01.10.2005, 22:30 Uhr

Pleiten, Pech und Führungsfehler

In den Schweizer IT-Geschichtsbüchern findet sich durchaus die eine oder andere Firmenpleite. Vor allem im Dotcomfieber läutete so manch ein Totenglöcklein. Einige der gescheiterten Unternehmen hatten einfach Pech, andere waren mit ihren Visionen ihrer Zeit voraus. Viele von ihnen kamen aber auch einfach infolge mangelnder Führungskompetenz zu Fall.
Viviance
Die E-Learning-Spezialistin Viviance gehörte zu jenen Dotcom-Startups, die besonders grosszügig mit Risikokapital ausgestattet worden sind: Fast 30 Millionen Franken hatten Geldgeber wie Private Equity in die Firma gebuttert. Diese ging an die Börse, streckte ihre Flügel in die USA aus und besetze ihren Verwaltungsrat mit illustren aber nicht ganz billigen Köpfen wie etwa Apple-Mitgründer Steve Wozniak. Die Expansion über den grossen Teich floppte, und bald waren die Kassen leer. 2002 flüchtete sich Viviance unter die Fittiche der schwedischen Konkurrentin K-World.
Plenaxx
Für den in Bern-Belp beheimateten KMUASP (Application Service Provider) Plenaxx war die Party vorüber, noch ehe sie begonnen hat: Das Joint Venture von UBS, Mobiliar, Swisscom und Valora startete 2000 mit viel Getöse. Ein Jahr und rund 40 Millionen investierte Franken später stellte es den Betrieb wieder ein.
Dettwiler Informatik
Unter anderem die Übernahme von Process-Link, für die man viel zu viel hingeblättert hatte, hat die traditionsreiche Basler Distributorin Dettwiler in den Ruin getrieben. Hatte das Unternehmen noch kurz zuvor Börsenpläne gehegt, so musste es 2001 mit einer Überschuldung von satten 57 Millionen Franken dicht machen.
Obtree
Über 80 Millionen Franken soll die Basler Softwareschmiede Obtree während ihrem Dasein verheizt haben. Swisslife und die Privatbank Pictet investierten einst ordentlich in das Unternehmen, um es für den Börsengang fit zu machen. Nachdem Letzterer ins Wasser gefallen ist, durchlief Obtree mehrere Refinanzierungsrunden, deren Ausmass auf insgesamt rund 50 Millionen Franken geschätzt wurde. 2003 schnappte sich die Konkurrentin Ixos Obtree für schlappe 7,7 Millionen Franken.
Lieberhart Systems
Ein einziger zahlungsunwilliger Grosskunde sowie der nachfolgende Rechtsstreit mit ihm soll Schuld daran gewesen sein, dass die Basler Software-Optimiererin Liebhart Systems ins Rudern geraten ist. 2002 musste das Unternehmen die Segel streichen.
All Com
Ein trauriger Grund war für den Niedergang des einstigen Schweizer Disti-Wunders All Com verantwortlich. Als der Gründer des Unternehmens, Clark Sachs, Anfang 2001 erst 47-jährig einer Herzattacke erlag, verlor All Com mit ihm ihren Antriebsmotor. Bereits im darauffolgenden Herbst mussten vier der fünf in der All Com Holding zusammengefassten Gesellschaften Konkurs anmelden. Die Firma wurde 1996 gegründet und etablierte sich innert vier Jahren zur wichtigsten Schweizer Cisco-Partnerin. In der Blütezeit beschäftigte All Com an die 180 Mitarbeiter und betreute mehr als die Hälfte der 50 grössten helvetischen Unternehmen.
Think Tools
Als die von Albrecht von Müller gegründete Think Tools 2000 den Börsengang wagte, waren sich Experten und Analysten einig, mit deren «Denkfabriksoftware» etwas Einzigartiges und Revolutionäres vor sich zu haben. Schnell erwies sich das Unternehmen aber als Startup in der Entwicklungsphase. Das Debakel mit dem gescheiterten E-Bank-Projekt You, einem Joint Venture mit der Privatbank Vontobel, heftige Plagiatsvorwürfe und ständiger Clinch mit der Schweizer Börsenaufsicht ruinierten den Ruf von Müllers Börsenphantasie vollends. Mitte 2004 hat sich die Zuger Red-IT die Think-Tools-Überreste geschnappt und ist so immerhin zu einem Börsenmantel gekommen.
