Interview mit Beat Bussmann
30.07.2024, 16:20 Uhr
«Ich bin eher ein Mensch der Tat»
Vieles richtig, weil anders gemacht. Bei Opacc geht man bewusst eigene Wege. Der Erfolg gibt dem Schweizer Softwareunternehmen recht. Daran wird auch der Rückzug von Beat Bussmann nichts ändern.
Beat Bussmannn wird auch in Zukunft die Hände nicht in den Schoss legen. Als Miteigentümer und Verwaltungsrat von Opacc wird er das Management weiterhin unterstützen.
(Quelle: Opacc)
Wer sich mit Beat Bussmann unterhält, darf sich auf eine Mischung aus Humor, Erfahrung und Professionalität freuen. Er weiss, wovon er spricht, wenn es um Softwareentwicklung und Unternehmertum geht. Demnächst winkt etwas mehr Musse. Wirklich?
Computerworld (CW): «Opacc die Fünfte» so der Titel unseres Artikels über die kürzlich verkündeten Neuerungen Ihrer Enterprise Software, welchen wir in Anlehnung zu Beethovens Meisterwerk der fünften Symphonie gewählt haben. Diese ist auch bekannt als Schicksalssymphonie. Inwiefern könnte man eine Analogie zu Opaccs Fünfter, sprich Nytron, ziehen?
Beat Bussmann: Nytron ist ein Meisterwerk, hier gibt es tatsächlich eine innere Verbindung zur 5. Symphonie von Beethoven (lacht). Beethoven schrieb die Symphonie nach der französischen Revolution. Europa war in Bewegung! Die (umstrittene) Bezeichnung als «Schicksalssymphonie» erlangte die Symphonie, weil Beethoven angeblich vermitteln wollte, dass jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen soll und kann. Und auch hier gibt es auch eine Verbindung zu Opacc, denn wir sehen das als Schweizer Software-Engineering-Unternehmen seit nun über 35 Jahren genauso.
CW: Bevor wir den Blick in die Zukunft richten, ein kurzer Rückblick. Wie würden Sie einem guten Freund die Zeit zwischen der Gründung von Opacc im Jahr 1988 bis heute beschreiben? Was war für Sie wundervoll, was war eher zum Vergessen?
Bussmann: Es war viel Arbeit. Irgendeinmal begann das Hamsterrad sich zu drehen und es wurde noch mehr Arbeit. Wundervoll dabei war es, in diesem Prozess fast immer die Kontrolle zu behalten, den Handlungsspielraum zu nutzen und der Dynamik eine Richtung zu geben. Dies immer in enger Abstimmung mit Kunden und dem Opacc-Team. Das hat genug Energie erzeugt, um Hindernisse zu überwinden und Rückschläge zu vergessen.
CW: Wie erwähnt, hat Opacc mit der Version Nytron eine neue Softwaregeneration eingeläutet. Hand aufs Herz, was kann nach so vielen ERP Jahrzehnten die Kunden noch vom Hocker holen?
Bussmann: In den letzten 30 Jahren haben wir eine schier unglaubliche Entwicklung der technischen Möglichkeiten gesehen. Dies hat zu einer dauerhaften Inflation an Features in unseren Anwendungen geführt. Am stärksten betroffen war dabei unser ERP. Die Anzahl der Daten, Funktionen und User-Interfaces ist praktisch explodiert. Dafür können unsere Kunden heute praktisch alle wertschöpfenden und kundenzentrierten Prozesse über unsere Plattform und Anwendungen abwickeln. Dies meist gänzlich ohne wartungsintensive Schnittstellen zu Umsystemen.
Mit Nytron hat unser ERP eine aktuelle und topmoderne Bedieneroberfläche erhalten. Dies allein ist für ein ERP bereits eine kleine Sensation. Gleichzeitig haben wir die Funktionalitäten komplett neue organisiert. So steht die umfassende Funktionalität dem User stets übersichtlich und beherrschbar zur Verfügung. Das kompromisslos umgesetzte Konzept des «Progressiv Disclosure» stellt sicher, dass das, was alle User benötigen, auf der ersten Ebene zur Verfügung steht und alles, was einzelne User je nach Aufgabe zusätzlich benötigen, immer im richtigen Kontext sofort zur Verfügung steht. Die topmoderne User Experience und die Strukturierung der Funktionalität machen aus Nytron eine grosse Sensation. Damit setzt Opacc einen neuen Standard für ERP-Systeme.
CW: Von aussen betrachtet, hat man Beat Bussmann eher als Strippenzieher im Hintergrund wahrgenommen. Stimmt das? Und wenn ja, war das eine bewusste Rolle?
Bussmann: Ich bin eher ein Mensch der Tat und nicht der Worte. Worte benutze ich auch gerne, aber am liebsten nach den Taten, ungern vorher und schon gar nicht alternativ. Und natürlich ist auch mir klar, dass man ein Team benötigt, um etwas Einzigartiges zu erreichen. Und das Team macht die Musik und ihm gehört das Publikum.
