05.05.2015, 16:20 Uhr

Warum das BIT 200-Millionen-Aufträge für IT-Infrastruktur vergibt

Das Bundesamt für Informatik hat Infrastrukturaufträge über 10 Millionen Franken an HP und Teradata vergeben. Mit Optionen steigt das Vertragsvolumen aber auf 200 Millionen Franken an. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Praxis?
Das Bundesamt für Informatik arbeitet an der zukünftigen Infrastruktur des Bundes. Aufträge für eine Private Cloud und ein zentrales Data Warehouse wurden kürzlich an HP respektive Teradata vergeben. Die beiden BIT-Aufträge haben eines gemeinsam: Der Verpflichtungskredit ist jeweils relativ gering, die Optionen machen allerdings 94 Prozent des Gesamtvolumens aus. So erhielt HP den Zuschlag für den Bau einer Cloud für 8,8 Millionen Franken (http://www.simap.ch, Projekt Nr. 1434 609). 50,8 Millionen könnten aber in den nächsten zehn Jahren noch dazukommen. Mit dem Projekt will das BIT interessierten Bundesämtern als Service Provider standardisierte, automatisierte und transparente Cloud-Dienste bedarfsgerecht zur Verfügung stellen. Heute werden Server noch manuell nach den Anforderungen und Bedürfnissen der einzelnen Ämter bereitgestellt. Teradata wird eine zentrale Data-Warehouse-Plattform für das BIT aufbauen (http://www.simap.ch, Projekt Nr. 1441 609). Auf dieser Plattform werden Bundesämter grosse Datenmengen zentral auswerten können. Teradata erhält zugesicherte 1,7 Millionen Franken. Weil das Projekt auf 15 Jahre ausgelegt ist, können noch bis zu 135 Millionen Franken hinzukommen.

«Spagat zwischen Kosteneffizienz und Wettbewerb»

Keine Frage, dass die Infrastruktur des Bundes erneuert werden muss. Doch wenn das BIT Aufträge im Wert von 200 Millionen Franken vergibt und davon nur 10 Millionen Franken von den Parlamentariern abgesegnet wurden, hinterlässt das ein paar Fragezeichen. Giovanni Conti, Direktor des Bundesamts für Informatik, versteht die Skepsis. Andererseits müsse man verstehen, dass er sich in einem Spagat zwischen Kosteneffizienz und Offenheit des Wettbewerbs befände, sagt Conti. Während in der Privatindustrie ein Unternehmen dem anderen von heute auf morgen einen Rabatt gewähren und im Gegenzug einen 5-Jahres-Vertrag abschliessen könne, sei das in der öffentlichen Verwaltung anders: «Da muss immer allen Anbietern die Chance gegeben werden, mitzuspielen». Der Vorteil an den Optionen sei es, dass die Beschaffungsstelle frei entscheiden könne, ob und in welchem Umfang sie von den optionalen Aufträgen Gebrauch machen wolle. Würde es beispielsweise im Laufe des Vertragsverhältnisses einen Technologiewechsel geben oder der Anbieter von der Konkurrenz überflügelt werden, würde Conti in Betracht ziehen, den Vertrag aufzulösen. «Es würde dann eine neue Ausschreibung geben, auf die sich jeder Interessierte bewerben könnte.» Die Optionen sind also auch eine Art Versicherung, dass sich ein Hersteller nicht auf einem gemachten Vertrag ausruhen kann.
Giovanni Conti, Direktor BIT
Warum aber Optionen in Höhe von mehr als 150 Millionen Franken über mehr als ein Jahrzehnt? Und nicht einfach eine Ausschreibung, die nach der gewöhnlichen Lebensdauer eines Systems endet? «Ich kann nicht nach jedem Zyklus einen Lieferantenwechsel vornehmen», sagt Conti. «Das wäre unverhältnismässig und mit dem Investitionsschutz des Bundes nicht vereinbar.» Doch warum dann 150 Millionen? Und nicht 500 Millionen über 50 Jahre? «Das Bundesamt für Bauten und Logistik prüft die Mengen der Optionen zur Sicherstellung, dass der Wettbewerb nicht durch zu grosse Optionsvolumen umgangen wird», sagt Conti. «Ich muss darum einen hypothetischen Plan erstellen, der sowohl die Investitionen schützt wie auch den Wettbewerb berücksichtigt.» Grundsätzlich geht Conti davon aus, dass die Optionen bei beiden Projekten ausgeschöpft werden. Er will aber noch einmal festhalten, dass diese mit grosser Vorsicht gewählt wurden: «Das BBL will genau wissen, warum wir welche Optionen wählen.» Das mag stimmen. Allerdings muss ein bereits gewählter Anbieter wohl sehr viel falsch machen, bis er ersetzt wird. Schliesslich würde das eine neue WTO-Ausschreibung nach sich ziehen, die ein bereits angelaufenes Projekt extrem verzögern würde. Und offenbar wissen die Parlamentarier auch bei den Zusagen für die Grundaufträge nicht wirklich, wofür das Geld nun verwendet wird. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Verpflichtungskredite nur schwer nachvollziehbar

«Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren»

Christian Wasserfallen, FDP-Nationalrat, kritisiert an den Verpflichtungskrediten, dass sie im Detail nur schwer nachvollziehbar sind. Weil das eine populäre Meinung in Bundesbern ist, wird per 1. Januar 2017 ein neues Fhrungsmodell für die Bundesverwaltung eingeführt, das Parlamentariern eine verbesserte Haushaltssteuerung ermöglichen soll. Dazu gehört ein integrierter Aufgaben- und Finanzplan, auf dem ein Departement genau ausweisen muss, welche Projektposten welche Kosten verursachen. Bisher musste man lediglich ein Gesamtbudget beantragen. Allerdings relativiert Wasserfallen dessen Nutzen: «Als ich im Berner Stadtrat Mitglied war, gab es auch ein solches Detailbudget. Da sah ich beispielsweise, wie oft der Müll entsorgt wird und wie viel das jeweils kostet. Ich hätte so die Möglichkeit gehabt, auf den Budgetprozess Einfluss zu nehmen. Allerdings dürfte kein Parlamentarier Zeit haben, sich derart detailliert mit den Projekten zu beschäftigten. Das ist ja beinahe schon Mikromanagement, man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren lernen.»
Christian Wasserfallen, Nationalrat (FDP)
Stattdessen will Wasserfallen die IT-Ausschreibungsprozesse der Bundesverwaltung optimieren und innerhalb der Verwaltung stärker zu koordinieren: «Mir ist wichtig, dass man mit dem Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) oder in Abstimmung mit dem BIT eine zentrale Kompetenz-Stelle hat, die Ausschreibungen begleitet. Da hilft es wohl schon, wenn Verantwortlichkeiten und Projekte über verschiedene Ämter hinweg einsehbar sind. Ansonsten geschieht es einfach zu oft, dass jemand in einer Verwaltungsstelle mit einem IT-Projekt zu tun hat, der noch nie mit IT in Berührung kam.» Besserung scheint in Sicht zu sein: «Ich spüre, dass die verantwortlichen Stellen wie BIT, ISB und BBL enger zusammenarbeiten möchten. Aber es gibt noch Raum zu Verbesserungen», sagt der 34-Jährige. Und fügt an: «Es muss doch möglich sein, dass man in der Bundesverwaltung nicht bei jedem IT-Projekt wieder bei Null beginnt und ähnliche Fehler nicht wiederholt.»

«Kein Wild-Card-Vertrag»

Es kann also festgehalten werden, dass die nicht nur im BIT praktizierte Ausschreibungsvariante mit tiefen Verpflichtungskrediten und hohen Optionen einige Vorteile hat. Problematisch wird es aber, wenn ein Anbieter mit Fortdauer eines Projekts das Gefühl erhält, sich alles erlauben zu können, weil die Bundesverwaltung nun ohnehin auf ihn angewiesen sei. Giovanni Conti schiebt solchen Bedenken aber einen Riegel vor: « Es besteht keine Chance, dass wir eine Art Wild-Card-Vertrag vergeben, wo der Gewinner dann für wenig Leistung sehr viel Geld erhält.» Trotz dieser Versicherung werden wir von der Computerworld auch bei künftigen Aufträgen dieser Grössenordnung genau hinschauen, ob die gemachten Versprechungen auch eingehalten werden. Geschichte soll sich schliesslich nicht wiederholen.



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