14.06.2017, 06:43 Uhr
Ausländische Onlinehändler wachsen doppelt so stark wie Schweizer
E-Commerce boomt, auch in der Schweiz. Laut einer Studie profitieren davon aber meist ausländische Online-Händler.
Während die traditionellen Läden leiden, ist der Onlinehandel in der Schweiz im vergangenen Jahr kräftig weitergewachsen. Dabei profitieren ausländische Anbieter am meisten. Sie haben in etwa doppelt so stark zugelegt wie inländische.
«Die seit Jahren anhaltenden Marktanteilsverluste an ausländische E-Commerce-Anbieter sind bedenklich», erklärte Professor Ralf Wölfle von der Fachhochschule Nordwestschweiz, der den «E-Commerce Report 2017» verfasst hat. Im Internethandel sei der Anteil der ausländischer Unternehmen bereits doppelt so hoch wie im traditionellen Detailhandel. Insgesamt haben Schweizer im vergangenen Jahr Onlinebestellungen im Volumen von 8,05 Milliarden Franken getätigt, wie aus Schätzungen des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels (VSV) und dem Marktforschungsinstitut GfK Switzerland hervorgeht. Das sind 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Am Wachstum nehmen aber nicht alle hiesigen Internethändler teil. Ein Drittel der VSV-Mitglieder musste gar Umsatzrückgänge von über 1 Prozent hinnehmen, wie es im E-Commerce-Report heisst, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Die prominenten ausländischen Marken würden sich dagegen weit überdurchschnittlich steigern. «Dabei hilft ihnen der niedrige Eurokurs und die generell tiefere Preisniveau in den Nachbarländern.» Nächste Seite: Amazon als Damoklesschwert Knapp ein Fünftel der Schweizer E-Commerce-Ausgaben gehen mittlerweile an ausländische Anbieter. Der Wert der Schweizer E-Commerce-Ausgaben im Ausland nahm im vergangenen Jahr um beinahe 15 Prozent zu. Damit hat er sich seit 2012 verdoppelt.
Amazon als Damoklesschwert
Die Dynamik im Schweizer Onlinehandel sei nochmals gestiegen. Grund dafür seien das Internetwarenhaus Galaxus/Digitec, das zur Migros gehört, und der Onlinemarktplatz Siroop, an dem Coop und die Swisscom beteiligt sind. Galaxus/Digitec und Siroop geben Gas auf dem Schweizer Markt. Sie wollen die Lücke nutzen, die ihnen der US-Onlinegigant Amazon hierzulande lässt. Denn bisher bedient Amazon die Schweiz nur nebenbei, ohne spezifische Lösungen für das Nicht-EU-Land. So gibt beispielsweise keine Filter für überhaupt in die Schweiz lieferbare Produkte. Es gibt auch keine Schnelllieferung und auch keine Belohnungen für gute Kunden. Dennoch wächst das Angebot für die Schweiz. Und die Schweizer machen zunehmend davon Gebrauch. Einige der für den E-Commerce-Report befragten Verantwortlichen von wichtigen Unternehmen im Schweizer Internethandel glauben, dass Amazon in Zukunft auch Lebensmittel, Wein oder Möbel anbieten wird. «Amazon ist Damoklesschwert für den Schweizer Handel», sagte Wölfle der Nachrichtenagentur SDA. Auch im laufenden Jahr dürfte der Schweizer Onlinehandel in der Grössenordnung von 8 Prozent zulegen. «Beunruhigend ist, dass ausländische Anbieter weiterhin schneller wachsen werden», sagte Wölfle. «Das dauert nun viel zu lange. Wenn man zu viele Spiele verliert, ist man irgendwann nicht mehr in der selben Liga.» Nächste Seite: Datenanalyse wichtig
Datenanalyse wichtig
Zentral für einen Erfolg im Onlinegeschäft sei die Auswertung von Daten. Aus diesen lassen sich die Situationen erkennen, in denen die Kunden etwas wollen, was der Händler ihnen liefern kann. Was im traditionellen Detailhandel die teure Lage des Ladens sei, sei im E-Commerce der Suchbegriff, erklärte Wölfle. Mit der Datenanalyse erhalte man eine höhere Quote von Kunden, die nicht nur im Onlineshop herumstöberten, sondern auch tatsächlich kauften. So führe beispielsweise die Hotelbuchungsplattform Booking täglich hunderte von Tests mit verschiedenen Varianten der Homepage durch, die mit der echten Homepage verglichen werden. Dann werde ermittelt, wo die Nutzer mehr buchen würden. «Die erfolgreichen Anbieter probieren aus und optimieren dann ihr Angebot», sagt Wölfle. Denn keiner wisse genau, was die Kunden wollten. Der E-Commerce-Report Schweiz 2017 kann auf dieser Webseite gratis bezogen werden.