CW: Nun befördern Sie sich selbst per Ende Jahr weg in den Verwaltungsrat und übergeben die operative Unternehmensleitung in neue Hände. Mehr noch, Sie führen ein neues Modell ein, welches die Rotation von Partnern vorsieht. Was hat Sie dazu bewegt?
Bussmann: Wir haben bei Opacc bereits seit über 20 Jahren ein innovatives Partnermodell. Unser neues Management-Modell ist eine Weiterentwicklung davon. Viele Beratungsunternehmen arbeiten erfolgreich mit ähnlichen Modellen. Kunden und Mitarbeitende schätzen die dynamische Kontinuität, welche Opacc in den letzten Jahren geprägt hat. Und mit dem neuen Modell können wir beides aufrechterhalten.
Beat Bussmann: «Ich bin eher ein Mensch der Tat und nicht der Worte. Worte benutze ich auch gerne, aber am liebsten nach den Taten.»
Quelle: Opacc
CW: Ihre Schlagfertigkeit ist bekannt. Bitte ergänzen Sie spontan folgenden Satz: «Der Schweizer ERP-Markt ist…»
Bussmann: «... nach wie vor stark fragmentiert». Dies sowohl auf der Anbieterseite wie auch auf der Nachfrageseite. Auf der Nachfrageseite nehmen wir positiv zur Kenntnis, dass man inzwischen auch Schweizer Unternehmen, allen voran Opacc zutraut, ERP-Systeme zu entwickeln, die es mit globalen Anbietern jederzeit erfolgreich aufnehmen können.
CW: Zurück zu Nytron, Opaccs Fünfter. Bestimmt haben Sie die folgende Frage in Ihrem Entwicklungsteam auch oft diskutiert. Wie kann man ERP Kunden heute begeistern?
Bussmann: Man muss unterscheiden zwischen den Usern und den Unternehmen. Die User schätzen, wenn sie von ihrem ERP bei der Arbeit unterstützt statt behindert werden. Das erreichen wir durch die bereits dargelegte Symbiose von topmoderner User-Experience mit umfassender, aber dosierter Funktionalität. Die Unternehmen schätzen die umfassende Unterstützung ihrer Prozesslandschaft durch eine homogene und updatefähige Plattform und dazu passenden Anwendungen.
CW: Ihre Kunden sind Unternehmer. Beliefern Sie diese einfach mit Software oder versucht Opacc auch, mit Erfahrung und Marktwissen die wirtschaftliche Entwicklung der Kunden voranzutreiben?
Bussmann: Opacc ist einerseits Software-Entwicklerin, andererseits aber auch Dienstleistungspartner unserer Kunden. Die Kunden erwarten von uns, dass wir ihnen neue Handlungsfelder erschliessen. Dabei ist die Grenze inzwischen zur Beratung fliessend und verläuft bei jedem Kunden an einer anderen Stelle.
CW: Anders als andere Softwareunternehmen ist Opacc bekannt für die Ausbildung von Lernenden. Zudem gibt man sich viel Mühe als moderner Arbeitgeber. Rechnet sich dieser Aufwand oder geht das eher in Richtung Marketing-USP, weil es sich gut anhört?
Bussmann: Als Schweizer Unternehmen ist es für uns selbstverständlich, dass man auch Ausbildungen anbietet. Heute sind es 10 Arbeitsplätze für Lernende. Und als Unternehmen und Arbeitgeber muss man sich stets bemühen, dem ganzen Team ein optimales Umfeld zu bieten, damit alle einen Beitrag im Rahmen ihrer Möglichkeiten leisten können. Und zu diesem Umfeld gehört auch die Förderung einer vertrauensvollen und respektvolle Zusammenarbeit. Das wir mit dem Opacc Campus noch die Möglichkeit hatten, unser physisches Umfeld nach eigenem Geschmack zu gestalten ist ein grosses Privileg, das wir täglich schätzen.
Stolz wie ein Schlossbesitzer zeigt sich Beat Bussmann vor dem Opacc Campus mit rund 230 Arbeitsplätzen.
Quelle: Opacc
CW: Der Countdown des CEO Beat Bussmann läuft. Was muss noch erledigt werden? Wie wird sich das am 31. Dezember anfühlen?
Bussmann: Die Regelung der Nachfolge hat eigentlich schon mit der Gründung der Opacc begonnen (schmunzelt). Wir haben selbstverständlich bereits einen Plan, wie die Unternehmensführung in Zukunft funktionieren soll. An diesem Plan arbeiten wir. Vereinfachend kommt hinzu, dass es keine Veränderung in der Eigentümerschaft geben wird. Auch hier setzen wir auf Kontinuität.
Zur Person
Beat Bussmann
studierte nach einer Banklehre an der Fachhochschule Luzern Betriebswirtschaft. Anschliessend arbeitete er bei einem internationalen Beratungsunternehmen, bevor er sich 1984 selbstständig machte. 1988 gründete er Opacc und leitet dieses seither als CEO.