upgrade erhalten muss, um mit den Servern zusammenzuspannen. Ausserdem sei es nicht ideal, dass die Server nur durch den Switch und damit durch das Netzwerk verwaltet würden. Was sagen Sie zu diesen Kritikpunkten?
Martin: Insgesamt müssen wir die Investitionen der Inbetriebnahme zwischen einem klassischen und einem neuen Blade-Center einmal vergleichen. Diese Kosten sind nicht höher. Die Kernaussage, dass man ins Netzwerk investieren muss, stimmt so sicher nicht. Dadurch dass die zwei Netze konvergiert werden (Anm.: Ethernet- und Fiber-Channel-Netzwerke), erreicht man sogar eine massive Kostenreduktion und einen Performance-Sprung auf 10-Gigabit-Ethernet.
Computerworld: Wie beurteilen Sie die Vorwürfe, dass von Cisco-Blades zu wenige Varianten verfügbar und die Anwender limitiert seien - auch was die Kooperationen betrifft?
Martin: Das ist ein valabler Vorwurf. Dadurch, dass unser System neu ist, gibt es einen Time-to-Market-Aspekt. Irgendwo hat man gewisse Testing-Ressourcen zur Verfügung und da kommen die Applikationzertifizierungen Schritt für Schritt. Wir bieten unseren Kunden Labore an, wo Sie die Benchmark-Tests explizit für Ihre Umgebungen machen können und so die Sicherheit haben, dass ihre Applikationen laufen. Aber es ist natürlich klar, dass man am Anfang noch nicht so offen ist - verglichen mit Systemen die bereits fünf oder sechs Jahre auf dem Markt sind und die ganzen Zertifizierungen bereits gemacht haben. Ich glaube, dass wir wirklich die Firma sind, die immer alles offen publiziert und darauf achtet, offene Schnittstellen zu haben. Somit soll jeder entsprechende Systeme entwickeln können, die an auch in diesem Zusammenhang funktionieren.
Waltert: Oft ist die Frage, wann man ein Produkt auf den Markt bringt, ein Dilemma. Einerseits will man den Zeitvorteil, den Wettbewerbvorsprung nutzen. Man möchte den Kunden aber auch ermöglichen, dass sie gewisse wirtschaftliche Vorteile früh genug haben. Auf der anderen Seite hat man den Nachteil, dass man vielleicht noch nicht so viele Hausaufgaben lösen konnte, wie jetzt die Zertifizierung. Irgendwo versucht man eine Balance zu finden. Wenn man eine gute Menge zusammen hat, startet man. Das heisst aber nicht, dass man den Rest nicht nachholen möchte.
Computerworld: Wie wollen Sie die jahrelange Blade-Kompetenz von Konkurrenten wie HP, Dell, Fujits oder IBM kompensieren?
Martin: Für UCS wurde sehr viel innovatives Know-how aus den Bereichen Server, Virtualisierung, Storage und Netzwerk zusammengebracht. Es ist eben nicht nur das Blade. Es wird bei UCS sehr viel aus dem Blade herausgenommen und Computing ist nur ein Teil von dem Ganzen. Als Greenfield Player hat man den grossen Vorteil, dass man das System ganzheitlich betrachten und schauen kann, wo die grössten Kosten liegen. Die liegen nicht in der Anschaffung, sondern im Betrieb von einem Blade. So z.B. muss bei den vorhin erwähnten Mitbewerbern eine Fülle an Software fürs Management installiert werden. Dadurch, dass wir das System von Anfang an entwickeln konnten, mussten wir auf keine existierenden Systeme bzw. Downwards-Kompatibilität Rücksicht nehmen. Um auf das Management-Beispiel zurück zu kommen, so ist dies bei UCS ein integraler Teil und nicht irgendein Add-on. Von dem her müssen wir uns vor keinem Hersteller verstecken.
Waltert: Jahrelange Kompetenz bringt teilweise auch Probleme oder Altlasten mit sich. Wenn man sich beispielsweise Apple und sein iPhone ansieht; da könnte man sich auch fragen: Wie kann eine Firma die eigentlich Computer hergestellt hat, in so kurzer Zeit auf dem Telefonmarkt erfolgreich sein? Ich glaube, es ist das ganze System mit neuen Applikationen und Ansätzen, dass dort zum Erfolg beigetragen hat. Offensichtlich konnte man die Kompetenz ein Telefon zu bauen, genügend gut integrieren. So ähnlich würde ich das auch bei uns sehen. Die Systemkomponente hat einen sehr grossen Einfluss und die reine Kompetenz einen Blade zu bauen, ist vielleicht gar nicht mehr so ausschlaggebend.
Computerworld: Wie sieht Ciscos Strategie für den Schweizer Markt aus?
Waltert: Momentan sehen wir die Kernpfeiler respektive die grösste Marktdynamik eindeutig in den Bereichen Data-Center-Virtualisierung, Unified Communications und Collaboration sowie Video. Das Netz soll als unterliegende Plattform so entwickelt werden, dass alle Applikationen entsprechend umgesetzt werden können. Wir haben in der Schweiz einen Markt der sehr weit vorne dabei ist.
Martin: Wir hoffen, dass wir gegen Ende Jahr die ersten Systeme produktiv in den Schweizer Markt bringen können. UCS ist eine sehr wichtige Komponente für das Rechenzentrum, dadurch man den Storage- und den Netzwerkbereich auch noch in dieses System integriert. Da wir sowohl intern als auch bei den Beta-Kunden sehr gute Rückmeldungen erhalten haben, sind wir sehr positiv, dass die Marktakzeptanz relativ schnell vor sich gehen wird.
Harald Schodl