12.04.2016, 17:24 Uhr
Dropbox nimmt zahlende Unternehmenskunden stärker ins Visier
500 Millionen nutzen Dropbox als persönlichen Cloud-Speicher - meist kostenlos. In Zukunft will Dropbox für zahlende Unternehmenskunden attraktiver werden. Das ist geplant.
Oliver Blüher kam vom ERP-Weltmarktführer SAP zu Dropbox. Jetzt ist er Geschäftsführer für die Schweiz, Deutschland, Österreich und die skandinavischen Länder. Das sei keine Entscheidung gegen SAP, sondern für Dropbox gewesen, die quirligen Atmosphäre eines noch jungen Unternehmens aus dem Silicon Valley habe ihn gereizt, sagte Blüher, der am Montag der Computerworld-Redaktion einen Besuch abstattete. Für Blüher ist Dropbox kein blosser Online-Speicher, sondern ein Netzwerk. Mit zusätzlichen Business-Diensten will er sein Unternehmen auch für die zahlende Firmenkundschaft attraktiv machen. Denn die allermeisten der 500 Millionen Kunden nutzen Dropbox bislang kostenlos. Weltweit bedient Dropbox bislang 150'000 zahlende Unternehmenskunden. Das soll mehr werden. Mit Computerworld sprach Blüher über seine Pläne für die DACH-Region.
Herr Blüher, Dropbox hat in der DACH-Region zwar 30 Millionen Kunden, aber nur 4000 Unternehmenskunden, die für den Service auch zahlen. Wie wollen Sie das ändern?
Oliver Blüher: Natürlich ist Dropbox ein Unternehmen, das den ganz normalen Regeln einer Kapitalgesellschaft unterliegt und irgendwann Gewinne erwirtschaften muss. Momentan sind wir in privater Hand und unser Fokus ist Wachstum. Wir haben weltweit 500 Millionen Kunden. Das ist eine sehr starke Zahl, es gibt nicht allzu viele, die mehr Kunden haben. Facebook hat 1,5 Millliarden, dann gibt es noch ein paar dazwischen, und dann sortieren wir uns ganz bald ein.
Welche Zielmarke haben Sie sich gesetzt?
Blüher: Wenn man sich die Wachstumsraten anschaut, sind wir innerhalb eines Jahres um 100 Millionen gewachsen. Vor einem Jahr lagen wir noch bei 400 Millionen Kunden. Da kann man schon von einem sehr dynamischen Wachstum sprechen. Und es ist noch Luft nach oben. Jeder, der ein Mobiltelefon besitzt oder einen Internetzugang hat, profitiert von Dropbox. Da sind wir weltweit bei etwa 2 Milliarden Menschen, die wir potenziell adressieren.
Die Megatrends, immer mehr Smartphone-Nutzer, explodierende Datenvolumina, der Trend zum vernetzten Arbeiten, der Generationswechsel spielen uns in die Hände, treiben unser Wachstum. Und konvertieren die freien Nutzer in bezahlende Nutzer.
Nun sind Sie ja aber nicht der einzige Anbieter von Cloud-Speicher. Microsoft offeriert 5 Gbyte kostenlosen Cloud-Speicher für Privatkunden. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Sie starten mit der kostenlosen Variante, die 2 Gbyte Cloud-Speicher beinhaltet. Die können Sie über verschiedene Wege erweitern, indem Sie zum Beispiel Freunde einladen oder Dateien teilen. Daneben verfolgen wir zusammen mit Partnern mehrere Business-Modelle: Kaufen Sie ein neues Device, erhalten Sie für ein, zwei Jahre 15 oder 20 Gbyte kostenlos obendrauf. Wir wollen unseren Kunden den grösstmöglichen Mehrwert bieten und verfolgen dabei ein Freemium-Modell. Der Standard ist kostenfrei. Durch Zusatzdienste veredelt geht die freie Nutzung dann in eine bezahlte Nutzung über.
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Wie wollen Sie das schaffen? Für welche Zusatzdienste sollen Kunden zahlen?
Blüher: Dropbox ist mehr als ein persönliche Speicher. Sie können mit Dropbox - auch in der kostenlosen Variante - ihre Dateien zwischen unterschiedlichen Geräten wie einem PC, ein Smartphone und ein Tablet synchronisieren. Sie können Daten mit anderen teilen: Sie machen sich Notizen, können Links und Fotos integrieren und ihr Gegenüber sieht in Echtzeit, was Sie gerade geschrieben haben. Wir haben eine Kommentar- und eine Preview-Funktion. Also eine ganze Menge drumherum.
Dropbox ist ein Netzwerk, und der Mehrwert eines Netzwerkes steigt mit der Anzahl seiner Benutzer, und von denen haben wir bereits ziemlich viele. Deshalb gibt es auch keine unprofitablen Kunden. Auch die freien Nutzer steigern den Wert von Dropbox.
Damit stehen Sie in Konkurrenz zu den etablierten Kollaborationswerkzeugen wie Microsoft Sharepoint. Yammer oder Chatter von Salesforce.
Blüher: Berührungspunkte gibt es sicher an vielen Stellen. Dropbox ist sehr einfach zu bedienen. Wenn Sie mich nach den grössten ROI-Vernichter fragen, dann sind das Projekte, die den Zeit- und Budgetrahmen überschreiten, und mangelnde Adaption, also eine umständliche Benutzerführung. Wenn Anwender lange Zeit brauchen, um die Bedienung einer Software zu erlernen, dann ist das für die Firma eine riesige Anlaufinvestition. Dropbox haben Sie innerhalb weniger Tage im Unternehmen installiert.
Wie sicher sind die Daten von Schweizer Dropbox-Kunden, und wo werden die Daten gespeichert?
