Das weiss kaum jemand
30.09.2016, 16:58 Uhr
«Ohne Equinix würden die Clouds von AWS, Microsoft, IBM, Google und Facebook stillstehen»
Meister im Verborgenen: Kaum einer weiss das, aber ohne Equinix würden die Clouds von AWS, Microsoft, Facebook, Google, IBM und vieler Fortune-500-Firmen nicht richtig funktionieren. In der Schweiz betreut der Rechenzentrumsanbieter 320 Kunden.
Computerworld traf Steve Smith in Zürich zum vertraulichen tête-à-tête. Smith ist CEO von Equinix, dem grössten Rechenzentrumsbetreiber der Welt. Das Geschäft laufe blendend, gerät er ins Schwärmen, und die Cloud treibt das Wachstum von Equinix weiter voran. Mit einem Jahresumsatz von 27 Milliarden US-Dollar und 54 Wachstumsquartalen in Folge steht das Unternehmen sehr gut da. Das sei ein krisenfestes Geschäft, betont Smith. Selbst in der Finanzkrise 2008/2009, wo viele Firmen ihre Kosten stark reduzieren mussten, sei Equinix gewachsen, wahrscheinlich gerade deshalb. Equinix arbeitet im Verborgenen. Wenn es mal wieder um die meisten Rechenzentren der Welt geht, denkt kaum jemand an den kalifornischen Anbieter. Zu den Kunden gehören so gut wie alle grossen Cloud-Anbieter aus den Fortune 500, die grossen Telkos, grosse Systemintegratoren und internationale Unternehmen. In der Schweiz betreut Equinix 320 Kunden.
Herr Smith, Sie sind in der Schweiz sehr engagiert und betreiben sechs Rechenzentren im Land - ein starkes Commitment. Was macht die Schweiz so interessant?
Steve Smith: Wir haben in der Schweiz sechs Rechenzentren, zwei in Genf und vier in Zürich. Wir sind seit 15 Jahren präsent und sehen die Schweiz als einen der ganz grossen Finanzplätze der Welt. Über unsere Schweizer Rechenzentren bedienen wir 320 Kunden. Etwa ein Drittel davon sind internationale Unternehmen, die in Zürich oder in Genf ihre Niederlassungen unterhalten. Zwei Drittel unserer Kunden sind Schweizer Firmen.
Wieviele Rechenzentren hat Equinix weltweit?
Smith: Es sind 146 Rechenzentren in 21 Ländern, in den grossen Metropolen der Welt. Wir stellen Kapazitäten für Unternehmen bereit, die kein eigenes Rechenzentrum aufbauen und betreiben wollen. Denn das ist sehr kostenintensiv.
Gut für ihr Geschäft: Cloud Computing wird immer beliebter, und dafür braucht man Rechenkapazität.
Smith: Das haben wir über die letzten fünf Jahren gespürt, und der Trend in die Cloud wird sicher noch weitere zehn Jahre anhalten. Nach Mainframes, Client-Server und dem Internet ist Cloud Computing der nächste ganz grosse Paradigmenwechsel, der alle IT-Leistungen «as a Service» zum Kunden bringt. Dafür brauchen Sie Server, Storage und Netzwerk-Kapazität, und wir haben eine ganze Menge in unseren Rechenzentren.
Rechenzentren sind also ein gewaltiger Boom-Markt.
Smith: Wir schätzen, dass heute weltweit 16 bis 17 Prozent der IT in die Cloud gewandert ist. Über die nächsten zehn Jahre wird der Cloud-Anteil auf 40 bis 50 Prozent ansteigen – public und private.
Die grössten Cloud-Unternehmen der Welt zählen zu unseren Kunden. Diese Unternehmen bauen ihre eigenen Rechenzentren und Server-Farmen an kostengünstigen Standorten mitten im Nirgendwo, kommen aber zu Equinix, um in Städten wie Dubai, Zürich oder Shanghai präsent zu sein. Sie wollen nicht in alle Märkte selbst investieren müssen, sondern benutzen die bereits vorhandenen Kapazitäten. Einer unserer Top-15-Kunden ist IBM.
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Oracle-CEO Mark Hurd hat die Prognose gewagt, dass bis 2025 etwa 80 Prozent der Rechenzentren in der Cloud laufen.
Smith: Heute werden 80 Prozent on-premise unter dem eigenen Dach betrieben, 20 Prozent laufen ausgelagert. Bis 2025 wird der Markt drehen. Als internationales Unternehmen können Sie ihr Geschäft nicht mit fünf Rechenzentren in Zürich betreiben. Sie brauchen über die ganze Welt verteile Kapazitäten, um möglichst nahe an den Kunden zu sein.
Aber hauptsächlich aus psychologischen und nicht aus technologischen Gründen. Salesforce hat Rechenzentren in Irland, Grossbritannien und bald auch in Deutschland und in Frankreich. Technisch wäre es aber überhaupt kein Problem, alle Emea-Kunden aus den USA zu bedienen.
Smith: Salesforce unterhält einige eigenen Rechenzentren, mietet aber auch in jede Menge Kapazitäten an. Das machen viele der ganz grossen Cloud-Anbieter und davon profitiert Equinix, und hunderte von Co-Location-Anbieter.
Microsoft macht einen grossen Wind um seine HyperScaling-Cloud und kommt auf 1 ExaFlops pro Sekunde. Wie wichtig ist HyperScaling für Cloud-Kunden, kleine und grosse?
