16.04.2013, 11:54 Uhr
«Auch die Cloud braucht Speicher»
Seit Jahren wächst NetApp schneller als der Markt. Im Interview mit Computerworld verrät David Gingell, Europa-Verantwortlicher für Marketing und Business Development der Firma, die Erfolgsrezepte und die Zukunftspläne des Speicherspezialisten.
Computerworld: Seit einigen Jahren wächst NetApp weltweit mit gut 20 Prozent, in der Schweiz sogar stärker. Wie konnten Sie so viel schneller wachsen als der Markt?
David Gingell: Wir haben ein engagiertes Team, das sich ganz auf ein Geschäftsfeld fokussiert, nämlich auf die Datenspeicherung und auf die Verwaltung dieser Daten. Wir haben klar definiert, wo wir Techniken liefern und wo dies unsere Partner in unserem Ökosystem tun. Dabei sind wir bekannt für unsere Innovationen. Das hat sogar eine gewisse Tradition. Wenn man unseren Werdegang betrachtet, starteten wir vor 20 Jahren den Markt für NAS (Network Attached Storage). Der nächste Wachstumsschub gelang uns mit der Zusammenführung von NAS und SAN (Storage Area Network) im gleichen Gerät. Zu der Zeit waren wir die einzigen, die das anbieten konnten.
Und heute?
In den letzten Jahren konnten wir einige wichtige Trends für uns nutzen und in Wachstum ummünzen. Zu diesen gehört zunächst einmal die Server-Virtualisierung. Auch virtuelle Server brauchen Speicher, sie brauchen sogar mehr zentralisierten Speicher, weil die Server selbst keinen eigenen Diskspeicher mehr haben. Wir haben somit für diese «Shared Infrastructure» die Storagekomponente liefern können.
Der zweite Trend wurde virulent während der Finanzkrise. Plötzlich mussten Speichersysteme möglichst effizient sein, sprich: die Ressourcen sollten optimal ausgenutzt werden. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir in unserem Speicherbetriebssystem Data ONTAP einige Kerntechniken, mit denen sich die zur Verfügung stehende Storageumgebung besser ausnutzen lässt. Thin Provisioning, Deduplikation, Kompression sind einige der Stichworte, die hierher gehören. Dadurch mussten Unternehmen schlussendlich weniger Speicher kaufen. NetApps Mitgründer Dave Hitz hat die Maxime einmal auf den Punkt gebracht, indem er sagte: «Wir wollen, dass unsere Kunden weniger Speicher kaufen». Nach wie vor werden viele Speichersysteme nur zu 40 bis 50 Prozent genutzt. Unser Ziel war es diese Rate auf 80 Prozent zu erhöhen. Zugegeben: Dadurch müssen die Firmen zwar weniger Speicher kaufen. Aber wegen der von uns gebotenen Ausnützungsziffer kaufen sie die Systeme zunehmend von uns.
Erreichen Sie wirklich Ausnutzungsraten von 80 Prozent?
Klar, einige Kunden von uns erreichen sogar 95 Prozent. Das CERN in Genf ist da etwa eines der Paradebeispiele.Das erreichen Sie ja nur mit Intelligenz, sprich: Software. Sind sie eigentlich mittlerweile eher eine Software-Firma?
Das kann man fast so sagen. Natürlich haben wir immer noch den Fokus auf der Hardware, auf unserer Plattform. Am meisten Geistiges Eigentum steckt aber in der Software. Die Applikationen und das Betriebssystem sind somit unsere Kronjuwelen.
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Einer der wichtigsten Konkurrenten von NetApp ist EMC. Welches sind eigentlich die Unterschiede zwischen den beiden Firmen, von einem technischen Standpunkt aus gesehen?
