Studie
20.01.2021, 17:40 Uhr
20.01.2021, 17:40 Uhr
Was Klicks auf einer Jobplattform über Diskriminierung verraten
Forschende der ETH Zürich untersuchten, ob es auf Jobplattformen zu Diskriminierung kommt. Die Resultate zeigen, dass die Benachteiligung von ausländischen Bewerbenden etwa von der Tageszeit beeinflusst wird und sowohl Männer als auch Frauen diskriminiert werden.
Ausbildung, fachliche Kompetenz, Erfahrung: Das sind die Kriterien, die bei der Besetzung einer Arbeitsstelle wichtig sind – so zumindest die Erwartung. Die Realität sieht allerdings oft anders aus, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Bei der Entscheidung, ob eine Person eingestellt wird oder nicht, spielen mitunter auch das Geschlecht, die Herkunft oder die Ethnizität eine wichtige Rolle. Faktoren also, die wenig über die Eignung für einen Job aussagen.
Diese Art der Diskriminierung verletzt die Chancengleichheit. Für die Betroffenen können daraus langfristige Nachteile entstehen, etwa in Form längerer Arbeitslosigkeit oder eines tieferen Lohns. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wer diskriminiert wird und warum. Die von Dominik Hangartner (Public Policy Group), Daniel Kopp und Michael Siegenthaler (beide KOF) durchgeführte Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt und soeben in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert.
Die Wissenschaftler arbeiteten mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zusammen und erhielten Zugang zu den anonymisierten Daten von Job-Room, einer der grössten Stellenvermittlungsplattformen der Schweiz. Die Plattform enthält Profile von mehr als 150’000 Stellensuchenden. Rekrutierende nutzen sie, um nach Personal für ihre offenen Stellen zu suchen. Zunächst geben sie an, welche Kriterien sie für eine bestimmte Stelle voraussetzen. Dann erhalten sie eine Liste mit passenden Kandidatinnen und Kandidaten und können deren Profil anschauen. Dieses enthält unter anderem Informationen über Kompetenzen, Geschlecht, Nationalität und Sprachkenntnisse. Bei Interesse können sie die Kandidatinnen und Kandidaten mit einem Klick kontaktieren, um sie allenfalls zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Millionen von Entscheidungen beobachtet
Die Forscher analysierten während rund zehn Monaten, welche Kandidatinnen und Kandidaten die Rekrutierenden kennenlernen wollten und wie sie ihre Auswahl trafen. So konnten sie abschätzen, wie die Herkunft oder das Geschlecht die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, kontaktiert zu werden – ein neuartiges Vorgehen, das grosse Vorteile gegenüber anderen Methoden zur Untersuchung von Diskriminierung hat.
Bei früheren Forschungsarbeiten zum Thema wurde vor allem mit sogenannten Korrespondenzstudien gearbeitet. Dabei verschicken Forscher fiktive Lebensläufe an Personalverantwortliche, die identisch sind – mit Ausnahme des zu untersuchenden Charakteristikums, etwa der Herkunft. Dann erfassen sie, welche Bewerbenden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Ein kostspieliges und nicht ganz unproblematisches Vorgehen, bei dem man sich auf wenige Bewerbungen und Berufe beschränken muss. «Mit unserer Methode können wir hingegen Diskriminierung in vielen verschiedenen Berufen zu verschiedenen Zeitpunkten untersuchen und den ganzen Suchprozess auf der Plattform analysieren: Wir wissen, welche Kandidatinnen und Kandidaten einem Rekrutierenden angezeigt werden, wann und wie lange er ein Profil besucht und ob er Kontakt aufnehmen will – wir beobachten also Millionen von Entscheidungen», erklärt Co-Autor Daniel Kopp.