Smith: Für KMU in der Schweiz bringt eine HyperScale-Cloud keine Vorteile. Unsere Kunden sind die grossen Cloud-Anbieter, die grössten Telkos, die grössten Systeminteratoren und grosse, internationale Fortune-500-Unternehmen, die nicht überall eigene teure Rechenzentren aufsetzen wollen. Für KMU bringt es aber unter Sicherheitsaspekten Vorteile, ihr kleines Rechenzentrum nicht im Nebenraum auf dem Firmenflur, sondern in einem grossen Co-Location-Rechenzentrum zu betreiben.
Wie wichtig ist eine HyperScaling-Cloud wie die von Microsoft? Welchen Kunden bringt das Vorteile?
Smith: Der Ausdruck ist missverständlich. Für uns sind Hyperscaler Cloud-Provider wie AWS, Google, Microsoft, IBM oder Alibaba, die ein Hyperscale-Wachstum hinlegen und die für ihr Geschäft riesige Infrastruktur-Kapazitäten brauchen. Dann gibt es Hyperscaler wie Apple und Facebook, die keine Cloud-Provider sind. Sie haben aber einen riesigen Bedarf an Infrastruktur, um ihre Dienstleistungen wie Social Media, das Internet der Dinge, Telematik oder Musik anbieten zu können. Für uns sind Hyperscaler Unternehmen, wir benutzen den Ausdruck nicht für die Cloud.
Der Infrastruktur-Marktführer AWS ist einer unserer grössten Kunden. AWS hat eigene Rechenzentren, benutzt aber Equinix, um auf Märkten präsent zu sein, in denen sie kein eigenes Rechenzentrum betreiben wollen. AWS hat ein eigenes, Server-Farmen bestehendes Backoffice, lässt aber das Front-Office in Co-Location-Rechenzentren laufen. So funktionieren die Clouds von AWS, Microsoft, IBM, Facebook oder Google.
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Equinix ist ein ‚Enabler‘. Lässt sich mit diesem Geschäft Geld verdienen? Server, Storage und Netzwerke sind Commodities mit geringen Margen.
Smith: Hardware wird immer mehr zur Commodity, schauen Sie auf Unternehmen wie HPE, IBM oder Dell. Aber nicht die Rechenzentren. Wir bauen Rechenzentren auf der ganzen Welt, Kunden bringen aber ihre eigenen Server, Storage Arrays und Netzwerke mit. Wir helfen bei der Konfiguration und beim Betrieb, aber die Hardware ist Eigentum des Kunden.
Equinix ist kein Managed-Services-Anbieter, im Gegenteil. Viele der Managed Services Provider sind unsere Kunden. Equinix unterhält sozusagen die grossen Flughäfen auf der ganzen Welt. Flughäfen befördern Passagiere, wir befördern Traffic wie Video, Musik, Social Media. Equinix ist der grösste Co-Location-Rechenzentrumsanbieter weltweit. Rechenzentrumsbetreiber betonen gerne, ihre Kapazitäten seien die sichersten auf der ganzen Welt. Aber dann kommen Firmen wie Yahoo hunderte Millionen Kundendatensätze abhanden. Wie ist das möglich?
Smith: Bei Yahoo läuft zurzeit einige schief. Aber seien wir ehrlich: Jedes Unternehmen fällt in eine von zwei Kategorien. Entweder Sie sind gehackt worden und wissen es, oder Sie sind gehackt worden und wissen es nicht. Yahoo hatte offensichtlich ernsthafte Probleme, aber ich habe keine Ahnung, was wirklich dort passiert ist. Yahoos Policies waren vielleicht ein wenig veraltet, sie hätten ihre Kunden auffordern sollen, öfter ihre Passworter zu wechseln und sichere Passwörter zu benutzen.
Der Yahoo-Hack hat da einen Schub bewirkt, Firmen nehmen die Passwortvergabe ernster. Viele Mitarbeiter schreiben ja noch ihr Passwort auf ein Post-it und heften es an ihren Monitor.
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Wie sorgt Equinix für Sicherheit?
Smith: Wir sind in unseren Co-Location-RZs nur für die physische Sicherheit der Anlage verantwortlich. Alles andere untersteht der Verantwortlichkeit unserer Kunden. Genau das lieben unsere Investoren: geringes Risiko, hohes Wachstum. Die interessantesten Märkte des nächsten Jahrzehnts sind wahrscheinlich die BRIC-Länder Brasilien, ganz Lateinamerika, Indien, Russland, China und Südafrika. Wenn die Cloud-Provider in diese Märkte gehen, dann begleiten wir sie dabei.
Wie teuer ist es, ein Rechenzentrum mittlerer Grösse zu bauen?
Smith: Es hängt davon ab, ob Sie ein Grundstück kaufen und darauf einen Neubau errichten, oder ob Sie ein Gebäude kaufen und umbauen. Das ist preiswerter. Wenn Sie Land erwerben und ein grosses Tier-3-RZ neu bauen, kann das bis zu 100 Millionen US-Dollar kosten.
Wir haben ein aufmerksames Auge auf die Belegrate unserer Anlagen. Wenn uns in absehbarer Zeit der Platz auszugehen droht, sehen wir uns nach zusätzlichen Kapazitäten um. Wir bauen just-in-time. (We never want to go dark in a market.)