Miracle
1999 legte die Langenthaler ERP-Softwareschmiede Miracle, die bereits 1986 als Lynx Software gegründet wurde, einen fulminanten Börsenstart hin: Der Preis der Aktie kletterte in Redkordzeit von 240 Franken auf 1190 Franken. Mit XRP hatte die Firma eine objektorientierte Business-Software im Rucksack, der von Experten eine rosige Zukunft vorausgesagt wurde. Technisch war das System allerdings bei Markteintritt dermassen unausgegoren, dass es Klagen von Erstanwendern hagelte. Schnell löste sich die einstige Sympathie der Investoren in Luft auf, und die Firma kam ins Strudeln. Ein Jahr nach dem IPO war das Unternehmen insolvent. Miracle-Mitgründer Peter Schüpbach heimste für seine Unterstützung von visionären Jungunternehmen heuer den Titel «Schweizer Business Angel 2005» ein.
Commcare
Urs Loeliger, Gründer der Schlieremer Telekom- und Netzwerkspezialistin Commcare, hat sich vor allem mit seinem jahrelangen Kampf gegen Swisscom und deren Mietleitungsmonopol einen Namen in der Branche gemacht. Dieser Kampf war allerdings einer gegen Windmühlen, der Commcare schlussendlich auch das Genick gebrochen hat. Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid hätte Commcare 2001 rückwirkend Interkonnektionsgebühren in der Höhe von fast neun Millionen Franken an Swisscom zahlen sollen. Ohnehin schon stark verschuldet konnte die Firma diesen Betrag nicht mehr aufbringen und musste ihre Bilanz deponieren. Teile des Unternehmens konnten noch an Sunrise verscherbelt werden. In besten Zeiten beschäftigte Commcare über 100 Mitarbeiter.
Gretag Imaging
Die ehemalige Ciby-Geigy-Tochter Gretag Imaging wurde einst als internationales Schwergewicht im Bereich der digitalen Bildverarbeitung gehandelt. Mangelnde Führungskompetenz, Qualitätsprobleme, fehlendes Wachstum und Akquisitionen führten zu Liquiditätsproblemen und einem immensen Schuldenberg. Der Aktienkurs crashte von einst 400 Franken auf schlappe 1,8 Franken. Die Aktie von Gretag Imaging wurde Anfang 2003 dekotiert.
Atraxis
Nach dem Grounding von Swissair konnte sich auch deren IT-Tochter Atraxis nicht mehr lange auf den Beinen halten. Ende 2001 wurden Teile der Firma an die ITDienstleisterin EDS verhökert. Das restliche Überbleibsel von Atraxis firmierte später unter dem Namen Atrib Switzerland und musste nach nicht allzu langer Zeit die Tore ebenfalls schliessen.
Fantastic
Als Super-Flop ist die Zuger Fantastic Corporation in die Geschichtsbücher der Schweizer IT-Szene eingegangen. Gegründet, mit viel Brimborium, wurde das Unternehmen 1996 mit der Vision, Multimediasoftware für Breitbandmedien bereit zu stellen. Damit wollte man ein Segment bedienen, dem die Analystengemeinde damals goldene Zeiten prophezeite. Doch weder waren Markt noch die vertriebene Software zu diesem Zeitpunkt reif. Nach einem tragfähigen Geschäftsmodell fragte im Internetfieber ohnehin niemand, und so spülte der Börsengang 1999 gut 140 Millionen Dollar in die Fantastic-Kassen. Zu Glanzzeiten beschäftigte die gehypte Breitbandfirma um die 350 Mitarbeiter und hatte einen Börsenwert von fast 10 Milliarden Dollar. Schnell war das Geld verbraten, und dem Unternehmen ging der Atem aus.Seit gut anderthalb Jahren serbelt Fantastic nun ohne Mitarbeiter und operative Tätigkeit vor sich hin. Jetzt will der deutsche Privatier und Investor Luigi Carlo De Micco, der inzwischen fast 80 Prozent der Aktien hält, das gefallene Schweizer Börsenstarlet wiederbeleben.
