09.11.2015, 13:25 Uhr

Bundesrätin Leuthard will Schweizer Digitalisierungsstrategie

Am «Infrastrukturtag» des Uvek wurde die Bedeutung von Technologie für die Schweizer Wirtschaft hervorgehoben. Bundesrätin Doris Leuthard forderte eine Digitalisierungsstrategie.
Die Schweiz hat auf den ersten Blick optimale Voraussetzungen für die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft. Die technische Infrastruktur ist bestens ausgebaut und auf dem neusten Stand, Technologie wie Computer oder Smartphones sind in der Bevölkerung weit verbreitet und wird eifrig genutzt. Diese Faktoren spiegeln sich in Spitzenplätzen der Schweiz in globalen Technologie-Rankings wider, sagte Bundesrätin Doris Leuthard am «Infrastrukturtag» des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek an der ETH Zürich. Sie wusste ebenfalls: Bei der Digitalisierung von Verwaltung und Wirtschaft könnte die Schweiz noch besser dastehen. In den Ämtern des Kantons Aargau herrsche noch häufig eine «Zettelwirtschaft», berichtete die Bundesrätin, die selbst aus dem Kanton stammt. Viele Dienstleistungen seien noch nicht in elektronischer Form verfügbar. Erst ab 2017 soll eine Umzugsmeldung am PC möglich sein, eine digitale Identität ist vielleicht 2020 realisiert, erklärte sie. «Ich bin froh, dass diese Fakten in den Studien nicht erfasst werden, sonst stünde die Schweiz schlechter da.»
Wie die Wirtschaft von der Digitalisierung profitieren kann, veranschaulicht ein Werbespot des Technologiekonzerns Siemens. Gezeigt wird unter anderem, wie Computer sowie Vernetzung die Arbeit in der industriellen Produktion, der Medizin und dem Verkehr erleichtern. Leuthard nahm das Video zum Anlass, zu einer gemeinsamen Initiative von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft aufzurufen. Die Strategie des Bundesrates für eine Informationsgesellschaft solle zu einer Digitalisierungsstrategie weiterentwickelt werden. Schweiz soll aufgrund der Spitzenforschung und der leistungsfähigen Wirtschaft zu den führenden Nationen bei der Digitalisierung zählen. «Wir müssen bei den Frontrunners sein», sagte die Nationalrätin. Nur mit dem Umbau in eine digitale Gesellschaft und Wirtschaft bleibe die Schweiz kompetitiv. Nächste Seite: Stopp an Landesgrenzen Gastredner am «Infrastrukturtag» war Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Laut seinen Beobachtungen hat die Digitalisierung bereits ihre Wirkung gezeigt. Die Medien- und Unterhaltungsindustrie sei durch Online-Angebote transformiert worden. Dienste wie iTunes, Netflix oder YouTube bestimmten heute den Medienkonsum, während es Musikhändler und Videotheken zunehmend schwerer hätten, sich zu behaupten. Nach Oettingers Überzeugung wird es in naher Zukunft die Banken und die Automobilbranche treffen. In beiden Sparten gäbe es viel Potenzial für den Einsatz von Computertechnologie. «Es wird vor 2020 entschieden sein, wer sein Geschäft transformieren kann und wer nicht», lautete seine Prognose.

Vor 2020 gibt's das Apple-Auto

Apple wird in der Automobilindustrie eine bedeutende Rolle spielen, glaubt der EU-Kommissar. Der Mac-Konzern werde noch vor 2020 ein eigenes Auto lancieren, das zwar in Kalifornien entwickelt, aber wie alle anderen Apple-Produkte von traditionellen Betrieben gefertigt werde. «VW könnte einer der Lieferanten sein, die haben gerade Zeit», spielte Oettinger auf die Absatzeinbussen des Konzerns aufgrund des Abgas-Skandals an.
Das Apple-Vehikel wird aller Voraussicht nach fahrerlos sein. Damit die Technik funktioniert, müssen international einheitliche Standards für Mobilfunk geschaffen werden. Mit dem Handy könne zwar weltweit telefoniert werden, einen Unterbruch gibt es aber an jeder Landesgrenze. Beim Wechsel in das Netz des nationalen Mobilfunk-Providers entsteht ein Funkloch, in dem heute die Daten- und Sprachverbindung des Smartphones abreisst. Wenn künftig selbstfahrende Autos die Grenze passieren, würden sie jeweils zu einem Stopp gezwungen werden. Oettinger glaubte deshalb, dass sicher auch die Schweiz grösstes Interesse an einer flächendeckenden, lückenlosen Infrastruktur habe. Die Fortschritte der Technologie verdeutlichte Professor Jürg Leuthold vom Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik an der ETH Zürich: Beispielsweise habe sich die Datenübertragungsgeschwindigkeit innert 15 Jahren um den Faktor eine Million erhöht. Ein Modem im Jahr 2000 arbeitet mit 128 KBit/s, heute bietet ein Kabelanschluss bis zu 1 GBit/s.
Professor Leuthold wusste, dass mit Glasfaser-Leitungen noch weitere Steigerungen der Übertragungsraten möglich seien. Für den Kapazitätsausbau im Mobilfunk gäbe es einerseits ungenutzte Frequenzbereiche und andererseits Bündelungstechnologien, mit denen höhere Leistungen erzielt werden könnten. «Die Physik setzt der Kommunikation heute (noch) keine Grenzen», sagte der Wissenschaftler.



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