Blackberry Live
14.05.2013, 22:05 Uhr
Die Hausmesse als Wegweiser
Ein Billig-Smartphone, ein neuer BlackBerry Enterprise Server, ein BlackBerry 10 Update. BlackBerry stellt in Orlando einige Neuheiten vor, der grosse Knalleffekt bleibt aber aus. Trotzdem hat das Unternehmen durchaus Grund zur Zuversicht.
Thorsten Heins gab sich humorvoll und eloquent, sein Auftritt wirkte stimmig. Selbstsicherer als auch schon präsentierte sich der Blackberry-CEO an der Keynote zur BlackBerry Live. «Dieses Jahr fühlt sich völlig anders an wie das letzte», sagte Heins bei der Eröffnung der jährlichen Hausmesse in Orlando, Florida. «Denn wir hatten unglaubliche 12 Monate.» Noch im letzten Jahr meinten einige Messebesucher, dies würde sein erster und letzter Auftritt als CEO sein, sagte Heins nicht ohne süffisanten Unterton. Die Kritiker sollten Unrecht behalten, das erste komplette Jahr unter der Regentschaft Heins sollte eines der produktivsten für BlackBerry überhaupt sein. Ein neues Betriebssystem (BlackBerry 10), ein Rebranding (ehemals: RIM), und eine Strategieänderung weg vom proprietären System prägten das letzte Jahr der Kanadier. Mit diesen drei Eckpfeilern will BlackBerry nach den Marktverlusten, dem massiven Kurseinbruch und den daraus resultierenden Massenentlassungen der letzten Jahre die Trendwende schaffen. Das Vorhaben könnte gelingen.
Mit Alicia Keys und Lewis Hamilton zum Erfolg?
Viel Neues gab es an der Keynote zwar nicht, das für den Sommer (Daten für die Schweiz noch nicht bekannt) geplante Smartphone Q5 war die einzige Hardware-Ankündigung. Dabei handelt es sich um ein günstigeres Modell des Hybrid-Telefons Q10 mit 3,1 Zoll-Screen und QWERTY-Tastatur. Verfügbar wird es nur in ausgewählten Märkten sein, ob die Schweiz dabei sein wird, wusste an der Konferenz keiner der Verantwortlichen. Ebenso wenig konnte Auskunft über den Preis gegeben werden, sicher ist einzig, dass es günstiger wird als das Q10, das bei uns wohl Ende Mai erhältlich sein wird. Ein Produkt für diejenigen, die ökonomisch denken also. Das Styling sieht aber auch dementsprechend aus, einige Gehäuse wirken ziemlich schlecht verarbeitet. Spannender war darum die Art und Weise, wie BlackBerry den Rückstand zur Konkurrenz von Apple und iOS wettmachen möchte: einerseits will das Unternehmen bei Privaten punkten, indem es sich hip darstellt. Dazu wurde vor einigen Monaten Alicia Keys als Creative Director eingestellt, der Regisseur Robert Rodriguez (Sin City) und der Fantasy-Autor Neil Gaiman (American Gods) wollen unter dem Slogan «Keep Moving» durch Collaboration-Projekte BlackBerry-Kunden gewinnen und Lewis Hamilton stellte an der Keynote die Partnerschaft mit dem Mercedes Formel-1-Team vor. Pop-Kultur als Putzmittel gegen den Image-Staub quasi. Lesen Sie auf der nächsten Seite: BES 10.1
BES 10.1
Andererseits will BlackBerry aber auch seine Unternehmenskunden behalten. Dazu kündigte COO Kristian Tear den Launch des BlackBerry Enterprise Server (BES) 10.1 an, der auch Android und iOS-Geräte unterstützen wird. IT-Admins sollen so für jegwelche MDM-Lösung auf BlackBerry vertrauen können: «Wir helfen den Firmen, ihre Kosten zu reduzieren, indem sie mit dem BES 10.1 nur noch eine Plattform brauchen,» sagte Tear. Als weiteres Feature bietet BES 10.1 neue IT-Policy-Einstellungen bis hin zum «Business-only-Modus», was vor allem für Behörden nützlich sein dürfte, deren Angestellte oft unterschiedliche Sicherheitsstufen haben. Das Upgrade von BES 10 - auf den seit Januar immer 12 000 Kunden setzten - auf 10.1 ist kostenlos, wer noch BES 5 nutzt, kann bis Ende 2013 gratis auf die neuste Version wechseln. Als weiteres Software-Update wurde der Rollout von BlackBerry 10.1 fürs Z10 bekannt, der nächste Woche beginnen soll. Im Zuge des Updates erhält das System einige Verbesserungen, darunter einen HDR-Modus für die Kamera und einen verbesserten Blackberry Hub. Und es kommen weitere Apps hinzu, vor allem Skype dürfte für die Schweiz interessant sein.