Dynabit
Dynabit, mit Hauptsitz in Zug, wurde 1990 als Distributionsfirma für multimediale Produkte gegründet. Im Laufe der Jahre spezialisierte sich das Unternehmen auf das vielversprechende Streaming-Segment. Als das Geld auszugehen drohte, überliess Dynabit 2002 das Distributionsgeschäft Brack Consulting. Anfang 2003 musste das Hünenberger Unternehmen definitiv das Handtuch werfen.
Asonic-Elbatex
Der Niedergang von Asonic-Elbatex mag als Beispiel dafür stehen, dass das Zusammengehen magerer Zwillinge nicht zwingend einen fetten Buben abgibt. Ende 1998 musste das im Distribution- und im Projektgeschäft tätige Unternehmen das Handtuch werfen. Schuld daran war eine nicht verdaute Fusion: Ein Jahr vor der Pleite hatten sich die im kreditintensiven Projektgeschäft tätige Asonic und die Zwischenhändlerin Elbatex zusammengetan. Beide hatten bereits vor der Fusion gekränkelt.
Callino
Die Schweizer Providerin Callino musste im Frühjahr 2001 liquidiert werden, nach dem das amerikanische Mutterhaus Formus selbst in die Bredouille geraten war und den Geldhahn in Richtung Schweiz abgedreht hatte. Callinos Kunden und die technische Infrastruktur schnappte sich die Bassersdorfer Profitel. Die WLL-Lizenz (Wireless Local Loop), für die Callino einst 55 Millionen Franken berappt hatte, ging an Commcare.
Mount 10 Service
Mount 10 Service, Tochter der börsenkotierten Mount 10 Holding, hatte einst mit einer Aufsehen erregenden Geschäftsidee Furore gemacht: Sie wollte Backup-Daten in einem Bunker in den Schweizer Alpen hacker- und bombensicher horten. Die Idee floppte: Das Rotkreuzer Unternehmen setzte zwölf Millionen Franken in den Sand und verbrauchte in den drei Jährchen ihrer Existenz glatt sechs Managements.
Day
Tief war auch der Fall des einstigen Börsenstarlets Day: Die fast 150 Millionen Franken, die mit dem IPO hereingekommen waren, hat das Unternehmen in Null Komma nichts in den Sand gesetzt. Seit einigen Jahren dümpelt die Baslerin, die bereits mehr als einmal totgesagt wurde, unter Alpha Michael Moppert vor sich hin. 2004 betrug der Umsatz an die 13 Millionen Franken, der Nettoverlust lag bei 5,5 Millionen Franken.
XO3
Gerade einmal 30 Monate hatte die Genfer XO3 auf dem Buckel, als Ende 2001 der Pleitegeier zugeschlagen hat. Dabei hatten die selbsternannten Himmelstürmer hehre Ziele: Mit ihrer proprietären Portalplattform für wieder verwendbare Websoftware- Komponenten wollten sie sich als Gegengewicht zur mächtigen Microsoft positionieren. Vor lauter Selbstverliebtheit vergassen die XO3-Macher auf die Betreuung von Marketing und Vertrieb. Nach der Initialfinanzspritze von rund fünf Millionen Dollar drehten die Investoren den Geldhahn zu.
Wenger Printers
Wenger Printers wurde Anfang der Siebzigerjahre gegründet und stellte den ersten europäischen Drucker her, der von einem 8-Bit-Prozessor gesteuert wurde. In seinen besten Zeiten markierte das Unternehmen in sechs europäischen Ländern und in Übersee Präsenz. Den Massenmarkt konnte Wenger Printers allerdings nie erobern. Immerhin zwanzig Jahre hielten die Basler sich im Geschäft, bevor ihnen 1993 der Schnauf ausging.
SIZ
Im Hochsommer 2004 musste die Genossenschaft SIZ (Schweizerisches Informatik Zertifikat) die Bilanzen deponieren. Die Gründe dafür waren unter anderem in veralteten Kurs- und Prüfungsinhalten, verkrusteten Strukturen sowie dem arroganten Verhalten der damaligen Führungsequipe zu suchen. Kurz bevor die Bücher deponiert wurden, hat man noch schnell sämtliche Werte der SIZ der neu gegründeten Trägergesellschaft SIZ AG vermacht und damit eine praktisch leere Hülle in den Konkurs geschickt.



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