26.01.2009, 14:05 Uhr

Aus für Analyse-Software von Microsoft

Mit Microsoft PerformancePoint Server wollten sich die Redmonder bei Finanzabteilungen etablieren und die Frontend-Dominanz bei Excel ausspielen. Nun kommt überraschend das Aus.
Microsoft-CEO Steve Ballmer
Mit dem PerformancePoint Server 2007 hatte Microsoft vor zwei Jahren erstmals ein umfassendes Angebot für Corporate Performance Management (CPM) geschaffen. Dieser Begriff steht für Methoden und Kennzahlen, mit denen sich die Unternehmensleistung eines Betriebes messen, überwachen und steuern lassen soll. Der Software-Gigant hatte hierzu den neuen Server als eine von Grund auf integrierte Umgebung auf der Basis der eigenen Windows-Server-Infrastruktur und der Entwicklungsplattform "Microsoft Office System" aufgebaut. Der Server vereint die 2006 zugekaufte Analysetechnik von Proclarity mit Funktionen des bisherigen "Business Scorecard Manager" für den Aufbau von Scorecard- und Dashboard-Lösungen sowie neu entwickelte Software für Planung, Budgetierung und Forecasting.

Technische Finessen

Eine der zentralen Herausforderungen bei der Produktentwicklung war es gewesen, für Finanzabteilungen einerseits eine hohe Bedienungsfreundlichkeit und Integration in die gewohnte Arbeitsumgebung zu schaffen, andererseits aber den Finanzexperten hohe Freiheitsgrade bei der Anpassung der Umgebung einzuräumen, die diese meist verlangen.
Microsoft versuchte diese Aufgabe zum einen natürlich mit einer guten Excel-Integration zu erfüllen. Vor allem aber war es das Tool "Planning Business Modeler", das Experten gefiel. Mit ihm können Anwender Planungsmodelle erstellen und bearbeiten. Dazu können sie standardisierte Planungsmodelle mit vordefinierten Dimensionen und Geschäftslogik heranziehen, die bereits im Produkt enthalten sind. Beispiele sind Finanzmodelle mit eingebauter Logik zur Eliminierung von Innenbeziehungen oder Annahmemodelle zur Hinterlegung von Währungsumrechnungen und Preislisten. Seit kurzem ist für den Server bereits das zweite Servicepack auf Deutsch verfügbar.

Zweifel am Branchenwissen von Microsoft

Trotz technischer Feinheiten und Microsofts Quasi-Monopol am Desktop gab es jedoch von Anfang an Zweifel, ob der Software-Riese und seine Partner das Geschäft mit CPM-Anwendungen beherrschen würden. Anders als beim Verkauf von Infrastrukturprodukten sei ein tiefes Branchen- und Fachwissen unabdingbar, um Unternehmensabteilungen und Finanzvorstände zu gewinnen und zur etablierten, so die Kritik.
Hinzu kam, dass die Redmonder spät in einem damals schon reifen Markt mit starken Konkurrenten wie Business Objects (jetzt Teil von SAP), Cognos (jetzt Teil von IBM), SAS Institute und anderen Herstellern einsteigen wollte. Entwicklungschef Peter Bull hatte sich dennoch 2007 in einem Interview mit unserer deutschen Schwesterpublikation "Computerwoche" optimistisch gegeben. Man habe für die Entwicklung Leute mit gutem betriebswirtschaftlichem und technologischem Wissen aus Industrie und Wirtschaft rekrutiert, und ein internationales Team solle dafür sorgen, dass der PerformancePoint Server die unterschiedlichen Anforderungen an CPM insbesondere aus Europa abdecken würde. Auch setzte Microsoft auf den Input von Kunden, mit denen es Entwicklungspartnerschaften unterhalten wollte, da das Produkt noch jung war.

SharePoint statt PerformancePoint

Doch nun kommt plötzlich das Aus. Soweit bekannt soll Folgendes passieren:
o Die Scorecard-, Dashboard und Analysefunktionen sollen laut Hersteller künftig in den SharePoint Server Enterprise wandern;
o Das PerformancePoint Service PPS Service Pack 3 soll noch kommen, danach aber nicht weiter in die Planungsfunktionen investiert werden;
o Der Produktname PerformancePoint soll zum ersten April von der Preisliste verschwinden und danach nur noch für Kunden des SharePoint Server 2007 (E-CAL) mit Software Assurance erhältlich sein.
o Der Support für PerformancePoint Server soll noch bis einschliesslich 2018 gesichert sein.
In einer ersten Reaktion kommentiert Carsten Bange, Geschäftsführer des deutschen Business Application Research Center (Barc), das Ende von PerformancePoint dahin, dass das Produkt hinsichtlich seiner Verkaufszahlen nie die Erwartungen von Microsoft erfüllt hatte. Auch sei anzunehmen, dass die meisten Kunden von PerformancePoint vor allem Analyse (ProClarity) und die Business-Scorecard-Management-Komponente nutzen, weniger jedoch die Planung. Ein weiterer Treiber, den auch andere Kommentatoren zitieren, ist der, dass Microsoft insgesamt profitabler werden will und daher offenbar die am wenigsten profitablen Projekte und Produkte stoppt (auch hatte der Hersteller kürzlich Entlassungen angekündigt: "Microsoft verschickt bis zu 5000 blaue Briefe").
Laut Bange hätten somit Kritiker der Produkt- und Vertriebsstrategie mit der Ankündigung Recht behalten: "Es dauerte eine ganze Weile bis Microsoft sein Partnerprogramm überhaupt auf die Besonderheiten von Business-Intelligence-Projekten ausrichten konnte. Planung ist hier noch einmal spezieller vom Grad des erforderlichen Know-hows des Vertriebs und erforderlicher Consulting-Kapazitäten", so Bange. Mit PerformancePoint habe Microsoft in eine Architektur investiert, die es gar nicht hätte geben dürfen: "Planungsfunktionen gehören eigentlich in die Datenbank, aber die Rückschreibfähigkeiten der SQL Server Analysis Services sind auch nach mehr als zehn Jahren im Portfolio immer noch unzureichend", resümiert Bange.

Imageverlust für Microsoft im Markt für Business Intelligence (BI)

Laut Barc werde es Microsoft nach dieser Entscheidung deutlich schwerer haben, sich als strategischer BI-Anbieter zu positionieren. Planung sei eine wesentliche BI-Aufgabe und hier öffne sich nun eine klare Lücke im Produktportfolio der Redmonder. "Wer als globalen Standard eine komplette Suite für BI-Aufgaben aus einer Hand sucht, dem bleiben nur noch drei grosse Anbieter - aber, ob bei denen die Suite-Strategie funktioniert, bleibt abzuwarten". So müsse Konkurrent Oracle die CPM-Software von Hyperion weiter integrieren, SAP muss BPC erst einmal auf dem SAP Business Warehouse (jetzt SAP Busines Intelligence) zum Laufen bekommen und IBM führe momentan Cognos Planning und Applix TM1 zusammen. "Alle Anbieter haben mit ähnlichen Problemen hinsichtlich Vertriebsstrategie und Integration mit Reporting und Analyse zu kämpfen".
Andererseits werde der SharePoint Server weiter im Microsoft-Portfolio aufgewertet. Reporting und Analyseaufgaben müsse der Software-Gigant jedoch jetzt mit Hilfe von SQL Server, SharePoint und Office abzudecken versuchen. "Für grössere Planungsszenarien auf Basis von Microsoft SQL Server bot der PerformancePoint Server eine Workflow-Komponente zur Prozessunterstützung. Diese Funktion scheint komplett zu verschwinden".



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