BBM für iOS und Android
Daneben stellte BlackBerry noch eine weitere Öffnung ihres Eco-Systems vor: der BlackBerry-Messenger (BBM), der momentan 60 Millionen Nutzer hat, wird ab Sommer auch für iOS und Android verfügbar gemacht. Dass man sich damit in Schwellenländern, wo BlackBerry-Geräte vor allem wegen des BMM gekauft werden, ins eigene Fleisch schneiden könnte, dementierte Heins: «BBM ist stark genug, um eine unabhängige Multiplattformlösung zu werden.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Blick in die Zukunft
Optimistischer Ausblick
Der grosse Knalleffekt blieb in Orlando aber bislang aus und wird wohl auch nicht mehr kommen. Und trotzdem hat man das Gefühl, dass BlackBerry momentan vieles richtig macht. Aktuelle Marktzahlen bestätigen dies zwar nicht, im ersten Quartal betrug der Marktanteil der Kanadier an verkauften Betriebssystem gemäss aktuellen Gartner-Zahlen gerade noch 3 Prozent, letztes Jahr war er mehr als doppelt so hoch (6,8 Prozent). Trotzdem herrsche Aufbruchsstimmung, kein Vergleich mit dem letzten Jahr, als das Interesse an der BlackBerry Live wesentlich geringer und die Diskussionen weniger angeregt gewesen seien, berichten damals Anwesende. Gründe für eine positive Zukunft muss man auch nicht allzu lange suchen. So wurde mit Frank Boulben ein Marketingdirektor eingesetzt, diese Position existierte bei BlackBerry in den letzten beiden Jahren nicht. Daraufhin erfolgte das Rebranding, weg von der Markenvielfalt rund um RIM, hin zum einheitlichen BlackBerry. Daneben hat das Unternehmen nach wie vor 70 Millionen Kunden (rund 5 Prozent Marktanteil), besitzt ein riesiges Carrier-Netzwerk (650 Carrier) und hat drei Milliarden Dollar an Cash-Reserven.
Ressourcenplanung
Und diese Ressourcen muss das Unternehmen nun richtig einsetzen und damit ist nicht gemeint, nur Alicia Keys auf die Gehaltsliste zu setzen. Vielmehr sollte versucht werden, die momentane Aussenseiter-Rolle richtig auszuspielen. Denn während sich die Konkurrenz von Apple und Samsung seit einiger Zeit in Sachen Smartphones scheinbar nicht weiterentwickelt und sich auf ihrem Brand ausruht – genau das was RIM vor einigen Jahren zur Verhängnis wurde – hat BlackBerry die Chance, mit Innovation zu glänzen. Gemäss Roadmap wollen die Kanadier dieses Jahr sechs BlackBerry10-Geräte vorstellen, drei sind nun bekannt. Das vierte wird wohl ein günstigeres Z10 sein (Z5?) und weil Thorsten Heins erst vor kurzem meinte, Tablets seien auch nicht die Lösung, wird es sich bei den letzten zwei Geräten wohl um neue BlackBerry10-Flaggschiffmodelle handeln. Ob damit in Zukunft zu alter Grösse zurückgefunden werden kann, ist fraglich. Aber ein Marktanteil im zweistelligen Bereich wäre in der heutigen Situation durchaus machbar – und etwas, das noch vor wenigen Monaten viele Chronisten für unmöglich gehalten haben. Oder wie es Thorsten Heins sagt: «Ich würde nicht sagen, dass wir in der Pole-Position sind. Aber weit zurück auch nicht.»