Blüher: Wenn Sie eine Datei auf Dropbox hochladen, dann zerschneiden wir die Datei in kleine Blöcke, die verschlüsselt übertragen und verschlüsselt in unterschiedlichen Rechenzentren gespeichert werden. Selbst wenn Hacker einen einzelnen Block abfangen und entschlüsseln, nützt ihnen das nicht viel. Um die Datei wieder zusammensetzen zu können, benötigen Sie die Metadaten, die wir ebenfalls verschlüsselt abspeichern.
Änderungen speichern wir nach dem Delta-Verfahren ab. Nur die Blöcke, die sich tatsächlich geändert haben, werden erneut hochgeladen und auf den neuesten Stand gebracht. In Sachen Infrastruktur-Sicherheit sind wir damit auf dem neuesten Stand. Hinzu kommen Zwei-Faktor-Identifikation und Passwortschutz aufseiten der Clients.
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Wo stehen die Rechenzentren geographisch?
Blüher: Zurzeit noch in der USA. Dort liegen aktuell 580 Petabyte an Daten. Wir haben gerade bekannt gegeben, dass wir ab drittem Quartal dieses Jahres Daten auch in Deutschland speichern werden.
Es gibt allerdings Schweizer Unternehmen, die per Gesetz dazu verpflichte sind, ihre Daten ausschliesslich in der Schweiz zu halten und nicht ins Ausland zu geben, auch nicht nach Deutschland.
Blüher: Wir müssen jetzt einen Schritt nach dem anderen machen. Wir sind seit gut drei Jahre in Europa präsent und haben unser Hauptquartier in Dublin eröffnet. Im letzten Jahr haben wir die Büros in Paris und London aufgemacht. Im Vergleich zu anderen Anbietern ist es schon ein starkes Commitment, in Q3 mit einem Rechenzentrum -–inklusive Backup – in Frankfurt aufzuwarten.
Nun eröffnet auch Microsoft Rechenzentren in Europa. Warum ist Dropbox besser als OneDrive, das in Office365 bereits enthalten ist?
Blüher: Das ist eine faire Frage. OneDrive ist aus meiner Sicht ein ganz hervorragender persönlicher Cloud-Speicher, solange Sie nur Microsoft Office/Office 365 nutzen. Wenn Sie aber Dateien zum Beispiel über Unternehmensgrenzen hinweg teilen und bearbeiten wollen, dann stossen Sie mit OneDrive an Grenzen. Denn natürlich hat Microsoft ein grosses Interesse daran, seinen eigenen Stack zu promoten. Wir sind stack-unabhängig und haben überhaupt gar kein Interesse daran, den Kunden wo auch immer einzuengen.
Apple vefolgt die gleiche Strategie. Der Anwender kann synchronisieren und teilen, aber nur innerhalb der Apple-Welt.
Blüher: Wenn Sie einen Zoo von Geräten unterhalten und möglichst schnell eine Kollaborationslösung ausrollen wollen, sind wir die deutlich bessere Alternative. Es kommt sonst schnell zur Wölkchenbildung: Sie haben die Apple iCloud, die Microsoft-Cloud, und noch viele andere Clouds. Unsere Strategie dagegen ist es, offen zu sein und den Kunden nicht in die ein oder andere Richtung zu drängen. Dropbox ist das integrierende File-Layer für alle Clouds. Ausserdem bieten wir offene APIs auch für branchenspezifischen Lösungen unterschiedlicher Hersteller an.
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Sie sind für das Geschäft in der DACH-Region verantwortlich. Wie wichtig ist der europäische Markt für Dropbox?
Blüher: 75 Prozent aller Dropbox-Nutzer leben ausserhalb der USA. Europa ist zwar wegen der vielen unterschiedlichen Sprachen und Reglements ein nicht einfach zu bedienender Markt. Wir wachsen aber in Europa nach wie vor stark.
Sie partnern mit Amazon (AWS). Hat sich da nicht David mit Goliath verbündet? Amazon ist Marktführer in Sachen Infrastruktur-as-a-Service. Die machen alles platt.
Blüher: Das sehe ich nicht so. Amazon ist seit Jahren unser enger Partner und die Speicherplattform unter Dropbox, wie bei vielen anderen Unternehmen auch. Das ist kein Geheimnis. Unser Geschäft ist Synchronisation, Vernetzung und Collaboration.
Viele Endanwender kennen Dropbox. Im Unternehmen entscheiden aber nicht die Anwender, sondern der IT-Chef. Wie wollen Sie den überzeugen, Dropbox zu benutzen, und nicht ein Konkurrenzprodukt?
Blüher: Amazon wird gerne für Test- und Entwicklungsumgebungen genutzt. Aber nicht, um schnell zu synchronisieren und um Dokumente mit Kollegen zu teilen. Amazons Unternehmensstrategie besteht nicht darin, ein Fileserver zu sein. Amazon will eine Plattform anbieten, auf der Unternehmen ihre Anwendungen entwickeln können. Wir kommen uns deshalb nicht ins Gehege.
Wir haben zusammen mit Dynatrace einmal die Cloud-Speicheranbieter in der Schweiz getestet. Performance-Sieger war der Schweizer Online-Speicher MyDrive. Dropbox landete im guten Mittelfeld. Die Messungen sind allerdings schon etwa eineinhalb Jahre alt.
Blüher: Unsere Rechenzentren standen bislang in den USA. Wir haben aber in den letzten 12 bis 18 Monaten Proxy-Server in den einzelnen Ländern aufgestellt, um die Service-Qualität für europäische Kunden zu erhöhen. Service-Qualität ist von vielen Faktoren abhängig. Das neue Rechenzentrum in Frankfurt wird die Performance aber sicher nicht verschlechtern.