EMC ist sehr breit aufgestellt. Sie sind in vielen Feldern tätig. Dabei ist es interessant, zu sehen, wie sie einige ihrer Partner bei der Stange halten können, obwohl sie gleichzeitig mit ihnen konkurrieren. Der grösste Unterschied ist somit der Fokus. Unser Fokus liegt klar beim Speichern und bei der Verwaltung der Daten. Wir haben zudem ein einheitlicheres Angebot, so laufen alle unsere Speichergeräte mit einem Betriebssystem, nämlich Data ONTAP. EMC hat zwar alle einzelnen Elemente. Bei EMC müssen Sie aber meist auf mehrere Plattformen zurückgreifen, um ihre Speicher-Bedürfnisse abzudecken.
Würde EMC nicht argumentieren, dass es gescheiter sei, spezifische Systeme für spezifische Aufgaben bereitzuhalten, statt wie NetApp eine One-Size-Fits-All-Lösung anzubieten?
Das kann schon sein. Allerdings würde ich dem entgegenhalten, dass wir zwar mit ONTAP einen grossen Bedarf abdecken, aber auch dedizierte System in petto haben, nämlich immer dort, wo es sich wirklich anbietet. Ich denke etwa an unsere E-Serie. Grosso modo decken wir 90 Prozent der Speicher-Anwendungsumgebungen ab. Wo wir allerdings nie besonders stark waren, ist bei den Tier-1-Geräten, also bei Speicher-Mainframes für OLTP wie den Vmax. In diesem Zusammenhang wird es interessant sein zu sehen, wie Flash-Speicher diese Landschaft verändern wird.
Neben EMC gibt es aber auch noch die Konkurrenten IBM, HP und Dell. Wie beurteilen Sie hier die Unterschiede?
Darf ich diese Frage aus dem Blickwinkel des Marktanteils beantworten? Hier ist nämlich folgende Entwicklung zu beobachten. Vor 10 Jahren hatte NetApp einen Anteil am Speichermarkt von etwa 5 Prozent. Heute liegt dieser Anteil bei 15 bis 16 Prozent. In Europa ist dieser Anteil höher und in bestimmten Ländern sind wir sogar der Marktführer - so im letzten Quartal etwa auch in der Schweiz.
Um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen: Weltweit verlieren die Komplettanbieter wie HP, IBM und Dell im Speicherbereich laufend Marktanteile. Derzeit sind eigentlich nur noch zwei Pferde ernsthaft im Rennen und wachsen, und das sind EMC und NetApp. Übrigens: IBM ist unter anderem auch ein OEM-Partner von uns. Streng genommen könnte man einen Teil des Marktanteils von IBM unseren Verkaufszahlen zuschlagen.
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Nach wie vor bleibt NetApp aber im Speicher- und Datenverwaltungsgeschäft. Haben Sie keine Lust, in andere Geschäftsfelder vorzudringen, wie es Cisco und Oracle mit Servern und HP mit Netzwerkgeräten vorgemacht haben?
Als Firma nicht. Als Technologiepartner beteiligen wir uns dagegen sehr wohl am Trend der «Converged Infrastructure» und bieten beispielsweise zusammen mit Cisco und VMware unseren Flexpod an.NetApp hat in letzter Zeit viel von Clustering gesprochen. Ist das nicht einfach eine Weiterführung von Storage-Virtualisierung, die sie seit Längerem anbieten?
Clustering ist einerseits eine Weiterführung von Storage-Virtualisierung, geht aber in einigen Punkten darüber hinaus. So erlaubt Clustering den Dauerbetrieb von Speichersystemen, so dass unterbruchsfrei eine Migration oder ein Update durchgeführt werden kann. Das tönt einfach, hat aber riesige Auswirkungen auf den IT-Betrieb. Als Beispiel kann ich ihnen das Kosmetik-Unternehmen Revlon nennen, das unsere Clusteringtechnik benutzt. Deren Speichersysteme sind nun zu 99,9999 Prozent verfügbar. Dies entspricht einer maximalen Ausfallzeit von 13 Sekunden im Jahr. Darüber hinaus kann dieses Unternehmen vier Mal mehr IT-Änderungen und -Neuerungen durchführen in kürzerer Zeit. Der Grund: Mit Clustering können die Verantwortlichen in Millisekunden eine Kopie der IT-Umgebung erstellen, mit der dann die Programmierer arbeiten können.Mit Desktop-Virtualisierung zeichnet sich ein weiterer Trend ab, welche Auswirkung hat dieser auf Ihr Geschäft?
