20.05.2010, 14:06 Uhr
53000 Tonnen und kein bisschen sammelmüde
Die Schweizer sind Weltmeister im Elektronikschrott-Recykling. Entsprechend erfolgreich operiert denn auch hierzulande der Verband Swico.
Paul Brändli, Swico
Swico, der Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz, trumpfte am Greenforum 2010 erneut mit guten Recycling-Zahlen auf. Mit 52'623 Tonnen gesammeltem Elektro- und Elektronikschrott baut die Schweiz ihre Pionierrolle im Recycling weiter aus. Gemäss Paul Brändli, Geschäftsführer von SWICO Recycling, wurde selbst im wirtschaftlich schwierigen 2009 mit zusätzlichen 1900 Tonnen ein Wachstum von 3,7 Prozent erreicht.
Ein Spitzenplatz im weltweiten Vergleich nimmt auch die realisierte Recyclingrate von über 90 Prozent ein. Metalle wie Eisen, Alu und Kupfer sind mit insgesamt 44,4 Prozent, Kunststoffe mit 21,8 Prozent und Glas mit 20 Prozent die grössten Materiallieferanten im Recycling-System des Swico.
Besonders die heute intensiv in den Recycling-Prozess eingebundene Schweizer Bevölkerung führte allein über die öffentlichen Abgabe- und Sammelstellen 30'800 Tonnen oder 55 Prozent des Elektro- und Elektronikschrott der Schweiz der Wiederverwertung zu. Über die Hersteller gelangten 5600 Tonnen oder 10 Prozent, über die Händler 9520 Tonnen oder 17 Prozent und über Firmen 10080 Tonnen oder 18 Prozent Altmaterial ins Recycling.
Mit weniger mehr erreicht
Die Kosten verteilen sich heute zu 42,2 Prozent aufs Recycling, 29,3 Prozent gehen in die Logistik, 12,4 Prozent an die Abgabestellen, 5,7 Prozent in die Verpackung und 2,5 Prozent entfallen auf die Administration. Paul Brändli betonte, dass der Swico trotz geringeren Aufwendungen die Sammelaktivitäten verbessern konnte. Zum Erfolg beigetragen haben zahlreiche Weiterbildungs- und Informationsaktivitäten des Swico. Im Rahmen einer Messe für die Gemeindewerke und bei diversen Schulbesuchen wurde das Schweizer Recyclingwesen vorgestellt. Ausserdem wurde entsprechendes Unterrichtsmaterial erstellt, das rege von Lehrern nachgefragt wird.
Schweizer Pionierrolle für neue Wege der Ressourcennutzung
Vor rund 150 Gästen, darunter zahlreiche Aktivisten der ersten Stunde, betonte Michael Braungart, Professor für Verfahrenstechnik an der Universität, im Eröffnungsreferat des Greenforum 2010 die Pionierrolle von Swico Recycling. Er forderte die Schweiz auf, daran anzuknüpfen. Weil auch hierzulande bei ersten Unternehmen bereits das Konzept des ,,Cradle to Cradle" (von der Wiege bis zur Wiege) realisiert sei, könne Swico Recycling eine Vorbildfunktion übernehmen in der neuartigen Form der Ressourcennutzung: Neue Produkte sind qualitativ besser und effektiver, wenn sie vom Design über die Herstellungs- und die Gebrauchsphase bis zur Entsorgung oder dem Recycling besser als herkömmliche Produkte sind.
Heute könne es nicht mehr darum gehen, alle Ingenieurkunst in den Möglichkeiten der Effizienz-Optimierung von Techniken und Materialien zu verbrauchen, erklärte Braungart. Ein grundsätzliches Umdenken in Sachen Ressourcennutzung sei angesagt und im Entstehen. Erst ,,Öko-Effektivität", so der deutsche Miterfinder des ,,Cradle to Cradle"-Prinzips, schaffe einen am Lebenszyklus der Natur orientierten Produkte-Lifecycle, der völlig ,,rematerialisierbar" ist.
Statt in die Bewertung und gesetzliche Reglementierung von guten und schlechten Techniken und Materialien das menschliche Können zu verschwenden, sollte die Kreativität in Entwicklungen gelenkt werden, die von Anfang auf die Wiederverwertung angelegt sind. Materialien werden nicht mehr weggeschmissen, verbrannt oder beim Recyceln ganz schnell immer weniger, sondern in zwei geschlossenen Kreisläufen entweder schadstofffrei in die Natur zurück gehen oder endlos wiederverwertet. Gemäss Braungart braucht es dazu ein Umdenken, weil die anstehenden Veränderungen bereits beim Design der Produkte beginnen. ,,Schon einmal hat Swico Recycling die Pionierrolle übernommen", appellierte er an die Schweizer Unternehmer, "wagen Sie es wieder".
Mit ICT-Technologie aus der Energiefalle
Die Bedeutung der ICT-Branche für die Reduzierung des Energieverbrauchs stand im Fokus des zweiten Referates am Greenforum 2010. Darin zeichnete Wolfgang Nebel, Professor am Oldenburger Institut für Informatik, eine paradoxe Situation nach. Zwar gehöre die ICT-Branche trotz wachsendem Energiebedarf weltweit zu den kleinen Energieverbrauchern, doch ohne den Rückgriff auf ICT-Technologie können auch die grössten Verschwender ihren Energiebedarf nicht mehr reduzieren. Laut Nebel sind es insbesondere die privaten Haushalte als die grössten Energieverbraucher, denen geholfen werden müsse, ihre Energiebilanzen rasch zu verbessern. Wie das möglich ist, wies er am Beispiel des intelligenten Stromnetzes "Smart Grid" nach.
Sich abzeichnende Energielücke schliessen
Heinz Beer vom Swico widmete seinen Schlussvortrag ebenfalls der Rolle der ICT-Branche für den schonenden Umgang mit den Ressourcen. Werden alle heute bestehenden Verträge eingehalten, zeichnet sich auch in der Schweiz ab 2020 eine drastische Stromlücke ab. Um hier frühzeitig Abhilfe zu schaffen, käme der ICT-Branche eine besondere Bedeutung zu.
Denn für mehr als die Hälfte des Wirtschaftswachstums und der Produktivitäts-Steigerung in modernen Volkswirtschaften ist der ICT-Einsatz heute schon verantwortlich, referierte Beer. Dabei ist die ICT der Schlüssel zu mindestens der Hälfte der Verbesserungen der Energieeffizienz und kann nicht nur ihren eigenen ,,Fussabdruck" reduzieren, sondern auch zu dessen Verringerung in allen Sektoren der Wirtschaft beitragen. ICT ist ein kleiner Teil des Problems, aber ein entscheidender Teil der Lösung, brachte Beer die Fakten auf den Punkt.
Um wirkungsvoll diese Aufgabe zu übernehmen, komme insbesondere den europaweit gültigen Labels als Ausweis der Energieeffizienz eine bedeutende Rolle zu. Weil gerade bei den grössten Energieverbrauchern, den privaten Haushalten, noch immer am wenigstens auf Energieeffizienz geachtet werde, spielen neue und einfache Energie-Labels eine immer wichtigere Rolle, erläuterte Beer. In Europa arbeite man bereits gemeinsam mit Herstellern, Regierungen, NGOs und Verbraucherorganisationen an solchen Geräteauszeichnungen. Übersichtlichkeit und eine möglichst breite Erfassung von energiesparenden Geräten werden einen wichtigen Beitrag leisten, um die sich abzeichnende Energielücke zu schliessen, stellte er klar.