Das hat einen grossen und sehr positiven Effekt. Wir arbeiten mit Citrix und Microsoft zusammen, damit unsere Speicherlösung in deren Konzepte für Desktop-Virtualisierung passen. Schliesslich können wir von dem Trend nur profitieren, denn Daten, die bislang auf PCs abgelegt wurden, werden nun ebenfalls zentral in eine geteilte Speicherinfrastruktur bewegt.
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Bringen Sie auch mehr Intelligenz in Ihre Systeme, um aus den gesammelten Daten mehr Geschäftsnutzen zu ziehen, Stichwort: Business Intelligence?
Generell fokussieren wir uns auf das Datamanagement. Natürlich werden unsere Systeme auch intelligenter, aber nicht im Sinne von Informationsmanagement, sondern um die zu verwaltenden Daten effizienter zu speichern, etwa durch geschickte Deduplikation. Hierbei ist ein gewisses Wissen über die Daten und die Inhalte wichtig.Sie wollen sich also nicht in der Nahrungskette nach oben bewegen und die Daten auch analysieren?
Wie gesagt sehen wir unseren Fokus beim Datenmanagement. Und wir sehen in diesem Bereich noch sehr viele Möglichkeiten, um unsere Produkte unterzubringen. Wir arbeiten zum Beispiel eng mit jenen Firmen zusammen, die sich auf die Analyse von Informationen spezialisiert haben und liefern ihnen die Speicher-Basis für ihre Anwendungen. So kooperieren wir mit Teradata und SAP.
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Vor Kurzem haben Sie Storagesysteme angekündigt, die komplett aus Flash-Komponenten bestehen. NetApp sprach von der grössten Ankündigung der letzten Zeit. Was ist genau so wichtig daran?
Lassen Sie mich das in den Kontext stellen. NetApp hat bereits seit 2009 Flash-Produkte im Angebot. Wir haben mit 36 Petabyte mehr Flash-Speicher geliefert als irgend einer unserer Konkurrenten. Wir sind somit nicht neu in diesem Geschäft. Wir hatten die Technik als Cache im Einsatz, und im letzten Jahr brachten wir ein hybrides Gerät mit traditionellen Festplatten und mit Festkörperspeichern auf den Markt. Zudem verwendeten wir Flash in Servern, um den Zugriff auf den Speicher zu beschleunigen.
Wir haben also schon eine gewisse Tradition im Flash-Umfeld. Was wir nun erkannt haben, ist der Bedarf an hochperformanten, dedizierten Speichersystemen, die eine hohe Arbeitslast bewerkstelligen müssen. Für diese Aufgaben waren unsere bisherigen Systeme mit Disks und dem zugehörigen Betriebssystem Data ONTAP nicht zu 100 Prozent fit. Der EF540 ist übrigens zusammen mit einem Kunden entstanden, dessen Namen ich nicht nennen darf, aber der gewichtig ist. Dieser hatte sich nach einem Nur-Flash-System umgesehen und mit uns zusammen ein Gerät aus unserer E-Serie mit SSD bestückt. Dabei stellte sich heraus, dass die Performance ausgezeichnet war.Für dieses System können Sie aber nicht mehr ONTAP verwenden, ein OS das für die Verwaltung von Disks entwickelt wurde und mit der Geschwindigkeit von Flash nicht mehr nachkommt?
Ja das ist richtig. Wir nehmen hier das OS für unsere E-Serie, SANtricity, das sich besser eignet.Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem sich ein Nur-Flash-Speichersystem anbietet?
Alle Applikationen, bei denen Verzögerungen verhindert werden müssen, bei denen also so wenig Latency wie nur möglich eintreten darf. Ich denke hier etwa an Handelsplattformen. Heute verwenden beispielsweise Banken hierfür teure Mainframe-Systeme.Gleichzeitig haben Sie auch die Weiterentwicklung FlashRay angekündigt, was ist mit dieser Plattform anders als mit dem EF540?
FlashRay ist ein komplett neu entwickeltes System, das nicht mehr auf der E-Serie basieren wird, sondern eine Funktionalität bieten wird, die heute nur mit ONTAP-getriebenen Geräten möglich ist. FlashRay wird also Storage-Effizienz, Cloning, das Erstellen von Snapshots, Kompression und Deduplikation in einem Nur-Flash-System zur Verfügung stellen. Hierfür braucht es ein komplett neues Betriebsystem, das wir derzeit ebenfalls entwickeln.Ziel ist es also, ein generisches All-Flash-System herzustellen, das einerseits die Geschwindigkeit der Festkörperspeicher ausnutzt und andererseits die Funktionlität bietet, wie wir sie schon heute vom Diskbereich her kennen. Die Flashray könnten dann beispielsweise in Rechenzentren mit geteilter Infrastruktur zum Einsatz kommen.
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Storage kommt immer mehr auch aus der Cloud, ist das die nächste Konkurrenz für Sie? Werden Firmen künftig auf ihre eigenen Speichersysteme verzichten und stattdessen aus der Cloud entsprechende Dienstleistungen beziehen, wie S3 oder Glacier von Amazon?
Das kommt auf deren Anforderungen an. Allerdings sehen wir in diesem Trend grosse Möglichkeiten, unsere Systeme unterzubringen. Gerade unsere auf ONTAP aufsetzende Clustering-Technik erfreut sich einer regen Nachfrage seitens der Cloud Service Provider. Diese können sich nämlich keine Systemunterbrüche leisten. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen können, dass die einzelnen Cloud-Kunden sicher von einander getrennt werden. Auch dies eine Funktionalität, die wir anbieten können.
Gleichzeitig sehen wir, dass sich noch viele Kunden aus Sicherheitsgründen nicht in die Public Cloud wagen. Hier setzt unsere Kooperation mit Amazon Web Services (AWS) an. Zusammen bieten wir die passende Storage-Infrastruktur für Private Clouds für Unternehmen an, um Services wie Backup zu nutzen.
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Themenwechsel: NetApp erhält immer wieder gute Noten seitens der eigenen Mitarbeiter und gilt als einer der besten Arbeitgeber. Was macht NetApp so attraktiv?
Der Hauptfaktor ist sicherlich der Respekt für das Individuum. Für Entscheidungen wird weitestgehend Konsens gesucht. Jeder kann sich einbringen und seine Meinung zu Vorhaben kundtun. Es gibt keine Barrieren zwischen den Hierarchien, jeder kann im Grunde genommen mit jedem reden. Titel sind ebenfalls nicht so wichtig bei NetApp. Daneben stammt die Firma aus Kalifornien. Und die Firmenkultur an der Westküste ist anders, etwas lockerer, als bei Unternehmen von der Ostküste. Ich kann jederzeit CEO Tom Georgen anrufen, wenn ich ein Problem habe. Umkehrt ist beispielsweise Tom Mendoza, ein langjähriges Mitglied des Top-Managments und heutiger stellvertretender Verwaltungsratspräsident, dafür bekannt, täglich Mitarbeiter anzurufen, um ihnen zu Erfolgen zu gratulieren oder ihnen, wenn es harzen sollte, Mut zuzusprechen.Es sind also hauptsächlich Mangement-Faktoren, nicht unbedingt Fringe-Benefits, die sie zu einem beliebten Arbeitgeber machen?
Ja, wobei es auch bei uns Fringe-Benefits gibt. Die haben aber zum Teil eine spezielle Form. So erhalten NetApp-Mitarbeiter fünf bezahlte Arbeitstage im Jahr, an denen sie sich sozial für eine Organisation engagieren können. Das ist unser Beitrag, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben.
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